In Hamburg wächst die Zahl der Studierenden aus anderen Staaten. Doch Universitäten in München, Berlin und Tübingen sind sogar noch beliebter als die Hansestadt.

Hamburg/Berlin. Jedes Jahr finanziert der deutsche Staat im Durchschnitt mit 13.000 Euro pro Kopf das Studium von jungen Menschen aus dem Ausland. Es ist eine Investition, die sich rechnet – sofern mindestens 30 Prozent der ausländischen Studierenden nach dem Abschluss in Deutschland für fünf Jahre arbeiten. Pro Jahr verbucht der Staat dann Mehreinnahmen von 28.000 Euro. Doch die letzte durch die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in 2008 ermittelte Quote lag bei nur 26 Prozent.

Nie hatte Deutschland mehr Studenten, doch klagt die Wirtschaft über Mangel an Fachkräften. Internationalität wird auf dem Arbeitsmarkt als Motor für Kreativität gesehen. Und gerade bei ausländischen Studenten sind technische Fächer beliebt: Für ein Studium in den Ingenieurwissenschaften entschieden sich im vergangenen Jahr 25.300 ausländische Studierende – in keinem anderen Fach wuchs die Nachfrage so stark. Auch der Bildungsstandort Deutschland ist attraktiv.

Und so will die neue Bundesregierung von Union und SPD bis 2020 die Zahl ausländischer Studenten „um rund ein Drittel auf etwa 350.000“ steigern. Es ist einer der wenigen konkreten hochschulpolitischen Punkte im Koalitionsvertrag. Die Bundesrepublik ist nach den USA und Großbritannien derzeit das drittwichtigste Gastland. Auch der Hamburger Senat will die Studierendenzahlen von Ausländern weiter erhöhen. Konkrete Ziele nennt er nicht. Die Zahlen gehen nach oben – wenn auch langsam. Lag der Anteil an allen Hochschulen im Winter 2010 noch bei 14,5 Prozent, stieg er bis zum Winter 2012 auf 17,1 Prozent. Das zeigt eine Anfrage der SPD an den Senat, die dem Abendblatt vorliegt.

Doch es geht nicht nur um Quote. Ziel muss sein, die internationalen Studenten im Land zu halten, darin sind sich Politiker und Experten einig. „Es ist ganz zentral, dass jungen Ausländern die Chance eröffnet wird, nach ihrem Studium in Hamburg auch eine Stelle auf dem Arbeitsmarkt zu finden“, sagt Hamburgs SPD-Integrationsexperte Kazim Abaci. Dafür brauche es einen offenen Zugang, niedrige gesetzliche Hürden und wenig Bürokratie.

Einige Reformen wurden bereits durchgesetzt: Wer als Ausländer in Deutschland studiert hat, bekommt nach seinem Abschluss 18 Monate Zeit, einen Arbeitsplatz zu finden. Danach läuft die Aufenthaltsgenehmigung ab. Die Frist war 2012 um sechs Monate verlängert worden. Wer einen Arbeitsvertrag nachweist, mit dem er mehr als 46.400 Euro brutto im Jahr verdient, kann mit Familie einreisen und dauerhaft hier bleiben. Bis 2012 mussten ausländische Arbeitnehmer sogar 66.000 Euro verdienen, um in Deutschland zu arbeiten. Die Studiengebühren in Hamburg wurden abgeschafft.

Und doch: In einer umfassenden Studie der Stiftung Migration und Integration aus dem Jahr 2011 nehmen ausländische Studenten Deutschland häufig als Land mit restriktivem Bleiberecht wahr. 61 Prozent wollen zwar nach dem Abschluss hier arbeiten. Doch weniger als 30 Prozent der Befragten erhielten eine Aufenthaltsgenehmigung. Das Deutsche Studentenwerk fordert seit Jahren, die Rechte von internationalen Studenten mit den Studierenden aus EU-Staaten gleichzustellen.

Die Wissenschaftsbehörde kritisiert zudem, dass es bei Vergabe von Visa für ausländische Studierende „Optimierungspotenzial“ gebe. Die Dauer der Verfahren und die Anforderungen an die rechtzeitige Aufnahme des Studienbeginns seien nicht hinreichend aufeinander abgestimmt, sagte ein Sprecher dem Abendblatt. Doch auch die Betreuung der Studenten spielt eine wichtige Rolle. Der Anteil der ausländischen Studienanfänger lag 2011 bei 17 Prozent. Der Anteil der Absolventen allerdings nur bei 9,8 Prozent. „Knapp jeder zweite Bachelorstudent, der nach Deutschland kommt, bricht sein Studium ab“, sagt Abaci. Die Studenten seien oft fachlich überfordert, viele können nicht ausreichend Deutsch. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag heißt es nur vage, man wolle mit dem Hochschulpakt Anreize für höhere Abschlussquoten setzen.

Der Bundesverband ausländischer Studierender kritisiert, dass das Auswärtige Amt den Etat des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) kürzen will. Von bis zu 20 Prozent ist die Rede. Zudem lief 2013 ein Programm des Bildungsministeriums zur Förderung der Integration ausländischer Studierender aus, mit dem jedes Jahr mit mehreren Millionen Euro diverse Projekte an den Hochschulen finanziert wurden – auch in Hamburg.

„Wer aus China nach Deutschland kommt, braucht Unterstützung und Beratung. Sonst kommt es zu einem Kulturschock. Der DAAD zahlt aber nur für Förderprogramme und Stipendien“, sagt Abaci. Bund und Länder wollen die Hochschulen auch unterstützen und ermuntern, „Welcome Centers“ einzurichten, ihr Personal sprachlich und interkulturell fortzubilden. In der Strategie des Senats im Kampf gegen Fachkräfte spielen ausländische Absolventen nach eigenen Angaben eine wichtige Rolle. Auch hier gibt es eine Anlaufstelle für Zuwanderer. Derzeit werde vom Senat geprüft, wie Studierende im „Hamburg Welcome Center“ besser unterstützt werden können.

Vor allem Berlin und München sind als Universitätsstädte für Ausländer besonders beliebt. Während der Anteil der zugewanderten Studenten an der Universität Hamburg 2012 bei 21,7 Prozent lag, war an den beiden großen Berliner Universitäten fast jeder zweite Student Ausländer. In München lag die Quote bei 26,2 Prozent. Und im weniger großen Tübingen liegt die Quote mit 24 Prozent Ausländeranteil an der Universität auch noch höher als in Hamburg. „Hamburg als Stadt ist sicherlich reizvoll und beliebt für junge Ausländer, die studieren wollen, aber anscheinend nicht der Zustand oder die Angebote in der Wissenschaft“, kritisiert Marcus Weinberg, Bildungsexperte und Landeschef der Hamburger CDU. Ursache sei auch die „Abkehr vom Exzellenzgedanken“. Wissenschaftliche Exzellenz und Internationalität seien für die Zukunft „Leuchttürme und keine Teelichter“, sagte Weinberg. Er bemängelt zudem, dass ein „ganzheitlicher Ansatz“ des Senats fehle, um junge Talente in die Stadt zu holen.

2013 förderte die Wissenschaftsbehörde 147 internationale Studenten. Dort heißt es, dass der schwarz-grüne Vorgängersenat das Geld für Stipendien „vollständig gestrichen“ habe. Die SPD-Regierung habe dies „teilweise zurückgenommen“. Auch günstige Unterbringung und Deutschkurse liefern Anreize für junge Menschen, hier zu studieren. Abaci verweist auf die 201 zusätzlichen Wohnplätze in Hammerbrook. 400 bis 500 von Hamburg geförderte Mietverhältnisse sollen zudem im Süden der Stadt entstehen. Aber er sagt auch: „Da ist noch Luft nach oben.“