Versprochene Entlastung für Deutsche gilt wahrscheinlich nur bis zur nächsten Wahl

Berlin. Als leidenschaftlicher Vorkämpfer für eine Pkw-Maut à la CSU ist Wolfgang Schäuble bisher nicht aufgefallen. Hartnäckig wies der Bundesfinanzminister von der CDU auf „viele schwierige Fragen“ hin, während sein CSU-Verkehrskollege Alexander Dobrindt noch am Gesetzentwurf werkelte. „Mein Wahlkreis endet an der Stadtgrenze von Straßburg“, überkam es den überzeugten Europäer Schäuble bei dem Gedanken an das Motiv der CSU, Fahrer aus Nachbarländern zur Kasse zu bitten. Weil es im Koalitionsvertrag steht, muss der Finanzminister aber mitmachen. Sein Beitrag sorgt nun für neuen Maut-Ärger.

In der letzten Sitzung vor Weihnachten, am 17. Dezember, will das Kabinett ein Maut-Paket beschließen und das Lieblingsvorhaben der CSU auf den Weg bringen. Nach einem Jahr heftiger Diskussionen kommt es dann auf zwei Minister an: Dobrindt und Schäuble. Jeder von ihnen soll einen Gesetzentwurf einbringen. Beide Entwürfe gehören einerseits eng zusammen, andererseits aber auch ausdrücklich nicht. Das liegt an den vertrackten Bedingungen, unter denen es die Maut in den Koalitionsvertrag schaffte. Sie darf inländische Autobesitzer nicht extra belasten, weswegen diese für Maut-Zahlungen eine volle Entlastung über die Kfz-Steuer garantiert bekommen. Deshalb soll Dobrindts Entwurf zur Maut-Einführung zusammen mit jenem von Schäuble zur Kfz-Steuer beschlossen werden. Jedoch darf auch kein zu direkter Zusammenhang bestehen, denn die EU will scharf darauf achten, dass Ausländer nicht benachteiligt werden.

Allerdings rechnet Schäuble mit erheblichen Verwaltungskosten. Allein für Druck und Versand von rund 43,5 Millionen Kraftfahrzeugbescheiden entstehe ein Aufwand von rund 22 Millionen Euro. Die Umstellung der IT koste 2,5 Millionen Euro. Außerdem betrage der „personelle Mehraufwand“ sechs Millionen Euro im Jahr. Rund 20 Millionen würde es kosten, die Fragen zu beantworten, die die deutschen Autofahrer wegen der Maut haben. Dieses Geld soll nach Schäubles Willen durch die Maut-Einnahmen gedeckt werden. Sprich: Verkehrsminister Dobrindt soll selbst dafür zahlen.

Das Finanzministerium plant nun, dass Inländer bei der Kfz-Steuer eine Entlastung „um den jeweiligen Betrag“ bekommen, der als Mautsatz in Dobrindts Gesetz genannt wird. Genau genommen in der Fassung des Gesetzes, wie es nach dem Willen der CSU bald in Kraft treten soll. Was die Nuance bedeutet, sagt die Begründung des Entwurfs. Verankert werden soll nämlich eine Kompensation für Maut-Belastungen „in deren zum Zeitpunkt der Einführung festgelegten Höhe“. Sprich: Falls es später einmal zum Beispiel zu einer Maut-Erhöhung kommen sollte, hätte dies „losgelöst von der Kraftfahrzeugsteuer“ zu erfolgen.

Der ohnehin mautskeptische Koalitionspartner SPD zeigte sich prompt irritiert. „Die SPD wird keinem Gesetzentwurf zustimmen, in dem die Maut den deutschen Autofahrer durch eine Hintertür später doch belastet“, sagte Fraktionschef Thomas Oppermann. Der Opposition lieferten die Unstimmigkeiten neue Munition. „Es könnte zu einem bösen Erwachen für Pkw-Halter in diesem Land kommen, wenn der Europäische Gerichtshof die Verrechnung kippt, die Pkw-Maut aber bestehen bleibt“, warnte Linke-Verkehrsexperte Herbert Behrens. Die Maut-Macher bemühten sich, zu beruhigen. „Es wird keine Mehrbelastung für inländische Kfz-Halter geben“, versicherte das Verkehrsministerium. Zudem dürfte schon die geplante Ausweitung der Lkw-Maut so viel Geld für Investitionen einspielen, dass für eine Anhebung der Pkw-Maut absehbar gar kein Anlass bestehe. Das Finanzressort beteuerte: „Es gibt keinen Dissens.“ Die Formulierungen sollen deutlich machen, dass man den Gesetzgebern in Zukunft nicht vorgreifen kann. Und natürlich, signalisierte die Regierung, könne man nur für diese Wahlperiode bis 2017 sprechen.

In der SPD wunderten sich trotzdem viele über das Finanzressort. „Man könnte fast den Eindruck bekommen, dass Herr Schäuble das wichtigste Projekt von Herrn Dobrindt torpedieren will“, sagte Fraktionsvize Sören Bartol. Die CSU sieht dagegen keinen Grund zur Aufregung. „Die Maut kommt, und kein deutscher Autofahrer muss mehr bezahlen“, versprach Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt. „Wer anderes behauptet, sieht eine Fata Morgana.“

Der Vorsitzende des Verkehrsausschusses des EU-Parlaments, Michael Cramer (Grüne), sagte: „Die neue Diskussion in Deutschland über die zugesagten Maut-Entlastungen für inländische Autofahrer hat zu noch mehr Verwirrung und Kopfschütteln in Brüssel über die Maut-Pläne aus Berlin geführt.“ Unabhängig davon, ob deutsche Autofahrer finanziell belastet werden oder nicht, gelte, dass die Pläne ausländische Autofahrer diskriminierten. Cramer: „Aus meiner Sicht sind die Maut-Pläne in der EU chancenlos. Sie werden am Ende nicht durchgesetzt.“