Der Streit von Bund und Ländern um die Schulpolitik trifft nicht die Realität der Familien

Bildungspolitik ist in Deutschland einigermaßen paradox: Da bekommt eine deutsche Schule in Mailand oder Nairobi Bundesmittel zur Unterstützung - eine Schule in Hamburg aber nicht. Da ist eine Bundeskanzlerin, die vollmundig die "Bildungsrepublik Deutschland" ausruft, aber schon per Verfassung nicht befugt ist, auch nur ein Wort in Sachen Schulpolitik mitzureden. Da sind 16 Bundesländer mit 16 Schulsystemen, die ihre Hoheit über Schulen und Unis behalten wollen, aber in Zeiten strenger Schuldenbremsen auf zusätzliches Geld aus Berlin angewiesen sind, wenn sie ihre Bildungseinrichtungen nicht weiter kaputtsparen wollen. Und am Ende stehen genervte Eltern, die das alles nicht mehr verstehen.

Der Grund für das Paradox trägt den Namen Kooperationsverbot und ist das Ergebnis eines gigantischen politischen Geschachers. Damit die Länder sich 2006 bei der Föderalismusreform bereit erklärten, Mitspracherechte des Bundesrates beschneiden zu lassen, gab man ihnen als Gegenleistung die Alleinherrschaft über die Bildung. Kooperation mit dem Bund ist seither, bis auf wenige Ausnahmen im Universitätsbereich, ausgeschlossen. Das Argument: Durch Vielfalt entsteht Wettbewerb, und Wettbewerb sorgt für Qualität.

Doch weit gefehlt. Nicht nur die Haushaltsausstattung der Länder, sondern auch die Vorstellungen ihrer jeweiligen wechselnden Regierungen haben einen veritablen bildungspolitischen Flickenteppich entstehen lassen, der in Sachen Abschlüsse und Lehrpläne nicht nur zahlreiche Schüler verzweifeln lässt, sondern auch Eltern, wenn sie mit ihrem Nachwuchs von einem Bundesland ins andere umziehen. Weil diese Probleme auf politischer Ebene bislang nicht geklärt werden können, fordert die Union jetzt ein unabhängiges Expertengremium, das Lösungsvorschläge ausarbeiten und die Debatte auf eine sachorientierte Ebene bringen soll. Es würde sich lohnen, dieser Idee eine Chance zu geben.

Etwa der Vorstoß von Bildungsministerin Annette Schavan, das Kooperationsverbot wenigstens im Universitätsbereich zu lockern, ging den rot-grün geführten Ländern nicht weit genug und ist erst vor wenigen Tagen im Bundesrat abgewiesen worden. Eine komplette Aufhebung des Verbots ist auf der anderen Seite für Länder wie Bayern oder Hessen ein rotes Tuch. Sie sind stolz auf ihr Schulsystem und wollen sich von Berlin nicht reinregieren lassen. Für eine Grundgesetzänderung braucht es aber eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat. Es muss also ein Konsens her. Bleiben die politischen Fronten starr, kann das nicht gelingen. Wissenschaftler und Experten könnten da deutlich weiterkommen.

Zur parteipolitischen Profilierung taugt das Kooperationsverbot ohnehin nicht. Die Debatte wird an den Realitäten in den Familien vorbei geführt. Den meisten Eltern ist es herzlich egal, ob man Paragraf 91b oder doch lieber Paragraf 104b des Grundgesetzes ändern muss, damit Bund und Länder in der Schulpolitik zusammenarbeiten können. Ihnen ist wichtig, dass ihre Kinder saubere und ordentliche Klassenzimmer haben, dass es genügend Lehrer gibt und Unterrichtsstunden nicht ausfallen. Dass die Schüler danach fit sind für eine Ausbildung, wo auch immer es sie hinzieht, oder einen Studienplatz bekommen, ohne im Hörsaal aus Platzmangel auf dem Fußboden sitzen zu müssen. Den Eltern ist im Zweifelsfall auch eher unwichtig, ob das Geld dafür aus der Landeskasse oder aus Berlin kommt. Die Hauptsache für sie ist, dass das Bildungssystem funktioniert.

Eine Einigung, die das sicherstellt, wäre das stärkste Signal. Eines, das zeigt, dass Bund und Länder verstanden haben, worauf es den Eltern ankommt. Gut, dass auch die Bundeskanzlerin die Einrichtung eines Expertenrates unterstützt. Es wäre ein Armutszeugnis, wenn das Projekt Bildungsrepublik an politischem Geschacher scheitern würde.