Innerhalb von gut 15 Monaten ist der CDU-Mann vom mächtigen Ministerpräsidenten quasi zur persona non grata geworden. Sein Gebaren beim Kauf der EnBW-Anteile hat nun auch noch die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen.

Stuttgart. Der EnBW-Aktiengeschäft des früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Stefan Mappus ist nun auch ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Die Stuttgarter Ermittlungsbehörde hat gegen den CDU-Politiker und den ihn damals beratenden Banker Dirk Notheis ein Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Untreue und der Beihilfe zur Untreue eingeleitet, wie sie am Mittwoch mitteilte. 50 Polizeikräfte durchsuchten in diesem Zusammenhang Mappus' Haus in Pforzheim sowie Wohn- und Geschäftsräume in Mühlacker, Bad Soden, Ettlingen, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Karlsruhe und Stuttgart. Unter anderem wurden schriftliche Unterlagen und Datenträger sichergestellt.

Mappus hatte im Jahr 2010 unter der Regie des damaligen Morgan-Stanley-Deutschlandchefs Notheis über 45 Prozent der Aktien des baden-württembergischen Stromversorgers EnBW vom französischen Energieunternehmen EdF zurückgekauft. Das am Parlament vorbei eingefädelte Geschäft wurde später vom baden-württembergischen Staatsgerichtshof für verfassungswidrig erklärt.

Darüber hinaus rügte der Landesrechnungshof, dass Rechtsvorschriften grob verletzt worden seien und die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens nicht ausreichend geprüft worden sei. Mit der Aufklärung der Vorgänge ist derzeit ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss beschäftigt.

"Vermögensnachteil“ für das Land

Die Staatsanwaltschaft sieht in einem Gutachten des Landesrechnungshofs „zureichende tatsächliche Anhaltspunkte“ für den Tatverdacht, dass sich Mappus der Untreue und Notheis der Beihilfe zur Untreue strafbar gemacht haben. Die Ermittler stützen sich dabei auf die Beurteilung der Finanzexperten, wonach der Erwerb der Aktien am Energieunternehmen EnBW durch das Land nicht ordnungsgemäß vorbereitet und auf eine ausreichende Wirtschaftlichkeitsprüfung verzichtet worden sei.

Es gebe es außerdem zureichende „Anhaltspunkte für einen dem Land entstandenen Vermögensnachteil“. Es gebe keine „nachvollziehbaren Gründe“, warum der Vertrag nicht zu einem Kaufpreis von 39,90 Euro pro Aktie – der Preisuntergrenze des Eigentümers – abgeschlossen wurde. Das Land zahlte pro Aktie 41,50 Euro. Auch durch die Entscheidung für Morgan Stanley als Beraterbank könnte dem Land ein wirtschaftlicher Schaden entstanden sein, hieß es.

Die Bank erklärte nach der Durchsuchung ihrer Geschäftsräume, sie unterstütze die Untersuchung. Ihr früherer Deutschlandchef Notheis lässt seit Ende Juni seine Aufgaben ruhen.

Mappus hat Zeugnisverweigerungsrecht

Aufgrund der Ermittlungen hat Mappus vor dem Gremium, das ihn bereits am 9. März befragte, ein Zeugnisverweigerungsrecht, wie der Ausschussvorsitzende Ulrich Müller (CDU) sagte. Die Oppositionsfraktionen CDU und FDP wollten ihn allerdings noch einmal vorladen. Vorsitzender Müller sieht aber die Arbeit des Ausschusses nicht gefährdet.

Der CDU-Landesverband wollte sich zu den Vorwürfen zu Mappus nicht äußern. CDU-Landtagfraktion wurde laut ihrem Vorsitzenden Peter Hauk von der Tatsache, dass Ermittlungen eingeleitet wurden, nicht überrascht, wohl aber vom Zeitpunkt. Die Partei sei nicht auf einem Tiefpunkt angelangt, sagte Hauk. Man bemühe sich nun durch die Mitarbeit an der Aufklärung, „dass am Ende kein Geschmäckle an der CDU hängen bleibt“. Der Grünen-Obmann im EnBW-Untersuchungsausschuss, Uli Sckerl, sagte dapd, ein Ermittlungsverfahren habe sich abgezeichnet.

Mappus zahlte laut Gutachten zu hohen Preis

SPD-Finanzminister Nils Schmid präsentierte am Mittwoch ein Gutachten, das zu dem Ergebnis kommt, dass das Land damals 840 Millionen Euro zu viel zahlte. Es soll die Klage der grün-roten Landesregierung gegen den damaligen Eigentümer stützen, mit der sie 2 Milliarden Euro zurückfordert.

Laut der von Schmid beauftragten Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Warth & Klein Grant Thorton war das Aktienpaket damals 3,83 Milliarden Euro wert, tatsächlich wurden 4,67 Milliarden Euro bezahlt. Ein Rechtsgutachten der Kanzlei CBH belege zudem eine Verletzung der Beratungspflichten durch Morgan Stanley, sagte Schmid. Infrage stehe auch, ob die beratende Kanzlei Gleiss Lutz ausreichend über die haushalts- und verfassungsrechtlichen Risiken aufgeklärt habe.

Der Ankauf des EnBW-Aktienpakets durch das Land und die Folgen

Der Ankauf der EnBW-Anteile durch das Land Baden-Württemberg ist zu einem Politkrimi geworden. Nachdem bereits der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg das Geschäft für verfassungswidrig erklärte und der Rechnungshof zahlreiche Rechtsverstöße feststellte, ist das Vorgehen des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus und seines Beraters, dem Banker Dirk Notheis, nun ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Die wichtigsten Ereignisse der Aktienübernahme und ihrer Folgen:

19. Januar 2000: Der französische Stromversorger EdF übernimmt rund 25 Prozent der EnBW-Anteile vom Land Baden-Württemberg für etwa 2,4 Milliarden Euro.

6. Dezember 2010: Der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) gibt überraschend bekannt, die rund 45 Prozent Aktienanteile der EdF zurückkaufen zu wollen. Die Kosten beziffert er auf 4,67 Milliarden Euro. Der Landtag war in die Kaufentscheidung nicht eingebunden. Die Opposition begrüßt zunächst das Geschäft.

15. Dezember 2010: Im Landtag kommt es bei der Abstimmung über den Wiedereinstieg des Landes bei EnBW zum Eklat: Die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen verlassen aus Protest über die Art und Weise der Geschäftsabwicklung geschlossen den Saal. Die Mehrheit der Regierungsfraktionen aus CDU und FDP stimmen dem Kauf zu.

23. März 2011: Bei der Landtagswahl wird die schwarz-gelbe Landesregierung durch eine grün-rote Koalition abgelöst. Der EnBW-Deal hat den Wahlkampf stark bestimmt.

6. Oktober 2011: Der Staatsgerichtshof urteilt, dass die Landesregierung beim Ankauf des EnBW-Aktienpakets gegen die Landesverfassung verstoßen hat. Die Gelder für die Transaktion hätten nicht am Parlament vorbei bewilligt werden dürfen.

12. Oktober 2011: Der Landtagspräsident und frühere Finanzminister Willi Stächele (CDU) tritt nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zurück.

21. November 2011: Nach nur vier Monaten verlässt der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) den Pharmakonzern Merck. Als offizielle Begründung gibt er an, er wolle sich gegen die Vorwürfe wegen des EnBW-Deals verteidigen können.

3. Februar 2012: Der EnBW-Untersuchungsausschuss beginnt seine Arbeit mit dem Beschluss über die Beweisanträge.

16. Februar 2012: Die grün-rote Landesregierung verklagt die EdF vor einem Schiedsgericht wegen der Höhe des Kaufpreises der EnBW-Anteile.

9. März 2012: Ex-Ministerpräsident Mappus sagt vor dem Untersuchungsausschuss aus.

30. März 2012: Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis wird vom Ausschuss befragt.

25. Juni 2012: Nach Bekanntwerden neuer Details zu dem umstrittenen Deal verkündet Notheis eine berufliche „Auszeit“.

26. Juni 2012: Der Landesrechnungshof rügt zahlreiche Rechtsverstöße durch das Geschäft und wertet den Ankauf als unwirtschaftlich für das Land.

11. Juli 2012: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitet ein Ermittlungsverfahren gegen Mappus und Notheis ein. Mappus steht unter dem Verdacht der Untreue, gegen Notheis wird wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt.

Mit Material von dapd