Rating-Agentur zweifelt an Deutschlands Spitzenbonität. Koalition reagiert betont gelassen, doch intern wächst die Sorge um die Finanzkraft.

Berlin. Die Reaktion folgte prompt. Keine drei Minuten nachdem Moody's am späten Montagabend in London seine Zweifel an der deutschen Spitzenbonität verkündet hatte, kam die Replik aus dem Finanzministerium. Man nehme die Entscheidung der US-Rating-Agentur "zur Kenntnis", ließ Wolfgang Schäuble (CDU) mitteilen. "Die von ihr genannten Risiken in der Euro-Zone sind nicht neu, wobei die Einschätzung vor allem die kurzfristigen Risiken in den Vordergrund stellt, während längerfristige Stabilisierungsaussichten unerwähnt bleiben."

Damit gab der Finanzminister früh die Linie vor, der Spitzenpolitiker der schwarz-gelben Koalition gestern dann folgten: sanfte Kritik an der Rating-Agentur, aber keine drastischen Vorwürfe, die wie eine Panikreaktion wirken würden. Alles halb so wild - das ist die Devise. Schließlich darf sich Deutschland nach wie vor mit der besten Bonitätsnote, einem AAA (Moody's Schreibweise: Aaa), schmücken. Für Investoren heißt das: Der deutsche Staat gehört zu den weltweit verlässlichsten Gläubigern. Und für Schäuble wiederum: Er kann relativ geringe Zinsen bieten, um die Staatsanleihen loszuwerden. Und daran soll sich nichts ändern, auch wenn Moody's nun den Ausblick für Deutschland wegen der Risiken durch die Euro-Krise auf "negativ" setzte.

Dass sich nichts ändert, ist zumindest die Hoffnung. Die Märkte hätten weiterhin großes Vertrauen in die Bundesrepublik, meinte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle. "Teilweise bekommen wir sogar dafür Geld bezahlt, wenn wir unsere Staatsanleihen zum Kauf anbieten", sagte er der Zeitung "Die Welt". "Deutschland hat ein solides Wirtschaftswachstum, die Beschäftigungslage ist hervorragend und Schwarz-Gelb hat viel dafür getan, den Finanzsektor zu stabilisieren."

Auch der Vize-Vorsitzende der Unionsfraktion, Michael Meister (CDU), sieht keinen Grund zu Unruhe. "Die Vergabe der Bestnote zeigt, dass Deutschland wirtschaftlich und finanzpolitisch gut aufgestellt ist", sagte er. "Dieses Ergebnis sollten wir nicht zerreden", warnte der CDU-Finanzexperte. Er zeigte sich optimistisch, dass der Ausblick bald wieder auf stabil gesetzt werde. "Bei Fortsetzung der stabilitäts- und wachstumsorientierten Politik dieser Bundesregierung werden wir auch bald wieder einen stabilen Ausblick erwarten können."

Tatsächlich ist nicht gesagt, dass der Mahnung aus London auch eine Abstrafung folgt. Und trotzdem sorgt der Warnschuss für mehr Unruhe in Berlin, als die beschwichtigenden Worte der Koalitionäre erkennen lassen. So fürchtet man im Kanzleramt schon länger, dass die Verpflichtungen bei der Euro-Rettung irgendwann auch das Vertrauen der Investoren in Deutschlands Leistungsfähigkeit schmälern könnten. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat nervös auf Erklärungen eines Anlagefonds vor einigen Wochen reagiert, Bundesanleihen zu meiden. "Auch Deutschlands Kräfte sind nicht unbegrenzt", warnte sie im Bundestag.

+++ Warum Zinsen auch ohne „AAA" niedrig sein können +++


+++ Moody’s senkt Ausblick für Deutschland auf "negativ" +++

Deutschland haftet bei den Rettungsschirmen EFSF, ESM sowie bei dem Extra-Paket für Griechenland bereits insgesamt mit 310 Milliarden Euro. Das ist mehr als ein kompletter Bundeshaushalt an Risiken. Und wegen der Hilfe für die spanischen Banken könnten bis zu 29 Milliarden Euro hinzukommen. So begründet Moody's seine Entscheidung auch mit "Eventualverbindlichkeiten" aus der Euro-Rettung.

In der schwarz-gelben Koalition wachsen allerdings Bedenken gegen weitere Risiken. Vor allem aus Bayern sind kritische Töne zu hören, so auch gestern bei der Sitzung des Kabinetts in München. Deutschland müsse alles daransetzen, dass es zu keinem Vertrauensverlust auf den Finanzmärkten komme, gab CSU-Chef Seehofer als Linie aus. Die Leistungsfähigkeit Deutschlands müsse bei den Rettungsaktionen beachtet werden. Kategorisch ausgeschlossen hat die CSU-Spitze zudem ein drittes Hilfspaket für Griechenland, über das spekuliert wird.

Die Warnung von Moody's dürfte also dazu führen, dass in der Koalition die Bereitschaft sinkt, sich noch stärker bei der Krisenbekämpfung - etwa in Spanien oder Italien - zu engagieren. Damit hätte die US-Rating-Agentur genau das Gegenteil von dem erreicht, was ihr vorschwebt. Auch in der jüngsten Entscheidung kritisierte sie wieder die "abwägenden Reaktionen europäischer Politiker". Im Klartext: Die Bonitätsprüfer fordern einen großen Befreiungsschlag in der Euro-Zone. Das könnte die Vergemeinschaftung von Schulden bedeuten - oder einen stärkeren Einsatz der EZB. Das Kalkül: Wenn die Verbindlichkeiten aller Euro-Staaten zusammengeworfen werden, sinkt die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Währungsunion - und damit auch das Risiko, dass Deutschland seine Hilfskredite abschreiben muss.

Von dieser Logik hält man in der Koalition wenig. Brüderle sagte, dass die Bundesregierung wiederholt auf die Belastungsgrenzen Deutschlands hingewiesen habe. "Dies schließt jedwede Haftungsvergemeinschaftung aus." Vertrauen gewinne die Euro-Zone als Ganzes nur zurück, wenn die Nehmerländer ihre Reformzusagen einhalten würden.

Sie sollen durch harte Reformen und Sparsamkeit ihre Wettbewerbsfähigkeit zurückgewinnen. Ökonomen aus den USA und auch die Rating-Agenturen sehen hingegen auch systematische Fehler in der Euro-Zone. Nach ihrer Einschätzung kann eine Währungsunion nur funktionieren, wenn es eine gemeinsame Finanzpolitik gibt - und damit auch eine gemeinsame Haftung für Schulden oder Risiken von Banken.