2001 erschießt der Nationalsozialistische Untergrund in der Hansestadt Süleyman Tasköprü. Es ist die dritte Tat der Terroristen. Sie töten jahrelang unentdeckt. Die Geschichte eines Staatsversagens.

Es ist Mittwoch, der 27. Juni 2001. An diesem Morgen schließt Ali Tasköprü das kleine Lebensmittelgeschäft in der Schützenstraße 39 in Bahrenfeld auf. Er schmiert Brötchen, sein Sohn Süleyman bereitet den Tresen vor. Der „Tasköprü Market“ liegt in einem flachem Vorbau eines Altbaus, 80 Meter entfernt von der viel befahrenen Stresemannstraße.

Erst seit August gehört der Familie der Laden. Seit dem Winter übernimmt Sohn Süleyman nach und nach die Geschäfte. An diesem Morgen fehlen noch Oliven im Regal, zwei Sorten. Es ist etwa 10.45 Uhr, als der Vater in das Auto vor dem Laden steigt und losfährt.

Seit 20 Jahren lebt Süleyman Tasköprü in Deutschland, seine Eltern waren schon vorher nach Hamburg gereist, er hat drei Geschwister. Tasköprü besuchte die Schule in der Königstraße in Altona, später die Höhere Handelsschule. 31 Jahre ist er alt und lebt mit seiner Verlobten in einer Wohnung in Lurup. Ihre Tochter ist drei.

Gegen 11.15 Uhr kommt Vater Ali Tasköprü zum Laden zurück. Er bemerkt noch zwei Männer, die das Geschäft verlassen. Sie tragen Jeans und T-Shirt und eine weiße Plastiktüte in der Hand. Im Geschäft sieht der Vater den Sohn auf den Fliesen liegen. „Mein Sohn, was ist denn hier passiert“, ruft er. Er blickt auf die dunkle Lache neben Süleymans Kopf, denkt kurz, Öl ist ausgelaufen.

Doch es ist Blut.

Am kommenden Montag soll in München der Prozess gegen Beate Zschäpe beginnen, das einzig noch lebenden Mitglied der rechtsterroristischen Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“. Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt brachten sich am 4. November 2011 nach einem gescheiterten Banküberfall selbst um. Zschäpe steckte am gleichen Tag die Wohnung des Trios in Zwickau in Brand. Zehn Menschen sollen sie ermordet haben, darunter acht Menschen aus türkischen Familien, einen Griechen, eine Polizistin. Im Juni 2001 sollen Mundlos und Böhnhardt Süleyman Tasköprü in Hamburg mit drei Kopfschüssen hingerichtet haben.

Polizeiakten von damals, nicht-öffentliche Dokumente aus den Untersuchungsausschüssen und Protokolle der Hamburger Bürgerschaft belegen das Bemühen der Ermittler bei der Aufklärung. Mehrere Tausend Seiten füllen heute die Aktenordner allein zum Mord an Tasköprü. Man kann den Polizisten nicht vorwerfen, sie hätten nichts getan. Die Dokumente zeigen aber auch ihre Mutmaßungen, falschen Verdächtigungen und Fehltritte. Jahrelang tötete das Trio von den Sicherheitsbehörden unentdeckt aus dem Untergrund. Es hatte wohl auch einen Kreis von Helfern in der Neonazi-Szene. Verfassungsschützer, Staatsanwälte und Polizisten tappten im Dunkeln. In Thüringen und Sachsen, wo sich die Terrorgruppe in den Neunzigern gründete. In Bayern, wo die meisten Morde passierten. Aber auch hier in Hamburg. Die Geschichte des NSU ist auch die Geschichte eines deutschen Staatsversagens.

Polizei schweigt zum Hamburger Fall

Die Polizei in Hamburg gibt derzeit auf Nachfrage keine Auskunft zu dem Fall. Sie verweist auf die Generalbundesanwälte in Karlsruhe, welche die Ermittlungen in der Mordserie übernommen haben. Die dortige Pressestelle teilt auf die Fragen schriftlich mit, dass mit Blick auf den anstehenden Prozess in München „Einzelheiten des Ermittlungsergebnisses nicht erteilt werden können“. Einzig der Verfassungsschutz in Hamburg bietet ein Gespräch zur NSU-Mordserie an.

In den Stunden nach der Tat am 27. Juni 2001 durchforsten Polizeibeamte in der Schützenstraße Hinterhöfe und Geschäft, Sprengstoffhund Roy ist im Einsatz. Die Fahnder sammeln Notizzettel mit Telefonnummern von der Pinnwand, befragen Anwohner und Angestellte der Firma „Kühne“ auf dem Gelände gegenüber. Und sie entdecken zwei Projektile von Schusswaffen, auch ohne Untersuchung im Labor stellen sie fest: Kaliber 7,65 mm und 6,35 mm. Allein in den ersten Tagen nach der Tat vernehmen die Beamten mehrere Dutzend Zeugen. Auch Vater Ali Tasköprü.

Können Sie die Männer beschreiben?, fragt der Beamte.

Etwa so groß wie Sie, sagt Tasköprü. 1,75 Meter vielleicht, schlank, 25 bis 30 Jahre alt.

Waren das Deutsche oder Türken?

Deutsche.

In späteren Vernehmungen wird sich Ali Tasköprü nicht mehr genau erinnern können, ob die Männer Deutsche oder Türken waren. Und die Hamburger Ermittler gehen anderen Fährten nach.

Am Tag nach dem Mord an Tasköprü titelt das Hamburger Abendblatt „Rätsel um Mord im Gemüseladen“. Und das ermittelnde Landeskriminalamt 41 in Hamburg bekommt um kurz nach 15 Uhr ein Fax von den Kollegen in Nürnberg. „2 Tötungsdelikte in Nbg. an türk. StA mit gleicher Tatwaffe“, ist handschriftlich vermerkt. Als Anlage schicken die Beamten die Unterlagen zu Enver Simsek, ermordet 9. September 2000, und Abdurrahim Özüdogru, erschossen am 13. Juni 2001, gerade einmal zwei Wochen vor dem Mord an Tasköprü. Einen Monat nach der Tat erschießen zwei Männer Habil Kilic in München. Wieder ist die Waffe dieselbe. Aus den Morden in Nürnberg wird eine bundesweite Serie.

+++ Die Spur des NSU-Terros durch Deutschland +++

In München, Nürnberg und Hamburg laufen nun die Ermittlungen. Das BKA bestätigt die Tatwaffen: eine Ceska, Modell 83, und eine Bruni, Modell 315 Auto. Die Beamten werden die Waffen 2011 in der Wohnung in Zwickau finden, die Zschäpe in Brand gesetzt hatte.

Schon im Spätsommer 2001 ist klar: Alle Opfer kommen aus türkischen Familien, sie alle werden an ihrem Arbeitsplatz erschossen, zwischen ihnen gibt es keine Kontakte. Auch das erkennen die Ermittler früh – einen Hinweis für eine fremdenfeindliche Tat sehen sie darin nicht. Der Verfassungsschutzbericht in Hamburg für das Jahr 2000 verzeichnet einen „starken Anstieg“ rechtsextremistischer Straftaten. Bundesweit klettert Hamburg in der Statistik auf Platz 4.

Die Beamten befragen in den Monaten nach der Tat mehrfach die Familienangehörigen des Opfers, überprüfen ihre Personalakten, sie werten Tasköprüs Handyverbindungen und Konten aus, stellen die Geschäftsberichte des Ladens in der Schützenstraße sicher. Da die Fahnder keine konkrete Spur haben, suchen sie die Täter im Umfeld des Opfers. Ging es um Schulden? Eifersucht? Die Angehörigen fühlen sich verdächtigt.

Die Polizisten finden schnell heraus, dass Süleyman Tasköprü in früheren Jahren auch wegen Urkundenfälschung und Diebstahls aufgefallen war und eine kurze Haftstrafe verbüßen musste. In Altona war er in den Neunzigern vor einem Klub in einen Streit geraten, wurde sogar angeschossen. Doch von dieser Vergangenheit hatte er sich schon vor 2001 abgewandt, kümmerte sich um die Familie, zog seine Tochter groß, arbeitete in dem Geschäft.

Auch in anderen Morden der Serie sehen die Ermittler von Bund und Ländern Hinweise für Hintergründe der Morde im Umfeld der Opfer. Die Ermittler wittern Spuren – und kommen in elf Jahren von ihren falschen Thesen bis auf wenige Ausnahmen nicht mehr los. Sie verrennen sich auch in Spekulationen, die Täter würden sich im Umfeld der kurdischen Untergrundpartei PKK finden. Oder geht es um Glücksspiel in türkischen Cafés? Rauschgift? Verletzte Ehre? Ein Informant spricht von „Killerkommandos“ aus Holland. Eine andere Spur führt zu einem Kriminellen in Altona, die Tasköprü bedroht haben sollen. Daran arbeiten sich die Ermittler ab. Doch ihre Vermutungen führen zu nichts.

Familien leben mit Verdächtigungen

Auch die meisten Journalisten folgen den Mutmaßungen, greifen die Thesen eines Motivs im kriminellen und türkischen Milieu auf, schreiben verharmlosend und ausgrenzend von „Döner-Morden“. Die Familien der Opfer leben jahrelang nicht nur mit der Trauer. Sie müssen auch mit falschen Verdächtigungen leben. In einem Land, das viele von ihren Heimat nannten. Im März 2003 stellt die Staatsanwaltschaft Hamburg das Verfahren zum Mordfall Tasköprü ein. Die Spuren sind abgearbeitet. Der Fall ruht. Bis Mitte 2005.

Im September 2003 verjährt ein Verfahren gegen der Staatsanwaltschaft Gera wegen Vorbereitung einer Sprengstoffexplosion gegen Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe. Das Trio sei unauffindbar. Die Terroristen arbeiten derweil an einer Liste mit 10.000 möglichen Anschlagszielen, darunter Asylbewerberheime, Politiker, Journalisten. Sie markieren mögliche Orte in Stadtplänen, kundschaften Opfer und Umfeld aus.

Die Hamburger Verfassungsschützer verzeichnen für 2005 einen gravierenden Anstieg rechtsextremistisch motivierter Kriminalität. Im Februar 2004 wird Mehmet Turgut in Rostock erschossen, im Juni explodiert eine Nagelbombe in Köln, 22 Menschen werden verletzt. Seit 2004 ermittelt das Bundeskriminalamt mit einer Sondereinheit „EG Ceska“. Nach einem weiteren Mord in Nürnberg verstärken Kriminalbeamten dort die Sondereinheit „Halbmond“ und gründen die Besondere Aufbauorganisation (BAO) „Bosporus“. Insgesamt sind nun fünf Sokos in verschiedenen Bundesländern und das BKA in Deutschland mit der Mordserie befasst. Schon ihre Namen verraten viel über die Schwerpunkte der Ermittlungen: die Täter sind im türkischen Umfeld zu suchen. Eine bundesweite Bündelung der Ermittlungen findet nicht statt. Vielleicht der größte Fehler.

Nach den weiteren Morden gründen Ermittler auch in Hamburg eine Sondergruppe. Ab März 2006 baut der Kriminalpolizist Felix S. beim LKA die „Soko 061“ auf. Beim LKA leitet er auch die Rauschgiftermittlungen. Die neue Soko soll die Fahndung der Nürnberger Kollegen unterstützen. Das wird aus der Zeugenvernehmung von S. im Untersuchungsausschuss des Bundestags im Juni 2012 hervorgehen. Neun Mitarbeiter arbeiten Vollzeit, sie übernehmen rund 200 Spuren vom LKA 41.

Im April 2006 werden zwei weitere Menschen aus türkischen Familien erschossen, in Dortmund und Kassel. Wieder war die Tatwaffe die „Ceska 83“. Es sind die Opfer acht und neun. Der Fallanalytiker der bayrischen Polizei, Alexander Horn, erarbeitet in dieser Zeit ein neues Täterprofil. Er hat eine Idee. Mordet ein Einzeltäter aus Hass gegen Ausländer?

Nach Aussage von S. erfahren die Hamburger Ermittler auf einer Sitzung der BAO Bosporus in Nürnberg im Mai 2006 davon, dass nun auch das Motiv „Fremdenfeindlichkeit“ auftaucht. Doch die Beamten aus dem Norden wollen nicht an den neuen Ansatz glauben – und vermuten den Täter weiter im Umfeld des Opfers. Ein BKA-Mitarbeiter notiert am 30. Mai 2006, dass Vertreter aus Hamburg vorgeschlagen hätten, ihren Fall „separat“ von den anderen Taten zu analysieren. Die Akten zeigen, dass die Hamburger Beamten auch Kritik an einem bundesweiten Konzepts der Sicherheitsbehörden äußerten, die auch die Idee eines einzelnen Ausländerhassers mit einbeziehen sollte. Ermittler S. wird das in der Vernehmung 2012 vor allem damit begründen, dass Hinweise auf einen rechtsextremistischen Hintergrund in allen Kriminalämtern gefehlt hätten.

Hamburger Ermittler erstellen Fallanalyse

Die Hamburger Beamten sehen die Analyse des bayrischen Profilers aber auch deshalb skeptisch, weil dieser einen möglichen Täter aus der rechtsextremen Szene vor allem im Raum Nürnberg verortet hatte – dort, wo die meisten Morde passiert waren. Eine Ausweitung der Ermittlungen auf bundesweit gesuchte Neonazis unterbleibt. Ein Fehler – und doch bleibt Horns These in den Jahren der Mordserie eine der wenigen richtigen Verdachte.

Dennoch prüfen die Beamten in Hamburg 16 Millionen Handyverbindungen sowie 14.000 Übernachtungen in Hotels und vergleichen sie mit Reservierungen an anderen Tatorten der Mordserie. Was zu dem Zeitpunkt keiner der Ermittler in den fünf Sokos weiß: Das rechtsterroristische Trio ist im Wohnmobil unterwegs. Fast fünf Jahre sind mittlerweile seit dem Mord an Tasköprü vergangen. In Hamburg erstellen die Beamten 2006 eine eigene Fallanalyse. Rechtsmediziner und Kriminaltechniker arbeiten daran mit. Noch einmal rekonstruieren sie die Tat in der Schützenstraße, werten Daten über Familie und Umfeld des Opfers aus, analysieren die Tatwaffe. Doch die Morde mit eben dieser Waffe in anderen Städten beziehen sie in ihre Untersuchung nicht ein. Auch nicht das Motiv „Ausländerhass“.

Die Hamburger Sicherheitsbehörden sagen nach Auffliegen der Rechtsterroristen 2011, sie hätten damals ergebnisoffen in alle Richtungen ermittelt. Auch im Innenausschuss der Bürgerschaft hieß es in der Sitzung im Dezember 2011 von Seiten der Senatsvertreter, eine „Fokussierung der Ermittlungen auf einen bestimmten Bereich habe nicht stattgefunden“. Wer die Akten zur Mordserie des NSU liest, muss an diesen Aussagen zweifeln. Sowohl die Zeugenvernehmungen, als auch die Fahndung nach Motiven zur Tat fanden in Hamburg vor allem im Umfeld der Familie des Opfers und der Organisierten Kriminalität statt. Jahrelang verfolgen die Hamburger Beamten diese Spuren – obwohl sie nicht weiterkommen.

Im Untergrund bastelt das rechtsterroristische Trio derweil an einer Bekenner-DVD. Es wird ein 15 Minuten langes menschenverachtendes Video werden. Als die Ermittler 2011 die DVD in der abgebrannten Wohnung des Trios in Zwickau finden, ist sie das zweite wichtige Puzzlestück zur Aufklärung der Serie. In Minute 08:18 zeigt das Video der Neonazis ein Bild des ermordeten Tasköprüs. Das Opfer liegt in einer Blutlache auf dem Boden des Geschäfts in Bahrenfeld. Die Beamten rekonstruieren durch die Position des Opfers, dass das Foto nur von den Tätern stammen kann. Kurz bevor der Vater den Laden erreicht. Doch 2006 fahnden die Kriminalpolizisten in ganz Deutschland noch immer nach Täter „Unbekannt“. Und die Verfassungsschützer in Thüringen und Sachsen haben jede Spur von dem untergetauchten Neonazi-Trio, bei dem sie 1998 bei einer Razzia Springstoff gefunden hatten, verloren.

Der Inlandsgeheimdienst wird bis zum Auffliegen der Mordserie angeben, dass es keinen Hinweis für „rechtsterroristische Bestrebungen“ in Deutschland gebe. Die Verfassungsschützer konzentrieren sich in den Jahren der Mordserie vor allem auf den islamistischen Terrorismus. Vor allem in Hamburg. Am 11. September 2001 hatte al Qaida die Anschläge auf das World Trade Center in New York verübt. Schnell war klar, die Terroristen hatten in Hamburg gelebt und studiert. Nach den Anschlägen sei es „zwingend gewesen, den Fokus in Hamburg auf den islamistischen Terrorismus zu richten“, sagt Verfassungsschutzchef Manfred Murck heute. Vor allem anfangs habe der Dienst dafür Mitarbeiter aus anderen Abteilungen abgezogen. Auch aus dem Bereich Rechtsextremismus. Der Mord an Tasköprü ist da noch keine drei Monate her. Murck sagt, die Abteilung sei aber immer „voll funktionsfähig“ gewesen.

„Rechtsextremismus nicht gezielt erörtert“

Am 6. Juli 2006, fünf Jahre nach dem Mord an Tasköprü, gibt es in Hamburg ein Treffen zwischen Verfassungsschutz und Soko 061. In einem Vermerk heißt es, das Landesamt „war zu einzelnen Personen unseres Interesses nicht aussagefähig“. Die Mordserie sei auch den Verfassungsschützern nur aus den Medien bekannt. Es sei den Mitarbeitern zudem kein bundesweiter Austausch des Geheimdienstes dazu bekannt.

Ob die Polizisten in dem Gespräch 2006 auch nach möglichen Rechtsextremisten als Täter fragen, ist unklar. Soko-Mitarbeiter S. sagt 2012 im Untersuchungsausschuss, es sei Thema gewesen, allerdings neben anderen politischen Motiven wie Verbindungen zur kurdischen PKK. Verfassungsschutzchef Murck sagt heute, es sei um mögliche Bezüge zum Ausländerextremismus gegangen. „Das Thema Rechtsextremismus wurde jedenfalls nicht gezielt erörtert.“ Und selbst wenn, ergänzt er, hätten die Hamburger Verfassungsschützer keine Hinweise zu den untergetauchten Rechtsterroristen geben können. Nur der Geheimdienst in Thüringen hat zu dem Zeitpunkt Akten über das Neonazi-Trio. Dass sie durch Deutschland ziehen und morden, wissen auch sie nicht.

Nach dem Treffen mit den Hamburger Beamten sitzt der Verfassungsschutz noch einmal mit Kollegen des BKA an einem Tisch. „Dort ging es vor allem um die Frage, ob die Täter aus dem Umfeld der türkischen Hizbollah kommen könnten“, sagt Murck heute. Als die federführenden Ermittler der Kripo in Nürnberg im Mai 2008 ihre bisherigen Ergebnisse in einem Bericht zusammenfassen, ist das Motiv „Fremdenfeindlichkeit“ erneut erwähnt. Auch wenn keine „konkreten Hinweise“ vorliegen. Aus dem Sachstandbericht der Hamburger Soko 061 vom 27. Dezember 2007 geht hervor, dass allein die Ermittler im Norden 269 Vernehmungen führten. Wieder gehen die Spuren in Richtung Ehrverletzung und Gelderpressung als Motive. Zum neuen Ansatz des bayrischen Fallanalytikers Horn heißt es: „Verspurte Hinweise aus der Bevölkerung in Folge des Medienkonzepts ‚Einzeltäter’ sind überwiegend abgearbeitet.“ Das Motiv „Fremdenfeindlichkeit“ wird im Hamburger Bericht auch Ende 2007 nicht erwähnt.

Erwähnt wird in den Akten der Soko 061 dagegen ein anderer Vorgang. Im Frühjahr 2008 meldet sich eine Frau, die Kontakt zu einem Geisterbeschwörer aus dem Iran herstellen könne. „Versuch macht klug und verlieren können wir letztlich nichts“, schreibt ein Hamburger Ermittler an seine Kollegen. „Metaphysische Versuche“, steht in der Betreffzeile der Email. Das Mordopfer Tasköprü soll im Jenseits „befragt“ werden. Die Frau suche nur noch nach einem geeigneten „Medium“. In mehr als 20 Punkten wird das Ergebnis festgehalten, der Täter habe einen „dunklen Teint“, die Beamten prüfen Namen, die der Iraner nennt. Warum der Mord geschah, verstehe das Opfer übrigens selbst nicht, lässt das Medium ausrichten.