Die Rating-Agentur aus den USA nimmt deutsche Bundesländer und Euro-Rettungsfonds EFSF ins Visier. Neues Geld für Athen gesucht.

Berlin. Keine Atempause in der Euro-Schuldenkrise: Nach dem Warnschuss für Deutschland hat die US-Rating-Agentur Moody's auch die sehr gute Bonität einzelner Bundesländer und des Euro-Rettungsschirms EFSF in Zweifel gezogen. Die Überprüfung der Länderratings erfolgt laut Moody's, weil Bund und Länder eng verflochten sind und im Notfall füreinander einstehen. Die gegenseitige Abhängigkeit gilt auch für den Rettungsfonds EFSF.

Moody's senkte den Ausblick von Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt von "stabil" auf "negativ". Die Bundesländer besitzen sehr gute Ratings, Bayern und Baden-Württemberg sogar die Bestnote von "Aaa" - wie auch Deutschland als Ganzes. Alle anderen Bundesländer werden von der Rating-Agentur nicht bewertet.

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Bayerns Finanzminister Markus Söder (CSU) sagte: "Die bayerischen Finanzen sind top. Wir zahlen sogar Schulden zurück." Es sei aber ein Alarmsignal, zwar nicht für Bayern, sondern für Europa. EFSF-Chef Klaus Regling reagierte gelassen und sagte in Luxemburg, "der negative Ausblick wiegt nicht die Tatsache auf, dass der EFSF trotz der unsteten Märkte ein etablierter und vertrauenswürdiger Emittent ist". Der Rettungsschirm besitzt wie Deutschland bislang noch die Rating-Bestnote von "Aaa".

Entscheidet sich Moody's am Ende tatsächlich für eine Abstufung, würde dies eine Kettenreaktion in Gang setzen. Auch Banken müssten dann mit schlechteren Ratings rechnen - genauso wie Staatsfirmen, die am Kapitalmarkt agieren. Moody's überprüft momentan auch die Ratings der Deutschen Flugsicherung und der Deutschen Bahn. Auch die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) - die Resterampe der gestrauchelten WestLB - könnte im Verbund mit Nordrhein-Westfalen abgestuft werden.

Die Euro-Staaten suchen unterdessen fieberhaft weiter nach Möglichkeiten, eine Pleite Griechenlands zu verhindern. Nach Informationen der "Welt" werden momentan verschiedene Optionen diskutiert, wie sich bestehende Verbindlichkeiten reduzieren lassen. Dazu soll die Europäische Zentralbank (EZB) auf Teile ihrer Forderungen verzichten. Zudem wird überlegt, eine Gruppe von privaten Gläubigern, die sich am Schuldenschnitt im März nicht beteiligt hatte, nun doch noch zur Kasse zu bitten.

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Derzeit prüft die Troika aus EU, EZB und Internationalem Währungsfonds (IWF) in Athen die Lage. Schon jetzt ist klar: Trotz des laufenden zweiten Rettungspakets, bei dem bis Ende 2014 insgesamt 164,4 Milliarden fließen sollen, braucht das Land zusätzliche Hilfe. Durch den Dauerwahlkampf der vergangenen Monate wurde das Land praktisch kaum regiert, viele Reformen wurden nicht umgesetzt. Nun soll im Finanzplan der griechischen Regierung ein Loch klaffen, von bis zu 50 Milliarden Euro ist die Rede.

Die Radikallösung: Wenn die Lücke nicht geschlossen wird, wäre Griechenland im Herbst pleite. Das könnte die Situation aber dramatisch verschlimmern, davor hatte auch Moody's gerade gewarnt. Hinzu kommt, dass der dauerhafte Euro-Rettungsschirm ESM immer noch nicht einsatzbereit ist. Und im provisorischen Vorgänger EFSF werden langsam die Mittel knapp.

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Deshalb favorisieren viele in Brüssel Plan B: Die Euro-Staaten sollen ein drittes Rettungspaket schnüren und den Griechen so mehr Geld geben. Davon halten allerdings viele Regierungen überhaupt nichts, allen voran Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Sie bekäme in der schwarz-gelben Koalition wohl keine Mehrheit mehr für neue Hilfen. Doch der Bundestag müsste ein drittes Rettungspaket beschließen. Merkel müsste ihre Koalition riskieren, um Athen zu stützen. Das hält man in Berlin für nahezu ausgeschlossen.

Eine dritte Variante, Plan C, wäre ein neuer Schuldenschnitt. Schon im Rahmen des zweiten Hilfsprogramms hatten Banken und Versicherungen auf 100 Milliarden Euro ihrer Forderungen verzichtet. Nun ist bei den privaten Gläubigern allerdings kaum mehr etwas zu holen. Dieses Mal müssten die öffentlichen Gläubiger verzichten. Das wären die Euro-Staaten, die bisher insgesamt Hilfskredite über 126 Milliarden Euro überwiesen haben. Das Problem: Die Darlehen haben eine lange Laufzeit und würden Griechenland deshalb nicht schnell entlasten.

An einem neuen Schuldenschnitt könnte sich zudem die EZB beteiligen. In Brüssel findet die Idee, dass die EZB auf einen Teil ihrer Forderungen verzichtet, Anhänger. In der Zentralbank selbst hält man davon allerdings wenig.

In der EU wird nun über eine vierte Möglichkeit nachgedacht, Plan D. Nach Informationen der "Welt" gibt es Überlegungen, dass die EZB nur auf ihre Buchgewinne verzichtet. Sie hat die griechischen Anleihen zu relativ niedrigen Kursen gekauft, zum Beispiel zu 70 Prozent des Nominalwerts. Sie bekommt von Athen allerdings die vollen 100 Prozent zurückgezahlt. Die Idee: Die Differenz erhält die griechische Regierung. Wahrscheinlich müsste das Geld über den Umweg der nationalen Notenbanken und Regierungen fließen. Ein ähnliches Modell wurde bereits beim zweiten Rettungspaket gewählt: Einige nationale Notenbanken hatten ebenfalls griechische Anleihen. Ihre Buchgewinne gaben sie an ihre Regierung, die reichten sie nach Athen weiter. So sollen während des Programms immerhin 1,8 Milliarden Euro zusammenkommen. Bei der EZB wäre nun deutlich mehr zu holen. Nach Schätzungen sollen die Buchgewinne zwischen zehn und 15 Milliarden Euro betragen. Allerdings würde das Geld wohl nur verzögert über die kommenden Jahre fließen, jeweils wenn eine Anleihe fällig wird, die bei der Zentralbank liegt. Der Vorteil aus Sicht der Politik: Für diese neue Unterstützung wäre wohl kein Beschluss des Bundestags notwendig.