Während des Gedenkens an die Toten kommt die Nachricht vom Sturz Janukowitschs

Hamburg. Mit einem bewegenden Trauermarsch gedachten Ukrainer, die in Hamburg leben, am Sonnabendnachmittag der Opfer, die nach Tagen der Gewalt auf dem Maidan-Platz in der Hauptstadt Kiew ums Leben gekommen waren. Rund 200 Menschen zogen vom Hauptbahnhof zum Rathausmarkt. Dort wurden 75 Namen von getöteten Demonstranten verlesen, wurden Fotos der Verstorbenen hoch gehalten und Kerzen angezündet. Zu den Opfern gehören junge Männer, wie der 19-jährige Roman, Serhiy, 23 Jahre alt, oder der 28-jährige Eduard. „Das ist eine ganz bewegende Stimmung bei dieser Demonstration“, sagte ein Polizist. Es gab kein Parolen, stattdessen sangen die Menschen während ihres Marsches ukrainische Volkslieder und trugen einen Pappsarg mit Tulpen darauf.

Vorn mit dabei war die 31-jährige Ievgeniia Lysak, die seit zehn Jahren in Deutschland lebt und in diesen Tagen mit ihren Gedanken mehr noch als sonst bei ihrer Familie in Kiew ist. „Meine Eltern sind jedes Wochenende auf dem Maidan. Es ist gefährlich, aber ich bin auch stolz, dass meine Familie nicht gleichgültig ist, sondern sich für die Meinungsfreiheit einsetzt“, sagt sie. Die Ukraine sei eine Nation von Menschen, die einander helfen und nicht wegschauen. Zuletzt war sie im Januar in Kiew zu Besuch, sie war auch auf dem Maidan und hat dort Brote für die Demonstrierenden geschmiert. Zu der Zeit war es noch friedlich.

In Hamburg arbeitet sie als Direktionscontrollerin und konnte sich in den Tagen der Gewalt kaum auf ihre Arbeit konzentrieren. „Ich mache mir Sorgen. Meine Schwester war vor zwei Tagen auf dem Maidan, als scharf geschossen wurde. Sie hat dort geholfen und hat Leichen gesehen“, erzählt Ievgeniia Lysak. Täglich telefonieren sie miteinander. Anders als einige ihrer Landsleute, die aus Angst vor den ukrainischen Machthabern nur mit dem Vornamen erwähnt werden wollen, nennt sie ihren vollen Namen: „Dort haben die Leute schließlich ihr Leben für Freiheit und Demokratie gegeben und haben viel mehr Mut bewiesen.“ Ievgeniia Lysak wünscht sich eine Hinwendung nach Europa und dass die Schuldigen bestraft werden – das seien Ex-Präsident Viktor Janukowitsch und seine Minister. Das blutige Regime habe den Krieg gegen sein eigenes Volk begonnen.

Katharina Fegebank, Landesvorsitzende der Grünen, und ihr FDP-Kollege Najib Karim begleiteten den Trauermarsch: „Ich hoffe, dass diese Lieder ihren Weg auf den Maidan finden. Es ist wichtig, dass sich in allen europäischen Städten die Ukrainer zusammenfinden – als Zeichen der Solidarität“, so Fegebank. Sie hofft, dass die Friedensbemühungen der EU zu einem Ende der Gewalt führen. „Jeder Tote ist ein Toter zu viel.“ Und während die Demonstranten vor dem Rathaus Kerzen anzündeten, erreichte sie aktuell eine Nachricht: Das Parlament setzt Janukowitsch ab und ordnet Neuwahlen an. Jubel unter den Ukrainern in Hamburg.