Die Bundeswehr zieht langsam aus Afghanistan ab. Aber Hamburger Helfer engagieren sich trotzdem weiter für Frauen und Kinder.

Hamburg. Nasrin Mofid passt nicht in das Bild der unterdrückten afghanischen Frau, das so oft die Runde macht. Sie ist fröhlich, selbstbewusst und politisch aktiv. Ihre Demokratische Volkspartei Afghanistan ist im Parlament in Kabul vertreten und bemüht sich um Bildungsreformen und um Frauenrechte. Dabei ist Mofid keine Abgeordnete in Afghanistan. Den Kontakt zur Partei pflegt sie von Hamburg aus. Hier lebt und arbeitet sie seit ihrer Flucht vor 20 Jahren.

Beim Gespräch an ihrem Tisch stehen schon Kaffee und Kekse bereit. Die afghanische Gastfreundschaft lebt auch in Deutschland weiter. Wie sie die Sicherheitslage in ihrer Heimat heute einschätzt? Eine Antwort, die Mofid in zwei Worten zusammenfassen kann: "Ganz schlimm!" Familie, Freunde und Bekannte berichteten ihr regelmäßig über die missliche Lage in dem Land, das der Frieden offenbar seit mehr als drei Jahrzehnten vergessen hat.

Nach dem geplanten Truppenabzug der Nato Ende 2014 könnte sich die Sicherheitslage weiter verschlechtern, fürchtet Mofid. Die Regierung von Präsident Hamid Karsai sei unfähig, für die Sicherheit im Land zu sorgen. Dies sei "ein offenes Geheimnis". Eine neue Studie der angesehenen International Crisis Group, die einen schnellen Zusammenbruch der afghanischen Regierung nach 2014 prophezeit, gibt Mofid recht. Die deutsche Bundesregierung zeichnet trotz der Angriffe aus den Kreisen der afghanischen Sicherheitskräfte auf Nato-Soldaten ein positiveres Bild - wohl auch, um den Isaf-Truppenabzug zum geplanten Termin nicht zu gefährden.

Am Mittwoch hat die Bundeswehr das erste Feldlager endgültig geschlossen. Nach acht Jahren verließen die letzten deutschen Soldaten ihr Camp in Faisabad und zogen in einem langen Konvoi nach Kundus. Jetzt gibt es keine ständigen Isaf-Truppen mehr im Nordosten Afghanistans. Deutsche Entwicklungshilfeprojekte sollen jedoch in der Provinz Badakhschan weitergeführt werden. Dazu gehört auch der Aufbau eines Teils einer neuen Universität in dem bisherigen Feldlager der deutschen Soldaten.

"Schlimmstenfalls erlangen wieder die Taliban die Kontrolle über das Land", sagen Sicherheitsexperten. Ein Horrorszenario für Nasrin Mofid. Denn dies hätte schlimme Folgen, vor allem für die Frauen im Land. Sie würden abermals ihrer Freiheitsrechte beraubt werden. Schon unter den heutigen Umständen hätten die Frauen kaum Entfaltungsmöglichkeiten. "Ihre Rechte existieren nur auf dem Papier und nicht in der Realität", sagt Mofid. Da müsse noch sehr viel getan werden, und unter einer angespannten Sicherheitslage sei dies äußerst schwierig. Immer wieder gibt es Berichte von Grausamkeiten der Taliban vor allem an Frauen und kleinen Mädchen.

Den neuen Einsatz der Nato zur Ausbildung afghanischer Soldaten begrüßt Mofid: Das sei wichtig, damit die Afghanen bald selbst für ihre Sicherheit sorgen können. Trotz der ungewissen Zukunft des Landes und trotz der schwankenden Sicherheitslage hat Mofid gemeinsam mit anderen im Afghanischen Frauen- und Familienverein Konzepte zur Unterstützung von Familien in ihrer Heimat erarbeitet.

Der Verein will die Bildungschancen verbessern, Frauen über ihre Rechte aufklären, ihnen Arbeit verschaffen und so ihre Selbstständigkeit fördern. Ein ambitioniertes Großprojekt, das auch dazu dienen soll, das Bild der unterdrückten Frauen am Hindukusch irgendwann Vergangenheit werden zu lassen.

Die einen wollen helfen, die anderen tun dies bereits: Der gemeinnützige Verein zur Unterstützung von Schulen in Afghanistan baut und hilft Schulen in vier Bezirken der Provinz Faryab in der Steppe im Nordwesten des Landes. "Bildung ist die Grundlage für die nachhaltige Verbesserung der Situation Afghanistans", erklärt die stellvertretende Vorstandsvorsitzende des Vereins, Tanja Khorrami. Sie ist mit einem Afghanen verheiratet. Als Lehrerin hat sie viele Flüchtlingskinder in Hamburg unterrichtet. Das Land hat sie schon mehrere Male besucht - auch schon im Jahr 2001, als die Taliban noch an der Macht waren. Abenteuerlich sei diese Reise damals gewesen.

Während es im Norden Afghanistans, dem Einsatzgebiet der Bundeswehr, zwischen 2002 und 2006 relativ friedlich gewesen sei, habe sich die Sicherheitslage seit dem Jahr 2009 dort deutlich verschlechtert. Die Taliban hätten sich eingenistet. "Es hat Anschläge auf Schulen gegeben. Zum Glück ist niemand verletzt worden, und zum Glück haben die Eltern ihre Kinder gleich danach wieder zur Schule geschickt." Trotz der schwierigen Lage müsse die Arbeit dort fortgesetzt werden, erklärt Khorrami. Den Mädchen und Jungen sei bewusst, dass ihre Zukunft und der Frieden vom Lernen abhängen. Khorrami sagt: "Sie kommen mit großer Begeisterung zur Schule. Frauen, die im hohen Alter doch noch das Lesen, Schreiben und das Rechnen gelernt haben, sagen: Ihnen seien die Augen geöffnet worden, sie seien nicht mehr blind."