Theologe Schorlemmer kritisiert Vorschlag für „Das unerschrockene Wort”. Kommunalaufsicht prüft das Votum des Hauptausschusses.

Wittenberg/Eisleben. Die umstrittene Wittenberger Nominierung der russischen Punkrock-Band „Pussy Riot“ für den Luther-Preis „Das unerschrockene Wort“ soll wieder gekippt werden. Derzeit prüfe die Kommunalaufsicht und das städtische Rechtsamt, ob das Votum des Hauptausschusses im September überhaupt zurückgenommen werden könne und von welchem Gremium, teilte die Stadtverwaltung am Montag mit. Den Rückzieher beantragt hätten die „Allianz der Bürger“ und die CDU-Fraktion.

Der mit 10.000 Euro dotierte Preis der deutschen Lutherstädte wird im April 2013 in Luthers Geburtsort Eisleben zum neunten Mal verliehen. Der Preis ehrt Persönlichkeiten, die im Sinne des Reformators Martin Luther (1483-1546) Zivilcourage gezeigt haben. Eingereicht hatte „Pussy Riot“ die Stadtverwaltung.

Indes wächst die Kritik an dem Vorschlag weiter. So sagte der Wittenberger evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer der „Leipziger Volkszeitung“, „es wäre ein verheerendes Zeichen, wenn mit ’Pussy Riot’ der Vorschlag unserer Stadt für den Lutherpreis den Sieg davon tragen würde“. Nicht nur die Qualität der Texte sei anrüchig, sondern auch der Name der Band. „Man muss ihn nur mal exakt übersetzen“, sagte er.

Die drei Musikerinnen hatten im Februar mit einem „Punkgebet“ in der russisch-orthodoxen Hauptkirche in Moskau gegen Wladimir Putin demonstriert, der damals für das Präsidentenamt kandidierte. Ihr Protest richtete sich auch gegen die Verquickung von Kirche und Politik in Russland. Im August waren die Bandmitglieder wegen Rowdytums aus religiösem Hass zu je zwei Jahren Zwangslager verurteilt worden. Derzeit läuft in Moskau ein Berufungsverfahren.

Zwar habe er auch durchaus Verständnis für den Protest der Frauen, betonte Schorlemmer. Allerdings sei am falschen Ort provoziert worden. Eine Lutherstadt sollte keine „Gotteslästerung“ ehren.

Einer der ersten Gegner der Nominierung, der evangelische Propst Siegfried Kasparick aus Wittenberg, bekräftigte seine Ablehnung. Auch er teile die Kritik am Gerichtsurteil, sagte er. In Deutschland werde aber außer acht gelassen, dass die unter Stalin gesprengte Kirche, in der die Band aufgetreten war, Symbolort für die Freiheit des Glaubens in Russland sei.

Im Liedtext werde dies jedoch lächerlich gemacht, und das dürfe nicht noch mit einem Lutherpreis gewürdigt werden, betonte Kasparick. Die Christ-Erlöser-Kathedrale war auf Geheiß des sowjetischen Diktators 1931 gesprengt und vor zwölf Jahren wiedererrichtet worden.

Nach Auskunft der Eislebener Stadtverwaltung wäre es wohl das erste Mal, dass ein Vorschlag zurückgezogen wird. Derzeit lägen vier Nominierungen vor, eine weitere sei angekündigt. Der nächste Preisträger soll von Vertretern der Lutherstädte Anfang November in Eisleben ausgewählt werden. Die Auszeichnung wird von dem 16 Orte umfassenden Bund der Lutherstädte seit 1996 vergeben.