Zuerst müssten aber die Hilfsprogramme umgesetzt werden. Rating-Agentur Moody's erkennt dem Euro-Rettungsschirm die Spitzennote ab.

Berlin. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt einen späteren Schuldenschnitt für Griechenland nicht aus. Zunächst aber müsse das Rettungsprogramm umgesetzt werden. "Wenn Griechenland eines Tages wieder mit seinen Einnahmen auskommt, ohne neue Schulden aufzunehmen, dann müssen wir die Lage anschauen und bewerten. Das ist nicht vor 2014/15 der Fall, wenn alles nach Plan läuft", sagte Merkel der "Bild am Sonntag".

Merkel wies Vorwürfe zurück, sie sei wegen der Bundestagswahl 2013 gegen einen Schuldenschnitt bereits jetzt. Auf eine entsprechende Frage sagte Merkel: "Das derzeitige Hilfsprogramm für Griechenland läuft bis 2014, für die Erreichung bestimmter Haushaltsziele haben wir den Griechen zwei Jahre mehr Zeit gegeben, bis 2016."

Im Frühjahr hatten private Geldgeber Athen freiwillig 53,5 Prozent der Schulden erlassen, was die Schuldenlast um rund 100 Milliarden Euro drückte. Einen weiteren Forderungsverzicht - diesmal zulasten der öffentlichen Geldgeber und damit der Steuerzahler - hatten Deutschland sowie die anderen Euro-Länder aus rechtlichen Gründen abgelehnt. Inzwischen wird aber ein Schuldenschnitt ab 2016 nicht mehr ausgeschlossen, sollte Athen in seinem Kernhaushalt - also dem Etat ohne Zinskosten für Kredite - einen Überschuss erzielen.

Anfang vergangener Woche hatten sich die Euro-Finanzminister auf weitere Hilfen für Griechenland verständigt, um eine Finanzlücke bis 2014 zu schließen und die Schuldenlast Athens deutlich zu senken. Wesentliches Element dabei ist ein Schuldenrückkaufprogramm, das Griechenland diese Woche starten will.

Trotz dieser Fortschritte bei der Griechenlandrettung hat der Euro-Raum nach Ansicht der einflussreichen US-Rating-Agentur Moody's an Kreditwürdigkeit eingebüßt. Der gemeinsame Rettungsschirm, der die Problemfälle unter den Euro-Ländern mit frischem Geld versorgen soll, besitzt bei Moody's keine Spitzenbonität mehr. Moody's senkte die Bonitätsnoten der zwei Rettungsfonds ESM und EFSF vom Bestwert "AAA" um eine Stufe auf "AA1". Der Ausblick für beide bleibt zudem negativ. Das heißt, es droht eine weitere Absenkung der Note. Die Gefahr dabei: Je schlechter ein Rating, desto teurer und schwerer kann die Aufnahme von Geld am Kapitalmarkt werden. Oder anders gesagt: Die Zinsen könnten steigen, was die ohnehin angespannte Finanzlage weiter verschärfen könnte.

Die Krisenfonds geben im Notfall an den Finanzmärkten Anleihen heraus, für welche die Euroländer gemeinschaftlich garantieren. Diese Gelder werden dann als Kredite an bedürftige Staaten weitergegeben. Der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) ist in diesem Konstrukt der Nachfolger des zeitlich begrenzten Rettungsschirms EFSF. Die Abstufung sei eine Folge der schlechteren Bonität des Euro-Schwergewichts Frankreich, erklärte Moody's. Frankreich ist nach Deutschland die wichtigste Stütze des ESM. Der Anteil der Franzosen liegt bei 20,3 Prozent. Deutschland steht hinter 27,1 Prozent der insgesamt 700 Milliarden Euro an Kapital und Garantien.

Bei der Rating-Agentur Fitch besitzt der Rettungsschirm weiterhin das begehrte Triple-A, was die Folgen der Moody's-Entscheidung abmildert. Üblicherweise verlangen Investoren erst einen Aufschlag, wenn mehrere Rating-Agenturen den Daumen gesenkt haben.

Moody's hatte Frankreich vor zwei Wochen seines Spitzenratings beraubt und ebenfalls auf "AA1" abgestuft. Das hatte die Agentur damit begründet, dass sich die langfristigen wirtschaftlichen Wachstumsaussichten des Landes eingetrübt hätten und Frankreich an Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt habe. Im Gegensatz dazu besitzt die Bundesrepublik bei allen drei großen Rating-Agenturen weiterhin ein Triple-A, bei Moody's allerdings mit einem negativen Ausblick.

"Moody's Rating-Entscheidung ist schwer zu verstehen", erklärte Klaus Regling, der Chef des Euro-Rettungsschirms. Moody's verkenne den außergewöhnlich festen institutionellen Rahmen, die politische Rückendeckung sowie die starke Kapitalstruktur. Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker stellte sich stellvertretend für die 17 Euro-Länder hinter ESM und EFSF - "politisch und finanziell". Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft, Michael Hüther, zeigte dagegen Verständnis für den Schritt der Rating-Agentur. "Alle verlangen immer frühzeitige Warnungen von den Rating-Agenturen. Deshalb sollte man sich jetzt nicht beschweren", sagte Hüther. Vor allem nach der Finanzkrise des Jahres 2008 war den Rating-Agenturen vorgeworfen worden, die Warnzeichen nicht rechtzeitig erkannt zu haben.

Kurz vor Bekanntgabe der Abstufung hatte EU-Währungskommissar Olli Rehn bei einem Besuch New Yorks noch die erzielten Fortschritte im Euro-Raum betont. Er hatte sich in der Stadt mit Wall-Street-Größen, Notenbankern, Ökonomen und Politikern getroffen. "Zum ersten Mal in Jahren haben wir unsere Gespräche nicht mit der Situation in Europa begonnen, sondern mit der Fiskalklippe in den USA", sagte Rehn. Er versicherte, Europas Staatschefs seien sich einig, die Euro-Zone zusammenzuhalten. Diejenigen, die auf einen Austritt Griechenlands spekulierten, irrten sich gewaltig. Die EU will als Lehre aus der Krise die Rating-Agenturen an die Kandare nehmen. Künftig sollen die Bonitätsprüfer für grobe Fehlurteile haftbar sein. Anleger und Emittenten können vor Gericht Verluste einklagen, wenn Rating-Agenturen ein Unternehmen oder einen Staat absichtlich oder fahrlässig falsch beurteilen. Zudem müssen Unternehmen wie Moody's, Fitch oder Standard & Poor's ihre Urteile besser begründen und offenlegen, nach welchen Kriterien sie ihre Entscheidung gefällt haben.

Auf diese Regeln hatten sich EU-Spitzengremien und -Staaten am vergangenen Dienstag verständigt. Der EU-Ministerrat und das Parlament müssen den Kompromiss noch annehmen. Die neuen Regeln sollen im Februar oder März nächsten Jahres in Kraft treten. Nach Meinung des stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion, Joachim Poß, "muss jetzt der europäische Entscheidungsprozess zur Regulierung der Rating-Agenturen beschleunigt werden."