Innenminister Hans-Peter Friedrich spricht nach lauter Kritik zum Führungswechsel bei der Bundespolizei erstmals über die Gründe des Rauswurfs.

Hamburg/Berlin. Noch nie hat der Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich seit seiner Amtsübernahme im März 2011 so unter Beschuss gestanden. Die umstrittene Entlassung der kompletten Spitze der Bundespolizei hat dem CSU-Politiker heftige undlaute Kritik eingebracht - und sogar Rücktrittsforderungen aus der Opposition. Friedrich sei seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen, so SPD-Innenexperte Michael Hartmann.

Jetzt meldet sich der Minister erstmals zu Wort. Er habe seiner Verantwortung gerecht werden müssen und die Entscheidung sei richtig gewesen, sagte er dem Abendblatt. Die Bundespolizei sei eine wichtige Säule in derSicherheitsarchitektur des Landes, wichtig auch für das Sicherheitsgefühl der Bürger. "Ich will, dass die Bundespolizei optimal arbeiten kann - von der Basis bis hin zur Spitze." Mit dem bisherigen Präsidenten Matthias Seeger habe er keine Zusammenarbeitsgrundlage mehr gehabt, "die es möglich gemacht hätte, in der Zukunft diese Aufgaben wahrzunehmen", so Friedrich.

Der Innenminister hatte Seeger am Montag ohne Angabe von Gründen von seinen Aufgaben entbunden. Auch dessen Stellvertreter Michael Frehse und Wolfgang Lohmann müssen ihre Posten räumen. Bereits am Wochenende war der Personalwechsel an der Spitze der Bundespolizei durchgesickert, also noch bevor die drei offiziell davonerfahren hatten.

Friedrich verteidigte sein Vorgehen der vergangenen Tage. "Wir haben die Betroffenen schon am Freitag gebeten, am Montag ins Ministerium zu kommen. Es war vorgesehen, dass ich dann dem Präsidenten auch die Entscheidung eröffne", sagte er. Leider sei esärgerlicherweise so, dass vorher bei den Medien etwas durchgesickert sei.

+++Innenminister Friedrich unter Beschuss+++

+++Friedrich will neuen Chef in Potsdam vorstellen+++

Heute will Friedrich dem Bundeskabinett Seegers designierten Nachfolger Dieter Romann, bisheriger Referatsleiter für Terrorismusbekämpfung im Innenministerium, als neuen Präsidenten der Behörde vorschlagen. Danach wird er zu Mitarbeitern der Bundespolizei in Potsdam sprechen und Romann die Ernennungsurkunde überreichen. Der Minister werde auch eine Rede halten, hieß es in Sicherheitskreisen. In Potsdam befindet sich der Hauptsitz der mit rund 40 000 Beamten größten deutschen Polizeibehörde, die für die Sicherheit im Bahnverkehr, an den Land- und Seegrenzen sowie auf den großen Flughäfen zuständig ist. DerInnenminister lobte Romann als "Experten mit sehr viel Leidenschaft und sehr viel Kompetenz in Sachen Bundespolizei". Zudem soll heute der neue Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, ernannt werden. Maaßen wird der Nachfolger von Heinz Fromm, der als Konsequenz aus der Affäre um vernichtete Akten beim Verfassungsschutz seinen vorzeitigen Rückzug in den Ruhestand bekannt gegeben hatte. Auch Maaßen war bisher Spitzenbeamter des Bundesinnenministeriums.

Die Opposition fuhr unterdessen schweres Geschütz gegen Friedrich auf und forderte eine Sondersitzung des Bundestags-Innenausschusses: "Innenminister Friedrich muss im Ausschuss Rede und Antwort stehen", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier der Deutschen Presse-Agentur. Dort müsse auch Matthias Seeger Gelegenheit erhalten, seinePosition darzustellen.

Das Gleiche fordern die Grünen. "Ja, die Absetzung von Präsident Seeger und seinen Stellvertretern wird Thema auf der nächsten Innenausschusssitzung sein", sagte der Obmann der Partei in dem Gremium, Wolfgang Wieland, der Nachrichtenagentur dapd. Friedrich müsse in der Sitzung "seine Umbauvorstellungen darlegen und erklären, wie er die strukturellen Probleme der Bundespolizei in den Griff kriegen will". Der Bundestag kommt regulär Mitte September wieder zusammen. Im Parlament wird auch über eine Sondersitzung diskutiert.

Der entlassene Bundespolizei-Chef Seeger warf Friedrich in der "Bild"-Zeitung politisches Kalkül vor: "Mein Eindruck ist, dass Friedrich rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2013 alle Führungsposten bei den deutschen Sicherheitsbehörden mit Leuten aus dem eigenen Ministerium neu besetzen will. Sie sollen als verlängerter Arm des BMI dienen und nicht zu viel Kritik üben", sagte er. Auf die Frage, welchen Grund sein Rauswurf gehabt haben könnte, antwortete er: "Ich war vielleicht zu kritisch in manchen Fragen und habe nicht zu allem Ja und Amen gesagt."

Der Bundesvorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, "diesem unwürdigen Verhalten bestimmter politischer Kreise Einhalt zu gebieten". Der Vorsitzende des BDK-Verbands Bundespolizei, Thomas Mischke, kritisierte: "Den Leiter einer Behörde mit 40 000 Beschäftigten auf eine derartige Weise zunächst öffentlich zu demontieren, durch Kommunikationsverweigerung zu erniedrigen und dann zu feuernist unentschuldbar."