Nicht nur Waffen findet die Polizei, sondern auch NPD-Wahlplakate in großer Zahl. Nordrhein-Westfalen geht gegen gefährliche Neonazi-Gruppierungen vor. Ist das Munition für ein erneutes Verbotsverfahren gegen die rechtsextreme Partei?

Düsseldorf. Nordrhein-Westfalen will den braunen Sumpf austrocknen. Drei aggressive und aktive Neonazi-Gruppierungen sind im bevölkerungsreichsten Land seit Donnerstag verboten. Mit massivem Polizeieinsatz wird die „Kameradschaft Aachener Land“ (KAL), der „Nationale Widerstand Dortmund“ und die „Kameradschaft Hamm“ zerschlagen. Eine Großrazzia mit 900 Beamten in 32 NRW-Städten lässt aber auch mit Blick auf die rechtsextreme NPD aufhorchen. Rund 1000 Wahlplakate der NPD stellen Polizisten sicher – neben vielen Waffen, Datenträgern und Propagandamaterial. Könnte das erneut harte Durchgreifen im bevölkerungsreichsten Bundesland gegen Rechts nun auch neue Munition liefern für ein zweites NPD-Verbotsverfahren?

NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) äußert sich da vorsichtig. Er sieht eine „enge Verflechtung dieser rechtsextremistischen Partei mit der gewaltbereiten Neonazi-Szene in Nordrhein-Westfalen“. Aber: Es müsse erst mal sehr sorgfältig alles beschlagnahmte Material ausgewertet werden, sagt er in Düsseldorf. Nachdem 2003 ein NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht – wegen der zweifelhaften Rolle von V-Leuten des Verfassungsschutzes - scheiterte, sammeln die Innenminister nun systematisch Beweise gegen die rechtsextreme Partei. Doch die Debatte über einen erneuten Anlauf könnte nun neuen Schwung erhalten.

Alles, was relevant sein kann, will Jäger seinen Länderkollegen und Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) bis zu einer entscheidenden Konferenz Anfang Dezember vorlegen. Dann wird voraussichtlich entschieden, ob ein neuer Verbotsantrag aussichtsreich genug ist. „Wir werden sehr sorgfältig alles auswerten, ob der NPD eine aggressiv-kämpferische Haltung nachweisbar ist“, kündigt Jäger an. Nur dann könne es zu einem Verbot kommen. „Ich warte das erst mal ab.“ Der Fund könne aber auf jeden Fall ein wichtiger Baustein sein.

Bei den nun verbotenen Gruppen in Aachen und Hamm weist bereits der Landesverfassungsschutzbericht 2011 auf Verbindungen zur NPD hin. Nun zeigt sich, dass auch in Dortmund Neonazis mit der NPD zusammenarbeiteten – und als Wahlkampfhelfer fungierten. In einem Dortmunder Vereinsheim wurden die 1000 NPD-Plakate gefunden. Dort sind am Wochenende Stadtratswahlen.

„Es kann gut sein, dass sich nun aus den beschlagnahmten Unterlagen weitere Beweise und Indizien gegen die NPD ergeben“, sagt der Rechtsextremismus-Experte Prof. Fabian Virchow, Leiter der Arbeitsstelle Neonazismus an der Fachhochschule Düsseldorf. Es sei aber schwer prognostizierbar, ob für einen Verbotsantrag genug neues Material zusammenkommen werde. „Das Bundesverfassungsgericht stellt für ein Verbot schon sehr hohe Hürden. Noch höher sind sie aber beim Europäischen Gerichtshof, was die Gewaltorientierung einer Partei angeht.“

Virchow spricht von einer engen Verflechtungen von NPD und der Aachener KAL. Sie sei vor zehn Jahren aus dem NPD-Kreisverband Aachen entstanden und unterstützte die Partei bis heute, weiß der Experte. Und betobt: „Die Aachener Kameradschaft ist – oder war – sehr gewaltaffin, besonders umtriebig, einflussreich und hat eine lange Tradition in NRW.“ 2010 waren bei der neonazistischen Gruppierung selbst gebaute Sprengesätze gefunden worden – zwei Bombenbauer wurden 2011 in Aachen zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Die Gruppierung im Hamm halte ebenfalls engen Draht zur NPD, erklärt Virchow. „Sie sind dazu sehr einflussreich, auch über die Landesgrenzen hinaus vernetzt und stehen in Kontakt zur Szene in Holland und Osteuropa“. Dagegen gehöre der „Nationale Widerstand Dortmund“ zu dem Typ Kameradschaft, der sich als Konkurrenz zur NPD sehe. Das Land NRW, das ein Problem mit wachsender rechter Gewalt hat, gehe im Vergleich zu anderen Bundesländern sehr hart gegen Rechtsextremisten vor, lobt der Experte. „Bemerkenswert ist eine Verunsicherung und eine gewisse Zurückhaltung in der Neonazi-Szene.“