Von der Leyen hat die Probleme in der Bundeswehr geerbt. Jetzt aber muss sie handeln

Wenn in Firmen einschneidende Veränderungen ins Haus stehen, wird gern externer Sachverstand eingeholt. Betriebsfremde und damit unvoreingenommene Controller prüfen Abläufe, Personal- und Kostenstrukturen und kommen dann zu dem Ergebnis, dass es so nicht weitergehen kann. Das hätte normalerweise auch jeder interne Manager sagen können. Aber bei unbequemen Wahrheiten wird gern fremde Expertise vorgeschoben. So hat es nun auch Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen gemacht. Ihre Betriebsprüfer haben jetzt schwarz auf weiß dargelegt, dass die Bundeswehr vor allem bei Rüstungsprojekten ein ziemlicher Schlampenladen ist: Löchrige Verträge mit der Industrie, Verzögerungen und Preissteigerungen werden attestiert.

Zu diesem Ergebnis sind früher auch schon andere Gutachter gekommen. Und die Drohne „Euro Hawk“ ist bei Weitem nicht die erste Panne der Bundeswehr. Schon das erste Nachkriegs-U-Boot U 1 erwies sich 1962 als nicht salzwassertauglich. Ein ungeeigneter Stahl wurde verwendet. Oder der Starfighter, angeschafft unter Franz Josef Strauß: Bis zur Außerdienststellung der letzten Maschinen 1991 stürzten 269 von ihnen ab, was 108 Bundeswehrpiloten das Leben kostete. Das Modell war unausgereift und wurde durch deutsche Nachbesserungswünsche verschlimmbessert. Seit Beginn der 80er-Jahre wird über den Bedarf an neuen Transportflugzeugen debattiert, weil schon damals klar war, dass die Lockheed C-130 Hercules und die Transall ihre militärischen Aufgaben bald nicht mehr erfüllen würden. Der bestellte Airbus A400M lässt bis heute auf sich warten. Und klar ist auch, dass er die erforderlichen Parameter an Reichweite und Traglast nicht erreichen wird.

Es existieren durchaus funktionierende Transportflugzeuge, die einfach hätten gekauft werden können. Wichtiger war aber den beteiligten Nationen, auch der Bundesrepublik, dass es eine europäische Eigenentwicklung werden soll. So wie beim Eurofighter, der einmal Jäger 90 hieß, weil er bereits in den 90er-Jahren eingeführt werden sollte. Industriepolitische Argumente siegten über die militärischen Erfordernisse. Und so ist es bis heute. Die Bundeswehr und ihre neue Chefin haben also nicht nur ein Management-Problem, sondern ein handfestes politisches. Es bedarf nicht weniger als eines Kurswechsels in der Verteidigungs- und Außenpolitik. Ausrüstung, Truppenstärke und deren Struktur müssen endlich den – hoffentlich bald definierten – Erfordernissen angepasst und dann auch vernünftig gemanagt werden. Dass Soldaten auf ihrem Weg in den Nordirak tagelang in Bulgarien festsitzen, weil sie mit einer Ersatzmaschine unterwegs sind, entbehrt nicht einer gewissen Komik. Beinahe sieht es so aus, als wären von der Leyens Vorgänger und deren Bürokraten subversive Pazifisten gewesen, die durch ihr Tun eine Kriegsbeteiligung Deutschlands unter allen Umständen verhindern wollten. Ganz ohne Spaß gefährdet aber eine unzureichende Ausrüstung im Ernstfall das Leben der Soldaten.

Das war allerdings auch schon lange vor dem neuen Gutachten für das Verteidigungsministerium bekannt. Die ehrgeizige Ministerin hätte sich nicht dahinter verstecken müssen. Vor allem hätte sie ihr erstes Amtsjahr nicht damit verbringen sollen, der Bundeswehr vor allem einen familienfreundlicheren Anstrich inklusive Flachbildschirmen in Soldatenunterkünften verpassen zu wollen. Auch schön. Aber die Prioritäten für das Amt, das sie mit aller Macht angestrebt hat, sind andere. Immerhin gibt es jetzt kein Zurück mehr für die Ministerin, der ein starkes Streben Richtung Kanzleramt nachgesagt wird. Sie wird jetzt liefern müssen, vor allem auch zum Wohl der Streitkräfte und der Steuerzahler – oder das Amt droht ihr, wie so manchem ihrer Vorgänger, zum Schleudersitz zu werden.