Rund 17.000 ehemalige Stasi-Mitarbeiter sollen im öffentlichen Dienst geblieben sein. Unionsfraktionsvize Wolfgang Bosbach fordert jetzt eine neue Prüfung.

Hamburg. Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Unionsfraktion im Bundestag, Wolfgang Bosbach, hat eine neue Stasi-Überprüfung der Mitarbeiter in gehobenen Funktionen des öffentlichen Dienstes gefordert. „Es muss vor allem geklärt werden, ob die Angaben der Bewerber bei der Übernahme in den öffentlichen Dienst wahrheitsgemäß und vollständig gewesen sind", sagte der Unionspolitiker dem Hamburger Abendblatt (Freitag-Ausgabe). "Denn damals war nur ein geringer Teil der Stasi-Akten ausgewertet.“

Für Bosbach ist klar: „Wenn jemand eine Führungsfunktion bei der Staatssicherheit innehatte, scheidet er für Führungsfunktionen in der Bundesrepublik aus.“ Ansonsten müsse man differenziert betrachten, wie stark jemand mit der Stasi zusammengearbeitet habe und wo er heute im öffentlichen Dienst eingesetzt sei.

Sehr erstaunt zeigte sich der Innenexperte der Union darüber, dass unter den Personenschützern von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ein ehemaliger Stasi-Mitarbeiter ist. Er forderte: „Sollte sich herausstellen, dass im Umfeld der Kanzlerin Personenschützer tätig sind, die hauptamtliche Mitarbeiter der Stasi waren oder sogar Führungsfunktionen innehatten, halte ich das für unvereinbar mit dieser sensiblen Aufgabe.“

Am Donnerstag hatten die „Financial Times Deutschland“ berichtet, dass rund 17 000 frühere Mitarbeiter des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) trotz Prüfung im öffentlichen Dienst der Landesverwaltungen verblieben seien.

Das Blatt recherchierte demnach, dass 2247 davon in Mecklenburg-Vorpommern, 2942 in Brandenburg, 800 in Thüringen, 4400 in Sachsen-Anhalt, 2733 in der Berliner Verwaltung und 4101 in Sachsen beschäftigt blieben. Klaus Schroeder, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staat der Freien Universität Berlin, forderte eine klare Offenlegung der Bundesländer. Er geht von mehreren zehntausend ehemaligen Inoffiziellen Mitarbeitern der Stasi (IM) in Ministerien und Behörden aus.

„Das sind Dimensionen, die bisher keiner geahnt hat“, sagte Schroeder der „FTD“: „Die Überprüfungen waren sehr standardisiert und oberflächlich.“ Beispielsweise seien Zollbeamte oder Personenschützer zu großzügig behandelt worden. Sie galten politisch als eher unbedenklich.

Der Landesbeauftragte für Stasi-Unterlagen in Magdeburg, Gerhard Ruden, hält eine neue Überprüfung der Beschäftigten im öffentlichen Dienst für erforderlich. „Das ist eine Frage der politischen Hygiene“, sagte Ruden. Sinnvoll sei eine solche Prüfung, weil erst heute die Stasi-Akten zum allergrößten Teil erschlossen seien. Mitte der 90er Jahre seien drei Viertel der Akten noch gar nicht ausgewertet gewesen: „Damals unbeschriebene Blätter könnten inzwischen zu einer großen Belastung geworden sein.“