Die Überlegungen der CDU-Politikerin zu weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr stoßen auf heftige Kritik. Gutachter zeigen Mängel auf

Berlin. Am Montagnachmittag um 13.34 Uhr beginnt die bislang gefährlichste Mission für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Eine Delegation von Wirtschaftsprüfern und Juristen präsentiert der CDU-Politikerin nach dreimonatiger Prüfung einen Bericht mit 1200 Seiten zum Stand der wichtigsten Rüstungsprojekte. Alle Fakten liegen damit auf dem Tisch. Nun ist die Ministerin am Zug. Die „Operation Rüstungssumpf“ kann beginnen.

In den nächsten Monaten wird die Ministerin Entscheidungen treffen müssen, die äußerst riskant sein können. Bei den Projekten – vom Transportflugzeug A400M über das Raketenabwehrsystem Meads bis zur Skandaldrohne „Euro Hawk“ – geht es immerhin um insgesamt 57 Milliarden Euro.

Das Urteil der Experten ist klar und deutlich. Zu spät, zu teuer und mit Mängeln. Das gilt praktisch für alle Großprojekte der Bundeswehr. Verzögerungen und Verteuerungen sind inzwischen an der Tagesordnung. Und dafür Entschädigungen einzufordern ist wegen eines mangelhaften Vertragsmanagements eher schwierig.

Die Fehlerkette ist immer wieder dieselbe. „Am Anfang wird der Kardinalfehler gemacht, dass man sich schlank lügt“, heißt es aus der Ministeriumsspitze. Kosten werden viel zu niedrig angesetzt und dann Schritt für Schritt erhöht. Die Verzögerungen ergeben sich durch Nachbesserungen seitens der Industrie und neue Anforderungen seitens des Ministeriums.

Hinzu kommen komplizierte Meldewege im Ministerium, unklare und zu stark verzweigte Zuständigkeiten sowie fehlendes Problembewusstsein. Das sind allerdings alles Erkenntnisse, die nicht ganz neu sind. Auch von der Leyens Vorgänger Thomas de Maizière hatte schon mehr Transparenz gepredigt und eine neue Fehlerkultur angemahnt. Verändert hat sich aber kaum etwas.

Von der Leyen hatte die „Operation Rüstungssumpf“ im Februar spektakulär eingeleitet. Weil ihr die interne Überprüfung der Projekte nicht gefiel, feuerte sie den verantwortlichen Staatssekretär Stéphane Beemelmans. Als Ersatz holte sie die Unternehmensberaterin Katrin Suder von McKinsey ins Ministerium und beauftragte die externen Berater mit dem Prüfbericht.

Die haben nun zwar 140 Risiken und Probleme identifiziert. Bei den 180 Handlungsempfehlungen bleiben sie aber an vielen Stellen vage. Erste Entscheidungen wurden gleichwohl sofort getroffen: Meldewege sollen verkürzt werden. Das Vertragsmanagement soll durch bessere Bezahlung und Ausbildung aufgewertet werden.

Zu den ersten Projekten, die von der Leyen am Montag anging, gehörte ausgerechnet eines, das ihrem Vorgänger kein Glück gebracht hat. Die Drohne „Euro Hawk“ hätte de Maizière sogar fast seinen Job gekostet. Wegen massiver Zulassungsprobleme und einer drohenden Kostenexplosion hatte er das ferngesteuerte Aufklärungsflugzeug vor einem Jahr in einer Garage im bayerischen Manching eingemottet.

Jetzt soll die Drohne wieder fliegen, um das integrierte Aufklärungssystem weiter zu erproben. Das soll dann womöglich in eine neuere Drohne integriert werden, die „Triton“ heißt. Von der weiß man aber auch noch nicht, ob sie bei der Zulassung für den deutschen Luftraum den strengen Anforderungen entspricht. Der „Euro Hawk“ ist nur einer der Fallstricke, die auf dem langen Weg lauern, den von der Leyen nun gehen muss. „Ich stelle mich da auf eine lange, harte Aufgabe ein“, sagt sie selbst.

Mit ihren Überlegungen zu weiteren Auslandseinsätzen der Bundeswehr in der Ukraine und im Nordirak stieß die Ministerin auf massive Kritik. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt warf der Ministerin vor, mit solchen Vorstößen lediglich von dem „Chaos“ im Rüstungsbeschaffungswesen ablenken zu wollen. Grünen-Chef Cem Özdemir forderte von der Leyen auf, sie müsse die Versäumnisse ihrer männlichen Kollegen aufarbeiten.