Die Union hat den ersten Fehler vor den anstehenden Koalitionsverhandlungen gemacht

Die Bundestagswahl liegt noch nicht einmal eine Woche zurück, da scheint es höchste Zeit, die CDU/CSU daran zu erinnern, dass sie am vergangenen Wochenende deutlich gewonnen hat.

Also: Sehr geehrtes Spitzenpersonal der Union, es gibt zum jetzigen Zeitpunkt keinerlei Gründe, inhaltlich auf potenzielle Koalitionspartner zuzugehen, wie es offensichtlich einige von Ihnen für nötig halten. Der Vorteil eines Wahlsiegers ist es, dass er die Bedingungen für eine Regierung im Wesentlichen bestimmen kann. Die kleineren Fraktionen müssen sich auf die größere einstellen, nicht umgekehrt. Insofern wäre es schön, wenn CDU/CSU-Politiker nicht jetzt – und am besten überhaupt nicht – von einem ihrer wichtigsten Wahlversprechen abrücken würden. Sie erinnern sich hoffentlich: Die Steuern werden nicht erhöht, weil Deutschland aktuell schließlich kein Einnahmen-, sondern wenn überhaupt ein Ausgabenproblem hat.

Aus dem Mantra der Konservativen scheint auf einmal eine Verhandlungssache zu werden, man kann es kaum glauben. Fällt ausgerechnet die in Machtfragen gewiefte CDU auf die Taktik von SPD und Grünen herein? Dass die beiden sich mit einer klaren Aussage zu einer Koalition mit der CDU/CSU zieren, ist doch klar – das ist das einfachste Mittel, den Preis dafür in die Höhe zu treiben und Bundeskanzlerin Angela Merkel möglichst viele Zugeständnisse abzuringen.

Der Plan scheint aufzugehen: Wenn auf einmal führende Unionspolitiker öffentlich oder halb-öffentlich darüber diskutieren, ob man nicht doch bereit sein müsste für Steuererhöhungen, dann wird das für die SPD und die Grünen ein klares Zeichen sein: Sieh an, da geht noch was! Schon frohlocken erste Vertreter der Grünen, dass man vielleicht noch nie soviel eigenen Inhalt mit nur acht Prozent der Wählerstimmen in eine Regierung einbringen könnte wie in diesem Jahr.

Es ist wie immer bei Verhandlungen: Man muss Ruhe bewahren, man muss, wenn man denn kann, die anderen kommen lassen. Die CDU kann das nach ihrem Erfolg am vergangenen Sonntag, und alle in der Partei wären gut beraten, wenn sie sich an die Vorgaben der Kanzlerin halten würden. Angela Merkel hatte am Anfang der Woche gesagt, dass man sich Zeit lassen werde mit der Regierungsbildung. Soviel Zeit, wie man braucht – um die potenziellen Koalitionspartner gegeneinander auszuspielen, und nicht, um sich von denen ausspielen zu lassen.

Angst, am Ende ohne einen Partner dazustehen, muss die Union sowieso nicht haben. Natürlich sind die Sorgen von SPD und Grünen, an der Seite von Angela Merkel in den nächsten vier Jahren ein ähnliches Schicksal wie die FDP zu erleiden, nicht unberechtigt. Aber: Am Ende wird sich eben doch keine Partei die Chance entgehen lassen, an einer Regierung beteiligt zu sein. Es ist wie im Berufsleben: Wenn einem der Chef anbietet, sein Stellvertreter zu werden, mit mehr Einfluss, mehr Geld etc., wird man das natürlich machen – und nicht absagen, weil man vielleicht die Hoffnung hat, dass der Chef in vier Jahren nicht mehr da ist und man dann doch auf seinen Posten rücken kann.

Nun ist die Bundesrepublik Deutschland keine Firma, und die Führungskräfte von SPD und CDU sind keine Manager. Sie haben, abseits von allen persönlichen und Partei-Interessen, in erster Linie eine Verantwortung für dieses Land. Und eine Verantwortung dafür, den nur alle vier Jahre geäußerten Wählerwillen in eine Regierung zu übersetzen. Alles andere, also zum Beispiel die Verweigerung von SPD oder Grünen zu jeder der möglichen Koalitionen, wäre ein Skandal. Das wissen die Beteiligten, und soweit werden sie es nicht kommen lassen.

Die CDU/CSU kann also erst einmal ganz locker bleiben ...