Wolfgang Bosbach fordert im Abendblatt, die früheren Angaben erneut abzufragen. 17 000 ehemalige Stasi-Mitarbeiter sollen im öffentlichen Dienst beschäftigt sein.

Hamburg. Die Zahl von rund 17 000 ehemaligen Stasi-Mitarbeitern, die im öffentlichen Dienst beschäftigt sein sollen, hat gestern für Empörung gesorgt. Der Innenexperte der Unions-Fraktion, Wolfgang Bosbach, forderte gegenüber dem Abendblatt eine neue Überprüfung der Mitarbeiter in gehobenen Funktionen. "Es muss vor allem geklärt werden, ob die Angaben der Bewerber bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst wahrheitsgemäß und vollständig gewesen sind. Denn damals war nur ein geringer Teil der Stasi-Akten ausgewertet", sagte Bosbach. "Wenn jemand eine Führungsfunktion bei der Staatssicherheit innehatte, scheidet er für Führungsfunktionen in der Bundesrepublik aus." Ansonsten müsse man differenziert betrachten, wie stark jemand mit der Stasi zusammengearbeitet habe und wo er heute im öffentlichen Dienst eingesetzt sei.

Die "Financial Times Deutschland" berichtet, dass es 2247 Ex-Stasi-Mitarbeiter in Mecklenburg-Vorpommern, 2942 in Brandenburg, 800 in Thüringen, 4400 in Sachsen-Anhalt, 2733 in Berlin und 4101 in Sachsen und damit über 17 000 im öffentlichen Dienst gibt. Eine Dimension, "die keiner geahnt" habe, so Klaus Schroeder, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin. Der Direktor der Stasi-Unterlagenbehörde, Hans Altendorf, konnte diese Zahl nicht bestätigen. Das sei Sache der Landesbehörden.

Angesichts der Tatsache, dass es 91 000 fest angestellte und 182 000 inoffizielle Mitarbeiter bei der Stasi gegeben habe, hält der stellvertretende Leiter der Gedenkstätte für Stasi-Opfer Berlin-Hohenschönhausen, Siegfried Reiprich, die Zahl von 17 000 für realistisch. Reiprich meint, "die Kader der SED-Diktatur" seien im öffentlichen Dienst "völlig überrepräsentiert". Dem Abendblatt sagte er: "Sie sitzen ausgerechnet dort, wo es im Osten die sichersten und gemütlichsten Stellen gibt. Das ist sehr bitter für die Opfer und kein Ruhmesblatt für die deutsche Mehrheitsgesellschaft."

Zudem gebe es ein fatales Signal an die Jugend: "Wer sich in der DDR angepasst hat und Mitläufer oder sogar Mittäter war, wer andere denunziert hat, der schwimmt auch heute wieder oben." Kein Verständnis hat er dafür, dass unter den Personenschützern von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter ist. "Bei aller Sympathie für Angela Merkel, die gerade die Gedenkstätte Hohenschönhausen besucht und auch erkannt hat, was hier während der Diktatur passiert ist, kann ich nicht verstehen, wie sie einen solchen politischen Fehler machen kann", sagte er. Es ginge dabei vor allem "um die psychologisch-symbolische Wirkung".

Auch Wolfgang Bosbach zeigt sich darüber sehr erstaunt und fordert: "Sollte sich herausstellen, dass im Umfeld der Kanzlerin Personenschützer tätig sind, die hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi waren oder sogar Führungsfunktionen innehatten, halte ich das für unvereinbar mit dieser sensiblen Aufgabe."