Dieter Lenzen, der Präsident der Hochschule, wehrt sich gegen parteiübergreifende Kritik. Handelskammer: Stadt hinkt Süddeutschland hinterher

Hamburg. Der Präsident der Universität Hamburg, Dieter Lenzen, wehrt sich gegen Kritik aus Reihen Hamburger Ex-Politiker. Vor gut einer Woche hatten Altbürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) und die beiden ehemaligen Senatoren Willfried Maier (Grüne) und Wolfgang Peiner (CDU) in einer Streitschrift die Leistungsfähigkeit der Hamburger Uni bemängelt.

Lenzen, der seit März 2010 im Amt ist, weist diese Vorwürfe zurück: „Die Behauptung, dass es kein Gesamtkonzept für die Universität gibt, ist falsch. Hamburg verfügt über eine überdurchschnittlich qualitätsvolle Hochschullandschaft mit großen Leistungssteigerungen in den zurückliegenden Jahren. Alle unsere Initiativen zeigen: So viel Aufbruch war nie“, sagt der 63-Jährige. Und weiter: „Jetzt kommt es darauf an, ihn nicht zu zerreden, sondern die Wissenschaft in ihrem autonomen Weg zu unterstützen – mit Wohlwollen statt Misstrauen, mit Freiheit statt Regelungsdichte und natürlich auch mit Finanzen, die ein Wachstum möglich machen, das man nicht nur aus Rücklagen finanzieren kann.“

In der wissenschaftlichen Fachöffentlichkeit, aber auch in der Gesellschaft sei „die Beurteilung gar nicht schlecht, sondern im Gegenteil sehr gut“. Mit zwei Exzellenzclustern aus Physik und Klimaforschung gehöre die Universität zu den nicht mehr als acht Unis in Deutschland, die zwei Exzellenzcluster im Exzellenzwettbewerb alleine eingeworben haben.

Lenzen: „Wichtig ist auch, die Position der Universität unter den deutschen Hochschulen bekannt zu geben: In Deutschland gibt es insgesamt 392 Hochschulen, davon 239 Hochschulen in staatlicher und 113 in privater Trägerschaft. In der Gesamtfolge dieser Hochschulen befindet sich die Universität Hamburg auf dem 13. Platz. Der Zweitklassigkeitsvorwurf ist also absurd.“ Das gelte auch im internationalen Vergleich. Allein im vergangenen Jahr sei die Universität Hamburg laut QS World University Ranking um fast 20 Plätze in das erste Drittel aufgestiegen. „Es gibt weltweit 17.036 Universitäten. Also auch hier erstklassig“, konstatiert Lenzen.

In Richtung der Ex-Politiker, die in der aus ihrer Sicht mangelnden Leistungsfähigkeit einen wirtschaftlichen Standortnachteil für Hamburg sahen, ergänzt Lenzen: „Wirtschaftsforscher gehen davon aus, dass die Wissenschaft in Hamburg knapp sechs Milliarden jährlich zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt. Dafür erwarten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen Respekt.“

Man dürfe nicht den Fehler machen, „von Harvard zu träumen, denn die Budgets der US-amerikanischen Spitzenuniversitäten betragen etwa das 20-Fache der Universität Hamburg bei der Hälfte der Studierenden, also faktisch verfügen sie über ein 40-mal so hohes Budget“. Und doch gelänge es durch die Konzentration auf einzelne Bereiche immer wieder, internationale Spitzenwissenschaftler anzuziehen. So seien unlängst ein Kunsthistoriker aus Harvard und ein Physiker aus Oxford nach Hamburg gewechselt, „insgesamt allein in den letzten zwei Jahren 17 hervorragende Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus dem Ausland“, so der Universitäts-Präsident.

In ihrer gemeinsamen Streitschrift hatten Klaus von Dohnanyi, Willfried Maier und Wolfgang Peiner kritisiert, dass Hamburg einen „ständigen Bedeutungsverlust“ im Vergleich mit anderen Metropolen erlebe. Konkret auf die Universität bezogen sei festzustellen, dass diese bestenfalls zweitklassig sei, es gebe kaum Spitzenleistung und kein Gesamtkonzept. Es gebe keine geistige Prägung der Stadt durch das, was an den Hochschulen passiere, sagt Maier. „Hamburg hat Potenzial, aber ohne international wettbewerbsfähige exzellente Forschung und Wissenschaft ist ihre Zukunft bedroht“, warnt Dohnanyi. Notwendig sei eine Kampagne „Wissenschaftsstandort Hamburg 2025“. Die drei Politiker fordern einen parteiübergreifenden strategischen Beschluss von Senat und Bürgerschaft, der den Ausbau zur Wissenschaftsmetropole über mehrere Wahlperioden festschreibe und mit einem verbindlichen Finanzkonzept verbinde.

Der Wirtschaftsrat Hamburg begrüßte die mit der Streitschrift entfachte Diskussion zur Wissenschaftspolitik in der Hansestadt. Neben einem klaren Bekenntnis von Politik und Gesellschaft zur Zukunft des Wissenschaftsstandorts Hamburg bedürfe es eines klaren Bekenntnisses der Universität zu Leistung und Transparenz. „Auch in der Hochschulpolitik ist der erste Schritt zu mehr Wettbewerbsfähigkeit, sich dem Wettbewerb überhaupt erst zu stellen. Die Verweigerung der Universität Hamburg, an Rankings teilzunehmen, kommt einer Leistungsverweigerung gleich“, teilte der Landesvorsitzende Jörg Debatin auf der Internetseite des Verbandes mit. Die Universität müsse sich bezüglich ihrer Leistungen in Lehre und Forschung genauso messen lassen wie ihre Studenten. Debatin forderte Wissenschaftssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) auf, dafür Sorge zu tragen, dass die Universität ab sofort wieder an allen bundesweiten Rankings teilnimmt. Lenzen hatte schon früher angekündigt, dass sich die Uni nicht mehr an Ranking-Befragungen beteiligen werde, weil Aufwand und Nutzen in einem schlechten Verhältnis stünden.

Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, versteht Wissenschaft als einen integralen Bestandteil des zukünftigen Wohlstands der Stadt. „Kluge Köpfe sind die wichtigste Ressource, die Hamburg hat. Und in die müssen wir mehr investieren“, sagt Dräger, der von 2001 bis 2008 parteiloser Wissenschaftssenator in Hamburg war. Bislang würden Wissenschaft und Forschung in Hamburg mehr unter dem Kostenaspekt gesehen und weniger als Investition in die Zukunft. Ein Bewusstseinswandel in der Politik sei nötig, fordert Dräger. „Es muss aber auch ein Bewusstseinswandel in den Hochschulen stattfinden. Sie müssen besser aufzeigen, wie sie auch zum Wohlstand der Stadt beitragen können.“ Für Handelskammer-Präses Fritz Horst Melsheimer ist die Analyse, die der Debatte zugrunde liegt, nicht neu. „Sie ist allerdings richtig und wichtig. In den letzten Jahrzehnten ist viel zu wenig passiert, sodass Hamburg weiterhin meilenweiten Abstand zu den Innovationszentren im Süden und Westen Deutschlands hat.“ Auf die Bedeutung des Zusammenwirkens von Wissenschaft, Innovation und Wirtschaft für eine prosperierende und zukunftsfähige Stadt habe die Handelskammer seit Jahren hingewiesen und konkrete Vorschläge gemacht, so zum Beispiel für einen funktionierenden Technologietransfer oder den Aufbau von Technologieparks.

„Dabei haben wir immer betont, dass die finanzielle Ausstattung der Hochschulen eine hinreichende Bedingung, aber nicht alleinige Voraussetzung für Exzellenz ist.“ Begrenzte öffentliche Mittel könnten aber auch der Initiator für eine stärkere Fokussierung und Profilbildung sein, die es dann ermögliche, enger mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten. „Was unserer Stadt bis heute fehlt, ist eine Innovationsstrategie, die nicht nur auf dem Papier steht, sondern konsequent im politischen Diskurs vom Bürgermeister angefangen vorgelebt und in der Praxis umgesetzt wird“, sagt Melsheimer.