15.000 Anti-Islam-Demonstranten stehen in Dresden knapp 6000 Gegenaktivisten gegenüber. Proteste der Pegida heizen die Debatte um die deutsche Zuwanderungspolitik an.

Dresden/Berlin . Das rechtspopulistische „Pegida“-Bündnis verzeichnet trotz bundesweiter Kritik weiter Zulauf. Bei ihrer neunten Demonstration in Folge brachten die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) am Montagabend in Dresden nach Schätzungen der Polizei rund 15.000 Menschen auf die Straße, 5000 mehr als in der Vorwoche. Etwa 5650 Menschen beteiligten sich an verschiedenen Gegenkundgebungen. Einer Demonstration vom Bündnis „Dresden Nazifrei“ schlossen sich auch die Grünen-Bundevorsitzenden Simone Peter und Cem Özdemir an. Auch in Bonn haben am Abend mehrere Hundert Menschen gegen eine zeitgleich stattfindende Anti-Islam-Kundgebung protestiert. Zum sogenannten Abendspaziergang der „Bonner gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Bogida) kamen aber nur mehrere Dutzend Menschen.

Unterdessen ist bundesweit eine Diskussion um den Umgang mit „Pegida“ entbrannt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verurteilte die Aktionen scharf. In Deutschland gelte zwar die Demonstrationsfreiheit, sagte sie. „Aber hier ist kein Platz für Hetze und Verleumdung.“ Regierungssprecher Steffen Seibert fügte hinzu: „Wer sich diesen Demonstrationen anschließt, muss sich gut überlegen, bei wem er sich vor den Karren spannen lässt.“ Zugleich zeigte Seibert Verständnis dafür, dass die steigenden Zahlen von Flüchtlingen und Asylbewerbern Sorgen hervorriefen. Die Regierung arbeite zusammen mit den Ländern und Kommunen daran, dass die Probleme etwa bei der Versorgung der Asylbewerber gelöst würden. „Darauf können sich die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auch verlassen“, betonte die Kanzlerin.

Die CSU attackierte Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) wegen seiner Kritik an der Anti-Islam-Bewegung scharf. Maas liege mit seinen Äußerungen voll daneben, sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. „Es ist eine ungeheure Verunglimpfung, friedlich demonstrierende Menschen, die ihre Sorgen ausdrücken, als ,Schande für Deutschland‘ zu bezeichnen.“ Scheuer mahnte, gerade der Justizminister sollte die Versammlungsfreiheit anerkennen. „Die CSU distanziert sich von den zwielichtigen Pegida-Organisatoren und den rechtsextremen Dumpfbacken, die dort auch mitlaufen“, sagte Scheuer. „Aber wir nehmen die Sorgen der friedlich demonstrierenden Bürger aus der Mitte der Gesellschaft ernst.“ Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer (CSU), warnte vor Pauschalurteilen. Es gelte, die Teilnehmer an den Protestzügen von den sehr zweifelhaften Initiatoren zu unterscheiden. Ein Großteil der Demonstranten seien einfach besorgte Bürger, die sich fragten, wie viel Zuwanderung Deutschland verkraften könne.

Die Menschenrechtsorganisation Pro Asyl warnte davor, die Proteste zu verharmlosen. Pegida stelle Menschenrechte wie Religionsfreiheit und das Recht auf Asyl infrage, sagte Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt. Die Bewegung wolle Rassismus im politischen Diskurs etablieren. Wenn die Pegida-Programmatik „verständnisvoll als Äußerung diffuser Ängste verharmlost wird, droht diese Strategie aufzugehen“, so Burkhardt. Nach Ansicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeige die Bewegung die Angst der Menschen vor der Zukunft. Sie sorgten sich um ihren Arbeitsplatz und suchten Sündenböcke.

Die Initiative Pegida wurde im Oktober in Dresden gegründet. Bundesweit gibt es inzwischen mehrere Bündnisse, die sich an Pegida orientieren, so etwa „Dügida“ ( („Düsseldorf gegen die Islamisierung des Abendlandes“) oder Hogesa („Hooligans gegen Salafisten“). Anders als Hogesa distanziert sich Pegida stets von Gewaltaufrufen. Politiker plädierten wiederholt dafür, die Sorgen der Demonstranten ernst zu nehmen.

So sprach sich Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) entgegen anderer Äußerungen aus der SPD für einen Dialog mit bestimmten Teilen der Anti-Islam-Bewegung aus. „Diejenigen Bürger, die nicht wirklich begreifen wollen oder begreifen können, was sie da tun, wofür sie sich missbrauchen lassen, auf die muss man zugehen“, so Thierse. Die Politik müsse erklären, warum Deutschland Einwanderer brauche. „Ängste bekämpft man nicht und überwindet man nicht, indem man sie beschimpft, sondern indem man sie ernst nimmt, indem man argumentiert“, betonte Thierse.