Um den ewigen Kompetenzstreit zwischen Bund und Ländern zu lösen, wirbt die Union für einen Nationalen Bildungsrat. Die FDP ist skeptisch.

Berlin. Als Angela Merkel in diesem Frühjahr bei ihrem "Bürgerdialog" mit den Menschen über deren Sorgen und Wünsche diskutierte, kochte jedes Mal ein bestimmtes Thema hoch. Egal, ob in Erfurt, Berlin oder Heidelberg: Immer wieder wollten die Leute von ihr wissen, wie es denn sein könne, dass das Schulsystem in Deutschland so zerfasert sei, und warum nicht einmal sie, die Bundeskanzlerin, dafür sorgen könne, dass Familien mit schulpflichtigen Kindern problemlos etwa von Hamburg nach Bayern umziehen könnten. "Ich habe keinen getroffen, der es irgendwie richtig fand, dass die Länder die Schulhoheit haben", hatte Merkel nach dem Projekt berichtet, bei dem sie nach amerikanischem Vorbild durch die Republik getingelt war, um sich mit den Bürgern auszutauschen.

Auch an diesen Erfahrungen liegt es, dass die Kanzlerin nun eine Idee von Annette Schavan (CDU) zu verwirklichen versucht. Ende Oktober wird sich die Bundesbildungsministerin mit den 16 Kultusministern treffen, um über eine Lockerung des sogenannten Kooperationsverbots zu sprechen, das auch den Bildungsföderalismus im Grundgesetz festschreibt und dem Bund verbietet, dauerhaft in Bereiche zu investieren, für die die Länder zuständig sind. Auf die Tagesordnung soll bei diesem Treffen auch Schavans nicht mehr ganz so neuer Vorschlag für einen Nationalen Bildungsrat. Gemeint ist damit ein Expertengremium, das Vorschläge zur besseren Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern erarbeiten soll.

Bereits im Frühjahr hatten Bildungsexperten der Robert-Bosch-Stiftung ein Konzept vorgestellt, wie dieser Bildungsrat aussehen könnte: Demnach wären zwei Kammern nötig. Eine für Forscher und Wissenschaftler, eine andere für Politiker aus Bund und Ländern. Analog zum Wissenschaftsrat, der bereits seit 55 Jahren die Politik in Wissenschaftsfragen berät, könnte auch der Bildungsrat direkt beim Bundespräsidenten angesiedelt sein.

Die Bildungspolitiker der Unionsfraktion im Bundestag unterstützen diese Idee. "Es ist das Beste, wenn sich hochrangige und unabhängige Experten sowie Bund und Länder zusammensetzen", sagte Marcus Weinberg, zuständiger Berichterstatter im Bildungsausschuss und Hamburger CDU-Chef dem Abendblatt. "Ein Nationaler Bildungsrat könnte konkrete Vorschläge zur Zusammenarbeit in der Bildungspolitik machen und die Prioritäten der nächsten Jahre verbindlich festlegen. Durch die wissenschaftliche Expertise dürfte ein Konsens deutlich leichter werden als bislang."

Das Kooperationsverbot ist einer der größten Zankäpfel in der Bildungspolitik. Erst in der jüngsten Bundesratssitzung hatten die von SPD und Grünen geführten Länder einen Gesetzentwurf Schavans als unzureichend zurückgewiesen, der eine Grundgesetzänderung zwar für den Wissenschafts-, nicht aber für den Bildungsbereich vorgesehen hatte. Für eine komplette Abschaffung des Kooperationsverbots - also auch für die Schulpolitik - driften aber die Vorstellungen aller Beteiligten zu weit auseinander. Zwar sind sich alle einig, dass es so nicht weitergehen kann. Wie man die Änderungen aber genau machen will, dazu gibt es viele unterschiedliche Vorstellungen. Das Ergebnis ist weiterhin, dass Deutschland zwar "Bildungsrepublik" werden soll - jedes Bundesland aber weiter für sich allein an Schulformen oder Lehrplänen tüftelt. Auch da könne ein Nationaler Bildungsrat helfen, meint Weinberg: "Ein Nationaler Bildungsrat ist auch ein Schritt hin zu einer einheitlicheren Bildungs- und Schulpolitik, ohne gleich wieder die Kompetenzfrage zwischen dem Bund und den Ländern zu stellen." Viele Eltern seien den bildungspolitischen Flickenteppich in der Bundesrepublik leid. "Das neue Gremium kann auch Standards erarbeiten, etwa für Abschlüsse oder Schulformen", sagte Weinberg. Die Gefahr, dass die jetzige Bildungsdebatte einfach nur verlagert wird, sieht er nicht. Durch die Experten könne dies verhindert werden.

Beim Koalitionspartner FDP ist man da anderer Meinung. "Einem nationalen Bildungsrat stehe ich ausgesprochen skeptisch gegenüber", sagte Patrick Meinhardt, Sprecher des "Hannoveraner Kreises" der Liberalen, der sich für den Bildungsföderalismus starkmacht, dem Abendblatt. Mit der Kultusministerkonferenz habe man bereits "ein äußerst träges Bildungsgremium". Deswegen sei sehr viel Überzeugungsarbeit nötig, warum wir für Deutschland noch ein weiteres "Bildungsgremium brauchen, das zumindest die Gefahr in sich trägt, ein bürokratisches Funktionärsgremium zu werden".

Klar ist aber, dass bald Nägel mit Köpfen gemacht werden müssen. Derzeit laufende Maßnahmen des Bundes, die die klammen Länder bei der Bildung unterstützen, sind allesamt befristet. Etwa der Hochschulpakt II, bei dem der Bund rund fünf Milliarden Euro für den Ausbau von Studienplätzen zur Verfügung stellt, läuft 2015 aus. "Die Zeit drängt", warnte Weinberg. "In den nächsten Jahren werden viele Bundesländer Probleme haben, ausreichend Investitionen im Bildungsbereich zu tätigen. Vor allem die Schuldenbremse wird sie darin einschränken."

Der Forderung der Länder, der Bund solle ihnen einen größeren Teil der Einnahmen aus der Mehrwertsteuer übertragen, hat Bildungsministerin Schavan unlängst eine Absage erteilt. Auch Weinberg sagte, er halte nichts davon, "den Ländern einfach nur Geld zur Verfügung zu stellen, ohne zu wissen, wofür sie es im Einzelnen ausgeben." Was man brauche, sei vielmehr "ein strukturiertes und konzertiertes Vorgehen, das nachhaltig und langfristig dafür sorgt, dass unser Bildungssystem zukunftsfest wird", sagte Weinberg.