Auch die Mütterrente soll kommen. Aber die Finanzierung ist noch offen. Und ab 2016 soll es eine Frauenquote in Aufsichtsräten geben

Berlin. Union und SPD haben eine der größten Hürden auf dem Weg zu einer Großen Koalition aus dem Weg geräumt. Sie verständigten sich auf einen gesetzlichen Mindestlohn. Offen ist allerdings, wie hoch die einheitliche Lohnuntergrenze sein soll und wann sie startet. Die SPD fordert bundesweit 8,50 Euro pro Stunde.

Die Verhandlungsführer der Koalitions-Arbeitsgruppe Arbeit und Soziales, Ursula von der Leyen (CDU) und Andrea Nahles (SPD), einigten sich am Montag außerdem auf eine ausreichende Rente für Geringverdiener. Die Milliarden teuren Renten-Pläne stehen allerdings ebenfalls unter einem Finanzierungsvorbehalt. Endgültig entschieden wird daher erst in der finalen Runde voraussichtlich Ende November.

Damit sind sich Union und SPD fast zwei Monate nach der Bundestagswahl erstmals bei den großen Vorhaben eines schwarz-roten Regierungsbündnisses näher gekommen. Ökonomen warnen allerdings vor der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohnes, auch die Bundesbank. Arbeitgeber und Gewerkschaften lehnen zudem einen Griff in die Rentenkasse zur Finanzierung der Milliarden-Pläne strikt ab. Über die Einigung der Unterhändler soll an diesem Dienstag die 70-köpfige Koalitions-Verhandlungsrunde entscheiden.

Die Verhandlungsführer von Union und SPD haben sich auch auf eine gesetzliche Quote für Frauen in Führungspositionen verständigt. Nach dem Willen der Unterhändler in der Arbeitsgruppe Familie sollen in den Aufsichtsräten großer börsennotierter Unternehmen ab 2016 mindestens 30 Prozent Frauen vertreten sein. Darüber hinaus müssen große Unternehmen ab 2015 eigene verbindliche Ziele für die Erhöhung des Frauenanteils in Aufsichtsrat, Vorstand und den obersten Management-Ebenen definieren und veröffentlichen. Die SPD ist zufrieden über den Kompromiss, der Wirtschaftsflügel der Union hat Bedenken.

„Das ist ein guter Schritt für die Gleichstellung von Frauen in Deutschland“, sagte die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig am Montag. Schwesig hatte gemeinsam mit der Co-Leiterin der Arbeitsgruppe, Annette Widmann-Mauz (CDU), den Kompromiss ausgehandelt. Wert legte Schwesig auf Sanktionen bei Nichterfüllung der Ein-Drittel-Quote: „Wenn das nicht erreicht wird, gibt es Sanktionen, und zwar den leeren Stuhl. Dann darf das Aufsichtsratsmandat nicht besetzt werden.“

Der Unions-Wirtschaftsflügel ist skeptisch: „Das wird in einigen Firmen mit Sicherheit sehr schwierig sein, mit dieser Quote zu leben“, sagte der CDU-Wirtschaftspolitiker Michael Fuchs. Er verwies auf den Maschinenbau, in dem nur wenige Frauen tätig seien. Widmann-Mauz setzte dagegen: „Wir wollen die Aufstiegschancen von Frauen in der deutschen Wirtschaft befördern.“

In den Führungspositionen der großen Unternehmen in Deutschland sind Frauen bislang eine Minderheit. Zwölf Jahre nach der Selbstverpflichtung der Wirtschaft, mehr Frauen in Aufsichtsräte und Vorstände zu berufen, lag ihr Anteil in den Führungsetagen der 160 börsennotierten Top-Unternehmen im September 2013 bei 11,7 Prozent.

Europas größter Autobauer Volkswagen beispielsweise müsste den Frauenanteil in seinem Aufsichtsrat spürbar erhöhen, um die Quotenpläne der möglichen neuen Großen Koalition zu erfüllen. Von den insgesamt 20 Mitgliedern in dem Kontrollgremium sind bisher erst drei weiblich: zwei auf Kapital- und eine auf Arbeitnehmerseite.

Einig war sich die AG Familie am späten Sonntagabend, einen Rechtsanspruch auf die Familienpflegezeit festzuschreiben, die in der vergangenen Legislatur eingeführt worden war. Außerdem soll eine zehntägige bezahlte Auszeit vom Beruf zur Organisation der Pflege von Angehörigen künftig über die Pflegeversicherung mitfinanziert werden. So etwas gibt es bislang nur für Eltern, die ihr krankes Kind pflegen. Das „Elterngeld Plus“ soll Eltern für die Dauer von bis zu 28 Monaten eine Inanspruchnahme in Kombination mit einer Teilzeitarbeit ermöglichen. Auch soll ein Partnerschaftsbonus von etwa zehn Prozent des Elterngeldes geschaffen werden, wenn beide arbeiten.

Keine Einigung gab es bei den strittigen Themen Betreuungsgeld und Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Die Themen der Arbeitsgruppe sollen am heutigen Dienstag in der großen Runde besprochen werden und stehen unter einem Finanzierungsvorbehalt. Die Finanzierung der Mütterrente ist nach wie vor offen. Auch die Frauenquote und bezahlte Pflege-Auszeit müssen die Spitzen erst noch billigen. Mit mehr Zugeständnissen tun sich CDU/CSU schwer.