Weil es für Rot-Grün nach der Bundestagswahl nicht reichen dürfte, umwirbt die Spitzenkandidatin der Grünen, Renate Künast, jetzt die Christdemokraten.

Hamburg. Die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen, Renate Künast, will sich einer Koalition mit der Union nach der Bundestagswahl nicht mehr verschließen. „Mein Interesse ist es, möglichst viele Möglichkeiten für die Grünen zu haben", sagte sie dem Hamburger Abendblatt (Sonnabend-Ausgabe). "Man muss jede Chance, die es gibt, nutzen. Wichtig ist, dass eine ökologisch-soziale Politik möglich ist.“

Mit der SPD gebe es zwar die größten Schnittmengen, doch die Fraktionsvorsitzende zeigte sich auch enttäuscht über das schlechte Abschneiden des Wunschkoalitionspartners. „Die SPD hat ihren roten Faden nicht gefunden“, sagte Künast. Sie forderte die Sozialdemokraten auf, von ihrem Parteitag am Wochenende ein Signal der „klaren Zukunftsorientierung“ zu senden. „Sie muss sich der Umstrukturierung in der Gesellschaft stellen“, sagte Künast.

„Von der SPD, aber auch von der Union erwarte ich, dass sie aufhören, auf dem Rücken derer Wahlkampf zu machen, die jetzt Sorgen um ihre Arbeitsplätze haben", fügte Künast hinzu. "Der öffentliche Minister-Streit um Arcandor und die Zukunft der Karstadt-Warenhäuser ist völlig unangemessen." Statt überlegte Strategien auszuarbeiten, werde ein großes Wahlkampfgetöse veranstaltet, sagte die Grünen-Politikerin mit Blick auf die Kritik der Sozialdemokraten an Bundeswirtschaftsminister Karl Theodor zu Guttenberg (CSU). "Da erwarte ich ein Machtwort der Bundeskanzlerin.“

Zudem kritisierte Künast die ablehnende Haltung der Bundesregierung zur Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen. „Ich schäme mich für diese Bundesregierung.“ Gerade in dieser Zeit, wo US-Präsident Barack Obama zum Jahrestag der Invasion der alliierten Truppen in der Normandie gewesen sei, "und uns daran erinnert, dass sich während der Nazi-Zeit andere für uns und unsere Menschenrechte aufgeopfert haben". Es sei eine "bodenlose Unverschämheit von Schäuble", zu erklären, die USA solle ihr Problem selbst lösen.

Wer ernsthaft an Menschenrechten interessiert sei, müsse jetzt helfen, Guantánamo aufzulösen, sagte Künast. Die Grünen-Politikerin plädierte dafür, im Einzelfall zu prüfen, ob noch eine Gefahr von den Insassen ausgehe. „Aber die Tatsache, dass jemand in einem Terrorlager war, heißt nicht zwingend, dass von ihm immer noch eine Gefahr ausgeht“, sagte Künast. Obwohl die Debatte seit einem Jahr laufe, habe sich nun der Inselstaat Palau schneller als Deutschland zur Aufnahme der Uiguren aus Guantánamo entschieden. „Das ist ein Armutszeugnis für die Bundesrepublik“, sagte Künast.