Andere Kassen wollen keine Prämien zurückzahlen. Gesundheitsminister Daniel Bahr aber ist dafür. Zwischen Kassen herrscht raues Klima.

Hamburg/Berlin. Verbraucherschützer sehen die Auszahlung von Prämien an gesetzlich Krankenversicherte kritisch. Dass die Techniker Krankenkasse (TK) nun im kommenden Jahr bis zu 120 Euro an ihre Mitglieder auszahlen wolle, sei sicherlich auf politischen Druck geschehen, sagte Susanne Mauersberg, Gesundheitsexpertin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen, dem Abendblatt. Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) hatte sich innerhalb der Regierungskoalition bislang nicht mit seinem Vorschlag zur Abschaffung der Praxisgebühr durchsetzen können.

Mauersberg sagte, deshalb sei sein Druck auf die finanziell gesunden Krankenkassen gestiegen, jetzt Prämien auszuzahlen. Denn bislang hatte sich die TK geweigert, dem Vorbild kleiner Kassen zu folgen, die vor allem jüngere, gut verdienende und selten kranke Mitglieder haben und deshalb Prämien ausschütten können. Dennoch fordert die Verbraucherzentrale weiterhin eine Abschaffung der Praxisgebühr. Zu diesem Thema konnte Minister Bahr seine alte Forderung nur wiederholen. Die Union sperrt sich dagegen. Möglicherweise knickt sie doch noch ein, wenn der Koalitionsausschuss demnächst die Streitfelder befrieden muss.

Bahr lobte jedoch ausdrücklich die Prämie der TK, auf die er nach Abendblatt-Informationen auch persönlich massiv eingewirkt hatte. Die Prämie, so Bahr, sollten die Versicherten für Turnschuhe oder Gesundheitskurse ausgeben. Der Minister sagte, andere Kassen würden nun dem Beispiel der zweitgrößten deutschen Kasse (acht Millionen Versicherte, davon etwa zwei Millionen mitversicherte Frauen und Kinder) folgen.

Beim Branchenführer Barmer GEK (8,6 Millionen Versicherte) sieht man das anders. "Uns ist ein attraktives Leistungsportfolio wichtiger als eine verhältnismäßig geringe Prämienausschüttung, die die Versicherten auch noch versteuern müssten", sagte ein Sprecher der Barmer GEK. Die Barmer hatte ein individuelles Gesundheitskonto für Präventionsmaßnahmen und Zusatzleistungen beschlossen. Die Techniker Krankenkasse will allerdings auch ihr Angebot verbessern.

AOK-Chef Jürgen Graalmann sprach mit Blick auf die Prämie der TK von einer "Fangprämie für Neukunden". Diese "Marketingaktion" werde "dem Sicherheitsbedürfnis der Menschen beim Thema Krankheit nicht gerecht". Die AOK setze auf Stabilität statt auf "kurzfristiges Prämien-Jo-Jo".

Insgesamt ist das Klima zwischen den Kassen rauer geworden. Dazu wird auch die Prämie der TK beitragen. In Verbandskreisen hofft man jedoch, dass alle Kassen dafür Verständnis haben, wenn der politische Druck auf die gut ausgestatteten Kassen so groß wird wie jetzt. Verbraucherschützerin Mauersberg sagte, die gigantischen Reserven der gesetzlichen Kassen (rund 22,5 Milliarden Euro) sollten den Versicherten zugutekommen.

Aber das Geld sei auch schnell wieder zusammengeschmolzen. Schon der Anstieg der Ärztehonorare sowie erwartbar steigende Medikamentenausgaben würden die Ausgaben weiter treiben. Dass die niedergelassenen Ärzte ihre Proteste ausgesetzt haben, zeigt: Ihnen wurden bereits Signale gegeben, dass es bei dem Honorarplus von 0,9 Prozent sicher nicht bleiben wird.

Bei der Techniker Krankenkasse, die im ersten Halbjahr 2012 mehr als 400 Millionen Euro Gewinn machte, rechnet man mit roten Zahlen im gesamten Gesundheitswesen schon 2014. Für Wettbewerber ohne große Reserven wird es dann wieder düster aussehen. Die jetzt verkündete TK-Prämie wird deshalb voraussichtlich eine einmalige Sache sein.

Ob sie tatsächlich eine neue Wanderungswelle hin zur TK auslöst, ist ungewiss. Nur der Zusatzbeitrag von acht Euro monatlich, den einige Kassen zwischenzeitlich erhoben, hat zu einer ernsten Kündigungswelle weg von den Krankenkassen geführt, die die Extraprämie verlangen mussten. Dadurch hatte auch die TK erhebliche Mitgliederzuwächse.