Politiker kritisieren die Blockade-Politik Bayerns. „Ich sehe, wie der Süden den Norden behindern will”, sagt Erwin Sellering (SPD).

Berlin/Hamburg. Steht eines der entscheidenden Großprojekte für die Energiewende vor dem Aus? Regierungschefs und Minister der norddeutschen Länder fürchten, dass die Errichtung weiterer Windparks auf den Meeren am Widerstand der Süd-Länder scheitert. Sie werfen vor allem Bayern vor, den Ausbau dieser sogenannten Offshore-Energie zu blockieren. "Ich sehe, wie der Süden den Norden behindern will", sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) dem Abendblatt.

Scharf kritisierte er Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), die den in seinen Augen "mühsam gefundenen Kompromiss bei der Haftung im Offshore-Bereich" kippen wolle. Die Ministerin tue so, als ob sie verbraucherfreundlich handle. "In Wahrheit betreibt Aigner knallharte Regionalpolitik", sagte Sellering. Der Bau von Windparks auf See könne nur vorangetrieben werden, wenn das Risiko von der Gemeinschaft getragen werde.

Mecklenburg-Vorpommern wird heute im Bundesrat einen Änderungsantrag einbringen, wonach die Netzbetreiber nur bei "grober Fahrlässigkeit" für Verzögerungen bei der Netzanbindung von See-Windparks haftbar gemacht werden sollen. Aigner hatte im August die Haftungsregeln so verändern lassen, dass die Stromverbraucher weniger und die Netzbetreiber bei Problemen stärker in die Pflicht genommen werden. "Ich fürchte wirklich, dass Offshore scheitert", sagte Sellering. Wenn man die Kostenfrage falsch entscheide, werde der Offshore-Ausbau nicht vorankommen. "Genau das scheint Bayern zu wollen. In München sagt sich die CSU: Offshore, das brauchen wir nicht."

Auch Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) warnte die Süd-Länder: "Der ökonomische Erfolg auch des Südens in Deutschland hängt davon ab, dass das Windenergieprojekt im Norden funktioniert. Wer glaubt, er könnte nach alter bundesdeutscher Manier den Süden gegen den Norden ausspielen, der wird ganz Deutschland schaden", sagte er dem Abendblatt. Man brauche Off- und Onshore-Windenergie nicht im Wettbewerb gegen Bayern und Baden-Württemberg, "sondern um ihnen die Energieversorgung sicherzustellen, die sie brauchen". Der Traum, man könne mit Fotovoltaik und ein paar Windrädern in den Alpentälern eine autarke Energieversorgung herstellen, sei abwegig.

Niedersachsens Umweltminister Stefan Birkner (FDP) sieht ebenfalls einen Nord-Süd-Interessenkonflikt. Auch er warf Aigner vor, bei den Verhandlungen den ursprünglichen Beschluss "auf den letzten Metern derart populistisch verwässert" zu haben, "dass jetzt fraglich ist, ob die Haftungsregelung überhaupt noch ihren Zweck erfüllt". Man teile das Ziel des Bundesratsantrags aus Schwerin, habe als Landesregierung aber noch keine abschließende Position eingenommen. "Der Offshore-Ausbau ist gefährdet", stellte der Minister fest. Damit seien auch Arbeitsplätze im Norden bedroht.

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nahm den Bund in die Pflicht und forderte eine Lösung der Haftungsfragen und einen Systemwechsel hin zu einer vorausschauenden Offshore-Netzplanung. "Wir brauchen auch Klarheit bei der Finanzierung der Offshore-Netzanschlüsse", sagte Scholz.