Anstatt die Praxisgebühr abzuschaffen, dringt die Politik auf Prämienzahlungen

Geld zurück von der Krankenversicherung - das ist scheinbar eine gute Nachricht. Die Techniker Krankenkasse zahlt einen Teil ihrer Überschüsse an die Mitglieder aus. Dabei wollen die das eigentlich gar nicht, wie alle Umfragen zu diesem Thema belegen. Die Deutschen wissen, dass die Gesundheitsversorgung in der alternden Gesellschaft eher teurer als günstiger wird. Deshalb würden sie auf eine Rückzahlung heute eher verzichten als auf die beste Behandlung morgen. Darin spiegelt sich das Sicherheitsdenken aufgeklärter Bürger und auch die Skepsis gegenüber denen, die das Gesparte anderer gerne verschleudern.

Denn die Politik hat ein Auge auf die Sozialkassen geworfen. Das lässt wenig Gutes erahnen. In der Rentenversicherung muss der Beitrag wegen der großen Reserven gesenkt werden. So ist das Gesetz, und man tut gut daran, es einzuhalten, weil es Arbeitnehmer und Arbeitgeber entlastet. Man muss auch nicht allzu pessimistisch die nächste Krise herbeireden, wie das Übervorsichtige angesichts der prallen Rentenkasse tun.

Anders in der Krankenversicherung. Da wurde mit jeder Reform mehr Bürokratie erschaffen und verstaatlicht. Der Einheitsbeitrag für alle Kassen sollte ursprünglich dazu führen, dass die einen Prämien auszahlen, die anderen Zusatzbeiträge verlangen. Wer Zusatzbeiträge verlangt, dem laufen die Kunden weg. Das spürte zum Beispiel der Versicherungsriese DAK schmerzlich. Jetzt, da sich die DAK erholt hat, kommt der nächste Keulenschlag. Der Konkurrent Techniker zahlt dank gewaltiger Überschüsse Prämien aus und lockt damit Versicherte an. Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer. Wo sich die meisten Kranken versammeln, ist die nächste Kassenpleite programmiert.

Dazu kommt, dass der Staat für jeden Euro Rückzahlung Steuern kassiert. Kein Wunder, dass die Bundesregierung auf Auszahlung drang. Die Auszahlung der solide gemanagten Techniker Krankenkasse wird wieder zu erheblichen Verschiebungen zwischen den Kassen führen. Die Laufkundschaft wird wachsen. Die Finanzströme müssen wieder neu gelenkt werden. Ein krankes System.

Gerechter wäre es doch, wenn jede Kasse wieder eigene Beiträge erheben dürfte. Dann müssten die Versicherer höhere Preise mit besonderem Service oder Leistungen rechtfertigen.

Aber nicht einmal die FDP rüttelt am Sozialismus des Gesundheitsfonds. Das ist umso erschütternder, weil die FDP zwar die Praxisgebühr abschaffen will, die ausschließlich den Kassen zugutekommt. Allerdings wurde ein Hamburger Vorstoß zur Abschaffung dieser zehn Euro pro Quartal boykottiert. Das passt nur zusammen, wenn man sich die Koalitionsarithmetik von Union und FDP in der Bundesregierung anguckt. Nicht nach Sachargumenten wird entschieden, sondern nach Manövriermasse, nach machtpolitischem Kalkül.

Die FDP würde die Praxisgebühr abschaffen, müsste dafür allerdings eine Kröte der Union schlucken, ob nun eine Zuschussrente oder das Betreuungsgeld. Am Ende muss man fürchten, dass diese Streichung zu einfach ist, als dass sie realisiert wird.

In der Gesundheitspolitik ist Schwarz-Gelb hinter Ulla-Schmidt-Zeiten zurückgefallen. Die streitbare SPD-Ministerin war das Schreckgespenst von Ärzten, Kassen und Lobbyisten. Aber auch diese Bundesregierung schickt sich an, mehr Dunkel als Licht in den Dschungel der Interessen zu bringen. Zukunftsfest ist dieses Geschacher um Beiträge und Reserven nicht. Zu einer wirklichen Reform der Pflegeversicherung hat es auch nicht gereicht. Dazu war FDP-Mann Daniel Bahr nur so fantasievoll, die Beiträge zu erhöhen und eine private Vorsorge einzuführen, die vorne und hinten nicht funktioniert. Mit derlei Spielchen kriegt man das beste Sozialversicherungssystem der Welt kaputt.