Verbraucherministerin spricht über Hamburger Pläne eines Hygiene-Barometers und ihren Kampf gegen Facebook, der in die nächste Runde geht.

Hamburg. Bisher hat man Ilse Aigner als Deutschlands oberste Verbraucherschützerin wahrgenommen. Ihr angekündigter Wechsel nach Bayern zeigt eine neue Facette: die der CSU-Machtpolitikerin. Beim Besuch der Abendblatt-Redaktion sprach sie über ihre Zukunftspläne.

Hamburger Abendblatt: Frau Ministerin, Sie wollen 2013 die Berliner Politik verlassen und in den Bayerischen Landtag einziehen. Sind Sie in Ihrem Amt gescheitert?

Ilse Aigner: Wie kommen Sie darauf? Die CSU hat bei der bayerischen Landtagswahl 2008 nicht gut abgeschnitten. Besonders groß waren die Stimmenverluste im Bezirksverband Oberbayern, dessen Vorsitzende ich seit 2011 bin. Dort hatten wir damals dramatische Einbrüche von gut 20 Prozent hinzunehmen. Ich habe mich entschieden, mein politisches Gewicht in die Waagschale zu werfen, um die CSU 2013 so stark zu machen wie möglich. Aber vorher habe ich in Berlin noch viel zu tun.

Oder haben Sie Schwarz-Gelb im Bund schon aufgegeben?

Aigner: Für mich stand bei dieser Entscheidung die Frage im Mittelpunkt, wie ich am besten zum Erfolg der CSU beitragen kann. Es ist ja nicht unüblich, dass Abgeordnete die Parlamente wechseln. Ich war ja bis 1998 schon einmal im Bayerischen Landtag.

Wie reagieren die Kollegen?

Aigner: Die Kollegen in Berlin, mit denen ich gesprochen habe, bedauern meinen Schritt. Aber sie verstehen die Beweggründe. Auch der Bundeskanzlerin ist bewusst, wie enorm wichtig die Landtagswahl in Bayern ist, und sie weiß, dass das Ergebnis auch Einfluss auf die Bundestagswahl haben kann.

Stört es Sie, wenn man Sie schon als nächste bayerische Ministerpräsidentin bezeichnet?

Aigner: Das sind die üblichen Spekulationen. Ich beteilige mich daran nicht. Wir haben mit Horst Seehofer einen hervorragenden Ministerpräsidenten und Parteichef, einen echten Kämpfer. Mit ihm an der Spitze werden wir die CSU in ein erfolgreiches Wahljahr führen.

Aber für CSU-Politiker ist das Amt des Ministerpräsidenten schon das schönste der Welt, oder?

Aigner: Auch wenn Sie die Frage noch in zehn Varianten wiederholen, ich bleibe bei meiner Antwort. Es besteht kein Zweifel, dass jeder Regierungschef ein anspruchsvolles Amt ausübt - Horst Seehofer macht das mit vollem Einsatz und großem Erfolg. Ich unterstütze ihn mit ganzer Kraft und bin überzeugt, dass er Bayern noch viele Jahre erfolgreich regieren wird.

Trauen Sie sich das Amt grundsätzlich zu?

Aigner: Netter Versuch. Aber ich konzentriere mich auf die Aufgabe, für die ich benannt wurde und arbeite weiter als Bundesministerin. Das erwarten die Bürgerinnen und Bürger auch zu Recht von mir.

Die Hamburger Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer-Storcks wird Sie wahrscheinlich nicht vermissen ...

Aigner: Das wäre aber schade. Menschlich kommen wir gut miteinander aus, auch wenn wir bei politischen Fragen zuweilen unterschiedlicher Meinung sind.

Den Hamburger Wunsch einer bundesweit verpflichtenden Hygiene-Ampel für Restaurants haben Sie nicht durchgesetzt. Warum nicht?

Aigner: Tatsache ist: Für die Lebensmittelüberwachung sind allein die Bundesländer zuständig. Und die Länder konnten sich bisher nicht auf ein bundeseinheitliches Vorgehen zum Kontrollbarometer für Gaststätten verständigen. Die einen wollen es freiwillig einführen, andere Länder verpflichtend, wieder andere Länder wollen vorerst nichts machen. Der Bund steht Ländern wie Hamburg oder NRW, die eine verpflichtende Regelung wollen, nicht im Wege und schafft eine gesetzliche Klarstellung. Damit ist der Weg frei. Von mir aus kann Frau Prüfer-Storcks heute noch mit dem Barometer für die Gaststätten anfangen.

Worauf muss sie achten, wenn sie die Kennzeichnung einführt?

Aigner: Unabhängig von der Frage einer Gaststätten-Kennzeichnung: Entscheidend sind wirksame Kontrollen! Es gibt Leitlinien, an denen sich die Behörden orientieren müssen. Risikobehaftete Betriebe, die in der Vergangenheit schon einmal negativ aufgefallen sind, müssen öfter kontrolliert werden als andere. Wo und wie intensiv überwacht wird, liegt allein in der Verantwortung der Behörden vor Ort. Entscheidend ist aus meiner Sicht, dass die Überwachungsbehörden der Länder über ausreichend Personal verfügen.

Würden Sie als Gast in manchen Restaurants gern mal einen Blick in die Küchen werfen?

Aigner: So weit muss ich gar nicht gehen. Es gibt eine Örtlichkeit in einem Restaurant, an der man meist relativ gut ablesen kann, wie es um die Hygiene steht ...

... die Toilette.

Aigner: Dort kann man zuweilen erkennen, ob es sich um ein gut geführtes Lokal handelt.

Als Verbraucherministerin haben Sie sich mit Google und Facebook angelegt. Ist der Kampf gegen die Internet-Riesen beendet?

Aigner: Ich kämpfe weiter für mehr Datenschutz. Momentan handeln wir die EU-Datenschutzverordnung aus, die auch Firmen mit Sitz außerhalb Europas betrifft. Wir müssen mit Blick auf Google und Facebook die europäischen Kräfte bündeln. 500 Millionen europäische Verbraucher haben mehr Macht als 80 Millionen Nutzer in Deutschland.

Wie bewerten Sie die Klage von Bettina Wulff gegen Google? Die Suchmaschine verbindet Wulff automatisch mit verunglimpfenden Begriffen.

Aigner: Ich kann die Gründe für die Klage verstehen. Es bleibt abzuwarten, wie das Gericht entscheidet. Es ist eine schwierige Abwägung: Die Suchbegriffe werden ja nicht von Google, sondern von den Nutzern eingegeben. Meinungsfreiheit und Informationszugang sind zu Recht wichtige Güter in diesem Land, die man schützen muss. Wenn aber bereits bei der Eingabe der ersten Buchstaben der ganze Name mit stigmatisierenden Begriffen verknüpft wird, halte ich das für bedenklich. Das Suchprinzip führt zu negativen Rückkopplungen: Je mehr über Gerüchte berichtet wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Suchfunktion sie verstärkt. Ein Recht auf Vergessen kennt das Internet nicht. Aber wir müssen uns mit diesem Aspekt befassen.

Kann man Google zwingen, manche Verknüpfungen zu löschen?

Aigner: Wer grob beleidigt wird und den Absender der Beleidigung identifizieren kann, kann auf seine Persönlichkeitsrechte pochen. Aber wenn die Verunglimpfung anonym ist, wird es schwierig. Meinungsfreiheit ist elementar, auch im Internet, aber sie hat dort Grenzen, wo andere zu Schaden kommen. Mir ist wichtig, dass Betroffene auch bei anonymen Meinungsäußerungen besser geschützt werden. Ich hoffe, dass wir auf europäischer Ebene mit der geplanten Datenschutzverordnung eine Antwort geben können.

Wenn Sie 2013 Wahlkampf machen, brauchen Sie dann nicht auch Facebook?

Aigner: Mein Bezirksverband hat sehr erfolgreich eine Mitgliederbefragung und einen Bürgerdialog gestartet und viel positives Feedback bekommen - dazu braucht man nicht Facebook. Solange das Netzwerk nicht bereit ist zu durchgreifenden Veränderungen, sehe ich Facebook kritisch. Die Voreinstellungen bei Facebook sind weiterhin so, dass Nutzer ihre Privatsphäre nicht ausreichend schützen können. Im Gegenteil: Immer wieder lockert Facebook hinter dem Rücken der Nutzer die Datenschutz-Einstellungen. Das kann ich als Verbraucherministerin nicht hinnehmen.