Katholiken werfen Kriminologen „Unseriosität“ vor. Professor will Missbrauchsstudie auf eigene Faust fortführen.

Hamburg. Es war das erste Aufeinandertreffen des hannoverschen Kriminologen Christian Pfeiffer und dem Sekretär der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Hans Langendörfer nach dem Scheitern der gemeinsamen Missbrauchsstudie. Und dabei ging es gehörig zur Sache. In der Talkshow „Beckmann“ warf Langendörfer dem Kriminologen unseriöses Handeln vor. Pfeiffer setze Halb- oder Unwahrheiten in die Welt, so der Vertreter der katholischen Kirche. „Das nenne ich eine wirkliche Enttäuschung.“ Es sei „ein trauriger Umstand, dass ein anfangs so vertrauensvolles Verhältnis so auf den Hund gekommen ist“.

Dabei hatte die Zusammenarbeit anfangs funktioniert. Beide sprachen von einer „guten“ und „konstruktiven“ Arbeitsatmosphäre zu Beginn des Projekts. Dann allerdings, so die Sicht von Langendörfer, habe der Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachen (KFN) „nach und nach eine bemerkenswerte Antihaltung zur katholischen Kirche“ und „Ressentiments“ entwickelt.

Und dann ging der Streit, der in den vergangenen Wochen vor allem über die Medien geführt wurde, im direkten Schlagabtausch weiter. Pfeiffer gebe permanent zu Protokoll, er hätte seine Ergebnisse nicht publizieren können. „Sie wissen selbst, dass das die Unwahrheit ist“, sagte Langendörfer. „Die wissenschaftliche Publikation wäre in keiner Weise ein Hindernis gewesen von der Kirche aus.“ Der Kriminologe habe ein Ressentiment, „weil wir nicht so funktionieren, wie Sie sich das denken“.

Pfeiffer hatte seine Zensurvorwürfe gegenüber der katholischen Kirche bekräftigt. Er prangerte in der Sendung einen Passus aus den Verträgen an, nach dem Arbeiten zur Genehmigung durch die katholische Kirche einzureichen seien. Zudem sei ihm nicht mitgeteilt worden, dass nach dem katholischen Kirchenrecht Verfahrensakten nach zehn Jahren geschreddert würden und nur eine Zusammenfassung archiviert werde. So könnten die Fälle von sexuellem Missbrauch nicht über Jahrzehnte zurückverfolgt werden.

Die Bischöfe hätten nach Beginn des Forschungsprojekts im Jahr 2011 neue Regeln zur wissenschaftlichen Auswertung und Publikation der Ergebnisse aufstellen wollen. In einem Vertragsentwurf habe es sinngemäß geheißen: „Wir diskutieren über die Texte im Beirat, aber wenn wir zu keiner Einigung kommen, darf der Text nicht veröffentlicht werden.“

Der Kriminologe kündigte an, die Forschungen trotz der gescheiterten Zusammenarbeit mit der Kirche auf eigene Faust fortzuführen. Sein Institut habe zahlreiche Opfer angeschrieben und bereits nach wenigen Tagen rund 150 Antworten erhalten. „So können wir doch noch einen Vergleich der kirchlichen Opfer mit anderen Opfern machen“, sagte Pfeiffer.

Die katholische Kirche hatte vergangene Woche die Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut in Hannover beendet. Mangelndes Vertrauen und ein zerrüttetes Verhältnis hätten zu diesem Schritt geführt, erklärte die Kirche. Das Institut sollte den Missbrauchsskandal von 2010 wissenschaftlich aufarbeiten. Nun will die Kirche die Arbeit mit einem anderen Partner fortführen.

Die Leiterin der Beratungsstelle Zartbitter, Ursula Enders sagte: „Ich finde den Konflikt für die Betroffenen richtig ärgerlich – und zwar von beiden Seiten.“ So gerate die Aufarbeitung ins Stocken. Zugleich forderte Enders, dass die Debatte nicht bei der Kirche stehen bleiben dürfe. Schon jetzt drohten die Belange der Opfer auch in anderen Einrichtungen in der Öffentlichkeit wieder in Vergessenheit zu geraten.

Weitere Gäste bei „Beckmann“ waren der Buchautor Andreas Huckele, ehemaliger Schüler der Odenwaldschule, sowie die Tochter des Schauspielers Klaus Kinski, Pola Kinski. Huckele, der selbst von dem damaligen Leiter der Odenwaldschule Gerold Becker missbraucht worden war, forderte, die zivil- und strafrechtlichen Verjährungsfristen für sexuellen Missbrauch komplett abzuschaffen und die Präventionsarbeit weiter zu stärken. Pola Kinski, die die sexuellen Übergriffe ihres Vaters in ihrem Buch „Kindermund“ verarbeitet hat, betonte, die Ängste und Traumata ließen die Betroffenen nie wieder los. „Die Opfer haben alle lebenslänglich.“