Die Kanzlerin im Katastrophengebiet. In der überfluteten und evakuierten Altstadt von Lauenburg informiert sich Angela Merkel über das Elbe-Hochwasser. Sie dankt den Helfern und sichert finanzielle Hilfe zu.

Vereinzelt wird es laut in Lauenburg. Der Lärm der kreisenden Hubschrauber, die die Deiche kontrollieren, trübt die Kleinstadtidylle. Die Altstadt steht kniehoch unter Wasser, 300 Bewohner mussten bereits am Montag ihre Wohnungen verlassen. Ohne Polizeierlaubnis darf niemand mehr in die Nähe des Gebietes. Zwar liegt der Pegel weiter konstant bei 9,63 Metern, laut Prognosen soll das Wasser aber bis zur nächsten Woche noch bei über neun Metern stehen. "Bis dahin müssen wir hoffen, dass die Deiche halten", sagt Thomas Grimm von der Feuerwehr. Direkt vor der Elbbrücke sind die Haustüren mit Sandsäcken und Planen geschützt - vergeblich. Auch das Abpumpen der Wassermassen bringt nur bedingt etwas.

Mittwochmittag stehen plötzlich rund 70 Journalisten bei Sonnenschein am Eingang zur Altstadt und warten - auf die Bundeskanzlerin. Zwei Sonderbusse haben die Presseschar aus der Innenstadt ins Gefahrengebiet gebracht.

Angela Merkel besucht die überflutete Altstadt - der Ort an der Elbbrücke ist ideal: Es gibt viel Wasser zu sehen, Pumpen sind im Einsatz, Feuerwehrleute arbeiten und es ist Platz für den Autokonvoi. Noch am Morgen hat Merkel die wöchentliche Kabinettssitzung in Berlin geleitet, bevor sie mit dem Hubschrauber sicher außerhalb der Altstadt landet, um mit ihrer Kolonne aus sechs Audi A6 und einem VW Transporter weiter zu fahren.

Überpünktlich um kurz vor 13 Uhr trifft Merkel mit ihrem Tross ein. Mitten auf der Elbbrücke steigt sie aus und wird von Lauenburgs Bürgermeister Andreas Thiede begrüßt, der wie Merkel der CDU angehört. Nicht von ihrer Seite weicht dagegen ein SPD-Mann: Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig ist mit in Lauenburg, um sich, mal wieder, ein Bild von der Lage zu machen. Mit dem Landrat des Kreises Herzogtum Lauenburg Gerd Krämer macht sich Merkel auf den Weg, die Situation im Hochwassergebiet zu begutachten.

Die Kanzlerin gibt sich staatsmännisch und volksnah, spricht mit Helfern, schüttelt viele Hände - neben Hochwasser ist auch Wahlkampf. "Sie hat sich sehr nett vorgestellt und viele persönliche Fragen gestellt", erzählt Alisa Hapke über ihre Begegnung mit der Kanzlerin. Die 23-Jährige ist Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr Lübeck und seit Montag im Einsatz. Zwar sei Merkel sehr interessiert an den Menschen und es sei nett, dass sie sich die Zeit nehme, aber Hapke glaubt nicht, dass der Besuch der Regierungschefin auch Vorteile für Lauenburg bringen wird: "Vielleicht ein bisschen Sicherheit für die Bewohner. Dass bald die Bundestagswahl ansteht, ist eine andere Sache", sagt sie verschmitzt lächelnd.

Während sich Merkel - ohne Gummistiefel oder anderweitigem Hochwasser-Equipment, schlicht in beigefarbener Blazer, schwarzer Hose, dazu braunes, festes Schuhwerk - Teile der überschwemmten Altstadt zeigen lässt, bringen sich die Journalisten in Stellung. Mit Ellenbogen wird um die beste Position gekämpft, sich auf Leitern gestellt, um das ideale Bild zu bekommen. "Ich bin gekommen, weil Lauenburg beispielhaft für die Betroffenheit Schleswig-Holsteins steht", sagt die Kanzlerin. Man benötige dringend ihre Hilfe, sagt Torsten Albig, immer noch dicht an Merkels Seite. Die Kanzlerin dankt den vielen Helfern für deren unermüdliches Engagement: "Meine absolute Hochachtung vor allen, die Tag und Nacht um jeden Meter Deich kämpfen", sagt Angela Merkel und sichert sofortige finanzielle Hilfe zu.

Land und Bund würden die Aufbauarbeiten langfristig begleiten, eine konkrete Summe könne sie aber erst nennen, wenn das gesamte Ausmaß der Katastrophe sichtbar sei. Das genauere Vorgehen werde auch im Rahmen der Ministerpräsidentenkonferenz in Berlin besprochen. Bei der Flut 2002 habe man insgesamt sieben Milliarden Euro ausgegeben, "und diesmal ist die Größenordnung wohl ähnlich". Die Hilfe solle schnell und unbürokratisch bei den Menschen ankommen. "Es wird auch keine Obergrenze geben", sagt Merkel.

Nach ihrem Statement schüttelt die Kanzlerin, immer eng begleitet von insgesamt vier wichtigen Männern mit schwarzen Anzügen und Sonnenbrille, noch ein paar Hände und gibt einem Vertreter der Bundeswehr, die auch in Lauenburg im Einsatz ist, noch ermunternd mit auf den Weg: "Schöne Grüße an die Soldaten." Das Schlimmste sei noch nicht vorbei, weiß auch Merkel, denn "es steht noch unendlich viel Arbeit vor den Menschen, selbst wenn das Wasser weg ist".

Nach rund 20 Minuten ist der Abstecher der Bundeskanzlerin in Lauenburg schließlich beendet, genauso schnell wie sie kam, fährt sie davon, wieder als erste in dem Sechs-Auto-Konvoi. Mit dem Hubschrauber geht es anschließend weiter nach Hitzacker, wo sich Merkel ebenfalls einen Überblick über die Lage verschaffen will. Von dort geht es zurück nach Berlin - im Hubschrauber.