Die Große Koalition aus Union und SPD kann ihre politische Arbeit beginnen. Alle Regierungsmitglieder sind bestätigt. Das Abendblatt stellt vor, wer welche Aufgaben übernimmt

Berlin. Der Erste, der am Sonntagmittag offiziell die Namen seiner Minister herausrückte, war SPD-Chef Sigmar Gabriel. Die CDU-Vorsitzende Angela Merkel und CSU-Chef Horst Seehofer ließen sich etwas mehr Zeit: Um 18.15 Uhr gaben beide gleichzeitig Pressekonferenzen, um die Namen jener zu verkünden, die zum großen Teil aber auch schon zuvor die Runde gemacht hatten. Das Abendblatt stellt alle neuen Bundesminister vor:

Angela Merkel, 59, (CDU)

Wenn die CDU-Parteivorsitzende an diesem Dienstag im Bundestag zum dritten Mal zur Bundeskanzlerin gewählt wird, dann steht sie im Zenit ihrer Macht. Ihre wichtigste Aufgabe bleibt die Bewältigung der europäischen Finanzkrise – hier legt ihr der Koalitionsvertrag keinerlei Fesseln an. Über ihrer Amtszeit schwebt die unbeantwortete Frage, ob sie nach dieser Legislatur ein weiteres Mal antreten will. Ihre Leute halten das genauso für möglich wie das Gegenteil. Die Physikerin betont ja gerne, dass sie vor ihrer Zeit in der aktiven Politik ja schon mal andere Dinge ausprobiert hat. Dass sie die vier Jahre ausfüllen will, ist jedenfalls sicher.

Sigmar Gabriel, 54, (SPD)

Der SPD-Vorsitzende, der im neuen Kabinett der Großen Koalition als Vizekanzler und Minister für Wirtschaft und Energie eine der wichtigsten Rollen übernimmt, ist ein politisches Stehaufmännchen: Als Ex-Pop-Beauftragter seiner Partei war er nun auf SPD-Seite der Architekt der Großen Koalition. Wie sich die Zeiten ändern können! Wenn er jetzt die Energiewende erfolgreich managt, dürfte ihm die Kanzlerkandidatur 2017 kaum zu nehmen sein, wenn er sie dann will.

Wolfgang Schäuble, 71, (CDU)

Schon in den Koalitionsverhandlungen war zu spüren, welches Pfund die Union mit ihrem Finanzminister hat. Sein Wort wird auch in der SPD nicht infrage gestellt, er hat die überzogensten Ausgabenwünsche des kleineren Koalitionspartners quasi im Alleingang vom Tisch gewischt. Dass Schäuble in der Politik nichts mehr werden will, ja fast schon vor der Heiligsprechung steht, macht ihn unabhängig – und stark.

Frank-Walter Steinmeier, 57, (SPD)

Vier Jahre hat er als Vorsitzender die Zügel in der SPD-Fraktion zusammengehalten. Jetzt kommt er als Außenminister zurück auf ihm wohl bekanntes Terrain. Schon in der Großen Koalition in den Jahren 2005 bis 2009 machte Frank-Walter Steinmeier auf diesem Posten eine gute Figur. Der promovierte Jurist aus Brakelsiek wird auch in der Union geschätzt. Seinen Wahlkreis gewann er als einziger SPD-Kandidat aus Brandenburg direkt. Die vergeigte Kanzlerkandidatur 2009 mit dem schlechtesten Bundestagswahlergebnis seit 1949 scheint lange her.

Andrea Nahles, 43, (SPD)

Was hat sie nicht alles aushalten müssen auf ihrer Ochsentour durch die Partei – zuletzt wurde Andrea Nahles, die in der SPD nicht von allen geliebt, aber respektiert wird, mit einem mauen Ergebnis als Generalsekretärin bestätigt. In der Parteizentrale lieferte sich die Frau vom linken Flügel manche Auseinandersetzung mit Platzhirsch Sigmar Gabriel. Es hat sich gelohnt: Als Arbeitsministerin ist Andrea Nahles im Zentrum der Macht angekommen.

Hans-Peter Friedrich, 56, (CSU)

Lange hatte der feinsinnige Bayer mit dem Amt des Innenministers gefremdelt, dann wollte er es nicht mehr eintauschen. Gut möglich, dass die NSA-Affäre ihm den Abschied nun doch erleichtert. Weil die CSU das Innenministerium abgeben musste, hat er sowieso keine andere Wahl. Doch auch als Landwirtschaftsminister bleibt er wichtig für die Partei.

Ursula von der Leyen, 55, (CDU)

Die Ärztin kann sich als Verteidigungsministerin endgültig als potenzielle Merkel-Nachfolgerin profilieren. Das Familien- und das Arbeitsministerium kennt sie auch schon von innen – diese Frau scheint einfach universal einsetzbar.

Heiko Maas, 47, (SPD)

Als saarländischer Vize-Regierungschef kennt der Parteilinke die Mechanismen in einer Großen Koalition. Eine Überraschung ist er als Minister für Verbraucherschutz und Justiz dennoch. Aber der verheiratete Familienvater hat eben einen guten Draht zu Sigmar Gabriel. So kann er sich nun erstmals auf der Berliner Bühne ausprobieren.

Thomas de Maizière, 59, (CDU)

In der Drohnen-Affäre hat das Image des bisherigen Verteidigungsministers als professioneller Politmanager gelitten. Das hing auch mit einem als unglücklich aufgefassten Kommunikationsstil zusammen. Die Kanzlerin nimmt ihren langjährigen Weggefährten mit der Ernennung zum Innenminister nun im wahrsten Sinne des Wortes aus der Schusslinie.

Manuela Schwesig, 39, (SPD)

Die Parteistrategen hatten den Aufstieg von Mecklenburg-Vorpommerns Sozialministerin minutiös geplant. Jung und selbstbewusst wie sie ist, soll die stellvertretende Vorsitzende als Familienministerin die langen Jahre, in denen mit Ursula von der Leyen und Kristina Schröder CDU-Frauen in Deutschland Familienpolitik geprägt haben, vergessen machen.

Alexander Dobrindt, 43, (CSU)

Er ist nach Karl-Theodor zu Guttenberg so etwas wie der neue Shootingstar der Bayern-Partei. Und wird von Horst Seehofer jetzt für sein erfolgreiches Wahlkampfmanagement mit dem Posten des Ministers für Verkehr und digitale Infrastruktur belohnt. Dass dafür Parteivize Peter Ramsauer weichen muss, zeigt, welch große Stücke der Vorsitzende auf seinen (Noch-) Generalsekretär hält.

Barbara Hendricks, 61, (SPD)

Die Berufung der intern einflussreichen SPD-Schatzmeisterin zur neuen Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit zeigt, wie wichtig in Parteien der Regionalproporz ist. Hendricks stammt aus dem mitgliederstarken Landesverband NRW, sie gilt als Wunschkabinettskandidatin der dort residierenden Ministerpräsidentin Hannelore Kraft.

Johanna Wanka, 62, (CDU)

Nach Annette Schavans Rücktritt hatte sie nur neun Monate Zeit, sich Respekt und das Vertrauen der Kanzlerin zu erarbeiten. Das scheint geglückt zu sein: Johanna Wanka bleibt Bildungsministerin, obwohl ihr Amt in der allgemeinen Verteilmasse war.

Peter Altmaier, 55, (CDU)

Als klar war, dass Ronald Pofalla als Kanzleramtsministeraufhört, fiel schnell sein Name. Peter Altmaier war gerne Bundesumweltminister, aber er genießt das Vertrauen der Kanzlerin und gilt außerdem als ein politischer Generalist. Das qualifiziert ihn für den neuen Job.

Gerd Müller, 58, (CSU)

In der CSU kennen sie ihn alle – er war ja schon so vieles: zum Beispiel JU-Landeschef in Bayern, Zweiter Bürgermeister und Kreisrat, Europaabgeordneter, seit 1994 Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Kempten, Lindau und Oberallgäu. Von 2005 an wirkte der Familienvater dann als Staatssekretär bei Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner. Jetzt holt ihn Parteichef Horst Seehofer als neuen Minister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung in die erste Reihe.

Hermann Gröhe, 53, (CDU)

Mit dem scheidenden CDU-Generalsekretär wird neben Alexander Dobrindt ein zweiter erfolgreicher Wahlkampfmanager für seine Mühen belohnt. Bislang war nicht aufgefallen, dass er sich für Gesundheitspolitik interessiert. Aber als Politprofi, der er ist, müsste sich Gröhe schon zurechtfinden als Gesundheitsminister. Ein Amt, in dem man, wie Ulla Schmidt es formulierte, allerdings „immer die Torte im Gesicht“ hat.