Ankündigung von Kompromissbereitschaft bei Steuererhöhungen sorgt für einen Sturm der Empörung

Berlin. Drei Tage lang hatten sich CDU und CSU über das beste Wahlergebnis seit 20 Jahren gefreut – doch dann schlug die Partystimmung um in Wut und Zorn. Von einem „Aufstand der Basis“ berichtet etwa Peter Hauk, Fraktionschef der CDU im Landtag von Baden-Württemberg: „Die Telefone laufen bei uns heiß, und wir werden als Umfallerpartei beschimpft.“ Mit Entsetzen hätten die Wähler gelesen, dass die Union, nachdem sie die Bundestagswahl mit einer Absage an Steuererhöhungen gewonnen habe, nun das Gegenteil plane.

Die „Bild“ hatte von „Geheimplänen“ berichtet. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe habe Spitzenvertretern des Wirtschaftsflügels in einer Telefonkonferenz erklärt, man werde sich bei Koalitionsverhandlungen mit SPD und Grünen auf eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 45 oder 47 Prozent einigen müssen. Aktuell beträgt dieser 42 Prozent. Gröhe dementierte am Donnerstag scharf: „Die Berichterstattung ist falsch. Es gilt uneingeschränkt unser Wahlprogramm.“ Auch führende Vertreter des Wirtschaftsflügels wiegelten ab. Fraktionsvize Michael Fuchs sagte: „Ich habe mit der Bundeskanzlerin telefoniert, und sie hat mir versichert, dass sie auch nach der Wahl Steuererhöhungen weiter ausschließt.“

Die Hamburger CDU erteilte allen Überlegungen, dass im Falle einer Koalition mit der SPD Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen seien, eine Absage. „Das wäre finanzpolitisch und ökonomisch ein fatales Zeichen“, sagte CDU-Chef Marcus Weinberg am Donnerstagabend auf einem Landesparteitag. Auch die Bürgerschaftsabgeordneten Karl-Heinz Warnholz und Karin Prien warnten vor einem Verlust an Glaubwürdigkeit, wenn die CDU ihr Wahlversprechen breche.

Tatsächlich liegen die Dinge komplizierter. Zwar werden sowohl in der Parteizentrale als auch von den Wirtschaftspolitikern heilige Eide geschworen, die beschriebene Telefonkonferenz habe es nicht gegeben. Andererseits werde gerade viel telefoniert. Und manchmal telefonierten auch mehr als zwei Christdemokraten. Befeuert wurde die Empörung zudem von Interview-Äußerungen. Am Mittwoch schon hatte der Vize-Parteivorsitzende Armin Laschet auf die Frage nach Steuererhöhungen geantwortet, man wisse nicht, was in Koalitionsverhandlungen herauskomme: „Natürlich werden wir in allen Themen kompromissbereit sein müssen.“ Zudem wurde vorab bekannt, dass Finanzminister Wolfgang Schäuble in der „Zeit“ zwar eine Vermögenssteuer als schweren Fehler bezeichnet, auf die Frage, ob er Steuererhöhungen grundsätzlich ausschließe, aber antwortete: „Wir sollten jetzt schauen, wie die Gespräche laufen. Wir werden Koalitionsverhandlungen nicht über die Öffentlichkeit führen.“ Dies war weithin als Abrücken vom strikten Nein verstanden worden.

Auch Hauk empört sich. Er fürchtet um gerade erst errungene Erfolge: „45,7 Prozent der Wählern haben in Baden-Württemberg für die CDU gestimmt. Dieses neue Vertrauen dürfen wir nicht verspielen!“ Die Schwesterpartei reagierte ebenfalls verstimmt: „Wir lehnen Steuererhöhungen klar ab“, sagte Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU).

Andere Unionspolitiker argumentierten, es habe keinen Sinn, Steuererhöhungen schon zu Beginn der Koalitionsverhandlungen zu akzeptieren. „Verhandlungen beginnen erst“, twitterte etwa Bundesvize Julia Klöckner. Der haushaltspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Norbert Barthle (CDU) hingegen, brachte in der „Rheinischen Post“ eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes ins Spiel: „Die Treppe zwischen 42 Prozent ab 53.000 Euro Jahreseinkommen und 45 Prozent ab 250.000 Euro könnte wegfallen.“

Tatsächlich gilt es in Unionskreisen als offenes Geheimnis, dass man der SPD eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes anbieten wird. Selbst in der schwarz-gelben Koalition war dies mindestens einmal ins Spiel gebracht worden. So hatten Mitte der Legislaturperiode Politiker um den heutigen Umweltminister Peter Altmaier vorgeschlagen, ebendies den Sozialdemokraten anzubieten, damit diese im Gegenzug ihre Blockade einer Milderung der „kalten Progression“ im Bundesrat aufgeben. So wären mittlere Einkommen entlastet worden, und Schwarz-Gelb hätte ein Wahlversprechen erfüllen können. Damals scheiterte der Plan an der FDP. Warum sollte er nun – ohne die FDP – nicht erneut versucht werden?

In Teilen der Unionsfraktion, vor allem aber bei CDU-Ministerpräsidenten, ist eine Erhöhung der Steuern von Gutverdienern ohnehin populär. Sie sehen die Lage der öffentlichen Finanzen nicht so rosig, wie sie die Union im Wahlkampf gemalt hat. Außerdem, meinen sie, sei dies eigenen Anhängern vermittelbar, schließlich habe erst Rot-Grün den Spitzensteuersatz gesenkt, der unter Helmut Kohl noch bei 53 Prozent gelegen habe.

Die wenigen überzeugten Gegner von Steuererhöhungen in der Union wissen, dass ihre Position mit dem Ausscheiden des liberalen Partners schwächer wird: Wenn die FDP nicht dabei sei, gebe es sowieso immer Steuererhöhungen, seufzte der Fraktionsvorsitzende Volker Kauder unlängst gegenüber Gleichgesinnten.