Katastrophale Arbeitsbedingungen in Textilfabriken in Bangladesch, Pakistan, El Salvador. In Hamburg gibt es jetzt Protestaktionen.

Berlin/Hamburg. Als Uwe Kekeritz Anfang Juni einmal um den halben Globus flog, von Franken ins südamerikanische El Salvador, sah er, dass alles ein bisschen erträglicher geworden war. Erträglicher, nicht aus europäischer oder gar deutscher Sicht. Erträglicher aber für die Näherinnen, die in den Fabriken für große deutsche Sportartikelhersteller T-Shirts und Hosen produzieren. "Die Frauen werden nicht mehr geschlagen, nicht mehr zu Schwangerschaftsuntersuchungen gezwungen, sie haben Wasser an ihren Fließbändern und dürfen eine Mittagspause machen", sagt Kekeritz, Grünen-Bundestagsabgeordneter aus Bayern. Wobei es "ein Hohn" sei, angesichts solcher Minischritte überhaupt von Verbesserungen zu sprechen.

Es sind namhafte Firmen, die in El Salvador produzieren lassen. Adidas und Puma gehören dazu, viele andere große Kleidungsproduzenten weichen auf Drittweltländer in Asien aus. So sind etwa vier Fünftel der Exporte Bangladeschs Textilien, Warenwert 20 Milliarden US-Dollar. 4500 Fabriken gibt es in dem Land.

Eine Woche ist es her, dass ein Feuer in den Räumen der Tazreen Fashion Limited nördlich der Hauptstadt Dhaka ausbrach. Mehr als 120 Menschen verbrannten, Hunderte wurden verletzt. Es werden viele leicht entzündliche Chemikalien in der Textilproduktion verwendet, der Umgang mit ihnen ist oft lax. Die Tazreen Fashion Limited beliefert unter anderen die Düsseldorfer Modekette C&A. Bis vor Kurzem hat auch der Discounter Kik hier produzieren lassen. Beide Unternehmen gehören mit Walmart und H&M zu den wichtigsten Abnehmern der Textilfabriken in Bangladesch.

Die Billiglohnländer bedienen vor allem die Geiz-ist-geil-Mentalität des Westens. Bei H&M und Co. gibt es T-Shirts für unter fünf Euro - und sie werden gekauft. Auch wenn sich jeder ausrechnen kann, dass so nur schwer zu fairen Bedingungen produziert werden kann. Es sind aber auch die Textilketten, die lieber beide Augen zudrücken, wenn es um die Arbeitsbedingungen bei ihren Zulieferern geht. Und es sind die Regierungen in den Drittweltländern, die den Schutz vor Ausbeutung nicht in den Gesetzen verankern. "Wir können nicht die sozialen Probleme in einem Land wie Bangladesch lösen, wenn die Regierung nicht die Verantwortung übernimmt und eine Verbesserung der Bedingungen vorantreibt. Aber wir müssen trotzdem auch von Deutschland und Europa aus etwas tun", sagt Kekeritz, der im Bundestagsausschuss für Entwicklung sitzt.

Schon vor einem Jahr hat die EU-Kommission eine Strategie für die soziale Verantwortung von Unternehmen verkündet, die verpflichtende Vorgaben enthält. Zudem hat sie die Offenlegung von Zahlungen von Großkonzernen an die jeweiligen Regierungen gefordert. In Deutschland ist beides umstritten, die Bundesregierung setzt in erster Linie auf Freiwilligkeit. Auch die großen Unternehmensverbände, darunter der Bundesverband der Deutschen Industrie und der Außenhandelsverband werben für freiwillige soziale Aktivitäten ihrer Mitglieder. Tatsächlich hat sich bei den Konzernen einiges bewegt - der Hamburger Versandhändler Otto etwa bemüht sich seit Jahren um bessere soziale Standards bei den Produzenten. Auch andere Hersteller haben erkannt, dass das zum Imagegewinn beitragen kann. Die Vorschläge aus Brüssel sind umstritten, weil die europäischen Unternehmen mehr Bürokratie fürchten, und sich - etwa durch die angedachte Berichtspflicht über soziale Aktivitäten - in ihrer unternehmerischen Freiheit beschränkt. Ein Argument, das Kekeritz nicht gelten lässt: "Die international agierenden Unternehmen sollten offenlegen, was sie wo produzieren lassen, wie die Angestellten bezahlt und abgesichert werden und wie viele Steuern sie zahlen." Dass dies in den Entwicklungs- und Schwellenländern nicht umgesetzt werde, sei für ihn ein Zeichen, "dass diese Unternehmen etwas zu verbergen haben".

Der Hamburger CDU-Abgeordnete Jürgen Klimke, ebenfalls Mitglied im Entwicklungsausschuss, schlägt ein mindestens EU-weites Siegel für Kleidung vor, die unter gewissen Standards hergestellt wurde. Vorbild dafür seien das Biosiegel oder das Fair-Trade-Zeichen. "Leider hat sich im Bereich der sozialen Mindeststandards der Produktion zum Beispiel im Bereich der Textilien noch kein solches Siegel etabliert", sagt er. Dafür müssten etwa Mindestanforderungen zu Lohnniveau, Arbeitsbedingungen, Ökologie und Arbeitsschutz erfüllt sein. Unternehmen, die dies erfüllten, könnten dann damit werben. "Umgekehrt werden Unternehmen, die das Siegel nicht besitzen, in Erklärungsnot kommen." Klimke, wie sein grüner Kollege Kekeritz glauben, dass sich das öffentliche Bewusstsein der Deutschen ohnehin gewandelt hat - und starken Druck auf die Firmen ausüben kann.

Das kann man in der nächsten Woche vielleicht auch in Hamburg sehen. Am kommenden Dienstag wollen Waltraud Waidelich und ihre Mitstreiter von der "Kampagne für Saubere Kleidung" losziehen und ein Zeichen setzen. Vor der Tür der Filiale von Kik in St. Georg und einer C&A-Filiale in der Innenstadt stellen sie Kerzen auf und trauern um die toten Arbeiterinnen in Bangladesch. Die Gruppe fordert auch die norddeutschen Unternehmen auf, sich der "Fair Ware Foundation" anzuschließen - einer Organisation, die sich gemeinsam mit Firmen für verbesserte und sichere Arbeitsbedingungen in den Produktionsstätten wie in Bangladesch einsetzt. "Bisher tun die Firmen in erster Linie nur so, als würden sie das Thema ernsthaft angehen", kritisiert Waidelich. Ähnliches fordert auch Alexandra Perschau von Future for Cotton, die sich für nachhaltige Baumwollproduktion einsetzt. "Unternehmen müssen die gesamte Lieferkette kennen und kontrollieren, von dem Abbau der Rohstoffe über die Veredelung bis hin zur Konfektionierung der Kleidung."