Der ehemalige SPD-Abgeordnete und Auslöser der Affäre um mögliche Kinderpornos sagt, er habe sich nicht strafbar gemacht und sei nicht gewarnt worden

Berlin. Sebastian Edathy beobachtet im Moment aus der Ferne, was mit seinem Leben passiert. Der SPD-Politiker hat sich irgendwo verkrochen, vielleicht in Dänemark wie führende Sozialdemokraten andeuten, vielleicht anderswo. Seit einigen Tagen diskutiert die Republik über die Neigungen des langjährigen Bundestagsabgeordneten, forschen Ermittler sein Leben aus und durchforsten seine Habseligkeiten. Bislang hat sich Edathy nur mit ein paar knappen Sätzen zu Wort gemeldet. Nun äußert er sich erstmals ausführlicher über die Vorwürfe gegen ihn. Seine Botschaft: Er habe sich nichts zuschulden kommen lassen. Was da mit ihm passiere, sei ungerecht.

Die Staatsanwaltschaft Hannover, die gegen Edathy ermittelt, hat unangenehme Details über den Mann aus Niedersachsen offengelegt. Über mehrere Jahre soll er sich bei einem kanadischen Anbieter Fotos und Videos von nackten Kindern per Post bestellt und im Internet heruntergeladen haben: Bilder von kleinen Jungs zwischen neun und 13 oder 14 Jahren. Darauf toben und spielen die Jungen oder sitzen irgendwo, „vermeintlich in natürlichen Posen (...), alles aber mit Bezug zu den Genitalien“ – so formulieren es die Ermittler.

Edathy dagegen spricht von „Material“, das er „für eindeutig legal“ hält. Das sagt viel über seine Sicht der Dinge. Was heißt legal? Ermittler und Juristen tun sich bei Kinderpornografie schwer mit der Abgrenzung. Was ist ein harmloser Schnappschuss im Planschbecken und was ein kinderpornografisches Bild? Die Grenzen sind fließend. Wo die Grenze bei Edathy liegt, muss sich noch erweisen.

Nun hat Edathy dem Nachrichtenmagazin „Spiegel“ ein kurzes Interview gegeben, die Fragen wurden per E-Mail beantwortet, von einem unbekannten Ort aus. Darin weist er alle Vorwürfe zurück: Er habe sich nicht strafbar gemacht. Edathy wehrt sich auch gegen den Vorwurf, er habe vor der Hausdurchsuchung bei ihm Beweismaterial vernichtet. „Ich halte es für irritierend, aus der Tatsache, dass die Maßnahmen der Staatsanwaltschaft offenkundig nicht dazu geführt haben, mich rechtlich zu belasten, die Schlussfolgerung zu ziehen, ich hätte belastendes Material vernichtet. So wird die Unschuldsvermutung ad absurdum geführt.“ Laut Medienberichten hat die Staatsanwaltschaft Hinweise auf zerstörte Festplatten und auf Computer gefunden, die offenbar vor der Razzia weggeschafft wurden.

Kanadische Ermittler hatten die Firma, bei der auch Edathy bestellte, im November hochgenommen. Das ging auch in Deutschland durch die Medien. Edathy las davon und schickte einen Anwalt los, der herausfinden sollte, ob ihm ein Ermittlungsverfahren droht – „um für den Eventualfall vollständige Kooperationsbereitschaft anzubieten“. Aber einen Tipp habe er nie bekommen, versichert Edathy.

Er spricht von „nicht belegten Behauptungen“ und Anschuldigungen und greift die Ermittler scharf an: „Ich halte das Agieren der Staatsanwaltschaft für ungeheuerlich.“

Wer ist eigentlich Sebastian Edathy, fragen sich nun jene, die bislang meinten, ihn zu kennen. Zuletzt machte er sich als Vorsitzender des NSU-Untersuchungsausschusses einen Namen, dem Gremium also, das die Verbrechen der rechten Terrorzelle NSU aufarbeitete. Edathy galt dort als so etwas wie eine moralische Instanz über all den Abscheulichkeiten und sicherheitspolitischen Abgründen in dem Fall. Für viele war er der aufrechte und arbeitsame Aufklärer. Und nun?

Vor etwas mehr als einer Woche legte er sein Bundestagsmandat nieder – kurz vor den Durchsuchungen. Edathy nennt „Erschöpfung“ nach der Arbeit im NSU-Ausschuss als Grund. Aber auch die Befürchtung, dass „ungerechtfertigte Maßnahmen“ auf ihn zukommen könnten. Eine Situation der „Diffamierung“ wie jetzt habe er vermeiden wollen. Noch ist unklar, um was es sich bei der Affäre Edathy handelt: Geht es um einen strafbewehrten Fall von Kinderpornografie? Oder um die Frage, ob es moralisch vertretbar und Privatsache ist, wenn sich ein Politiker Nacktfotos von Kindern bestellt – solange die Bilder denn „legal“ sind?

Klar ist nur, dass Edathys Ruf schon jetzt schweren Schaden genommen hat. Sein Bruder Thomas hat sich gerade öffentlich von ihm distanziert. Der „Bild“-Zeitung sagte er: „Jetzt wird auch mein Name mit diesem Makel in Verbindung gebracht. Ich bin erschüttert.“