Erst nach bürokratischen Hürden durften Gymnasiasten Sandsäcke für die Deichsicherung füllen

Hittfeld. Irgendwann konnte Angela Krause nicht mehr ruhig vor dem Fernseher sitzen. Diese Bilder von Menschen voller Verzweiflung in den Fluten, vollgelaufenen Wohnzimmer, überschwemmten Straßen. Die Lehrerin für Mathe und Physik am Gymnasium Hittfeld in der Gemeinde Seevetal (Landkreis Harburg) wollte etwas tun. Ihre Idee: Sie fährt mit einigen Schülern an die Elbe, um im Kampf gegen das Hochwasser mit anzupacken. Doch vor die spontane Hilfe haben die Götter die Bürokratie gesetzt.

"Das geht nicht", tönt es aus dem Telefonhörer, als Schulleiter Stefan Weinreich der Gedanke kam, lieber seine Vorgesetzten in der Landesschulbehörde über den Hilfseinsatz zu informieren. Das Sandsäckeschleppen könne nicht als schulische Veranstaltung deklariert werden. Schulleiter, Lehrerin und 94 Schüler des Jahrgangs elf fielen aus allen Wolken. Wie kann das sein? "Es war ja nur Zufall, dass ich die Behörde überhaupt angerufen habe", sagt der Schulleiter. Eigentlich habe er gedacht, er könne darüber selbst entscheiden, zumal Angela Krause schon beim Elbehochwasser 2002 mit Schülern zum Helfen an die Deiche gefahren war. Damals sei die Behörde allerdings nicht in Kenntnis gesetzt worden.

Jetzt standen sie da, die verhinderten Fluthelfer aus Hittfeld. Dabei hatten die Lehrer darauf geachtet, dass die Schüler keinen Unterrichtsstoff mehr versäumen. "Alle Klausuren sind geschrieben, die Abschlussnoten schon eingetragen", sagt Angela Krause.

Um doch noch helfen zu können, blieb der Schule keine andere Möglichkeit, als den Weg der Bürokratie zu gehen. Die Eltern ließen ihre Kinder vom Unterricht befreien, der Schulelternrat sprang als offizieller Organisator ein, und mitfahren durften nur Lehrer, die einen freien Tag hatten. Schulleiter Weinreich stellte am Vortag der Hilfsaktion den Antrag auf Unterrichtsbefreiung auf die Internetseite der Schule. Die unterschriebenen Zettel gaben die Jugendlichen vor der Abfahrt ab.

Warum dieser Weg aus Sicht der Schulbehörde trotz des Aufwands die bessere Wahl war, erklärt Behördensprecherin Susanne Strätz mit juristischen Vorgaben. So sei im Schulfahrtenerlass geregelt, dass alle Schüler an Ausflügen teilnehmen müssten. Das sei bei einer Hilfsaktion schwer durchzusetzen. "Es gibt auch Eltern, die nicht möchten, dass ihr Kind mithilft." Darüber hinaus müsse die Aufsicht geregelt sein und ob die Versicherung bei Unfällen hafte. Die Behörde habe kein Verbot ausgesprochen, sondern zu einer besseren Vorbereitung geraten.

Am Ende fuhren 70 Hittfelder Mädchen und Jungen mit Angela Krause und dem Lehrerkollegen Volker Lütten an die Elbe. Fünf Stunden befüllten sie in Rullstorf nahe Scharnebeck Säcke mit Sand zur Deichsicherung. "Viele Leute haben mit angepackt", sagt eine erschöpfte, aber glückliche Sophie, 17, bei ihrer Rückkehr. Auch ihre Freunde Kim, Lara, Malte, Niklas und Nikolas - alle in festen Schuhen und staubverschmierten Hosen - sind froh, dass sie dabei waren.