Innerhalb von gut 15 Monaten ist der CDU-Mann vom mächtigen Ministerpräsidenten quasi zur persona non grata geworden. Sein Gebaren beim Kauf der EnBW-Anteile hat nun auch noch die Staatsanwaltschaft auf den Plan gerufen.

Stuttgart. Sein großes politisches Vorbild ist Helmut Kohl. Was für den früheren Bundeskanzler die CDU-Spendenaffäre war, ist für den ehemaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus nun der hoch umstrittene Rückkauf der Anteile am Energieversorger EnBW. Die Parallele drängt sich nicht nur deshalb auf, weil sich Mappus den Anwalt Stephan Holthoff-Pförtner an seine Seite geholt hat, der Kohl damals gegen Vorwürfe der illegalen Parteienfinanzierung verteidigt hatte.

Für die CDU im Südwesten hat die EnBW-Affäre eine ähnlich zerstörerische Wirkung wie seinerzeit die Spendenaffäre für die Union im Bund. Das Entsetzen über ihren einstigen Vormann Mappus kannte schon bis Mittwoch kaum Grenzen. Doch es kommt noch schlimmer: Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Mappus wegen Untreue.

Mappus gibt sich störrisch – auch das erinnert an Kohl, der seine geheimen Spender bis heute nicht nennen will. Der bullige Pforzheimer hält den Milliarden-Deal – abgeschlossen wenige Monate vor der Landtagswahl 2011 – weiter für ein gutes Geschäft. Und das, obwohl der Staatsgerichtshof in Baden-Württemberg dem mittlerweile abgewählten CDU-Mann schon im Herbst 2011 einen Verfassungsbruch bescheinigte, weil er den Landtag ausgeschaltet hatte.

Aber nicht genug: Seit Anfang des Jahres durchleuchtet ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss den Deal und fördert ständig neue Enthüllungen zutage. Es entsteht durch interne E-Mails der Eindruck, als habe der Investmentbanker Dirk Notheis seinen alten Freund aus Zeiten der Jungen Union als Marionette benutzt. CDU-Landeschef Thomas Strobl resignierte: „Man kann das niemandem mehr erklären.“

Der Landesrechnungshof gab Mappus Ende Juni in einem Gutachten den letzten Rest: Die Kontrolleure hielten dem heute 46-Jährigen große Versäumnisse bei der Vorbereitung des Geschäfts vor. Mappus habe ohne Not aufs Tempo gedrückt und somit eine sorgfältige rechtliche und wirtschaftliche Prüfung verhindert. Diese Argumentation hat sich die Staatsanwaltschaft Stuttgart nun fast eins zu eins zu eigen gemacht. Der zentrale Vorwurf lautet: Mappus habe den Mega-Deal schlampig vorbereitet und dadurch zu viel für die 45 Prozent an dem Energieversorger bezahlt. Untreue kann mit einer Haftstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldbuße belegt werden.

Für Mappus wird die EnBW-Affäre somit immer mehr zum Alptraum. Ende März 2011 hatte der lautstarke Verfechter der Atomkraft knapp gegen Grün-Rot die Wahl verloren, auch weil kurz vorher das Kernkraftwerk in Fukushima explodiert war. Aus der Politik zog er sich zurück, um als Manager bei dem Darmstädter Pharmakonzern Merck anzuheuern. Doch nach dem Urteil des Staatsgerichtshofs wurde Mappus für den Dax-Konzern immer mehr zur Belastung. Er nahm seinen Hut - offiziell, um sich seiner Verteidigung im U-Ausschuss widmen zu können. Sein Kumpel Notheis nahm bei Morgan Stanley eine Auszeit. Insider sagen: Der kommt nicht wieder.

Auch Mappus will weg – aus Deutschland. Zwar hat der Hobby-Flieger immer erklärt: „Gute Piloten starten gegen den Wind.“ Doch angesichts des Orkans, der ihm ins Gesicht bläst, plant er schon länger, Anfang 2013 einen Job im Ausland anzunehmen. Sogar das könnte nun wegen der Ermittlungen schwierig werden.

In der CDU ist es einsam um Mappus geworden. Nur in seiner Heimatstadt Pforzheim klopft der eine oder andere dem einstigen Hoffnungsträger der Konservativen noch auf die Schulter. Sein langjähriger Gegenspieler, der heutige CDU-Fraktionschef Peter Hauk, versuchte am Mittwoch, zu retten, was kaum zu retten ist: „Das ist nicht Politikstil der CDU.“ Die Union sei 58 Jahre an der Macht gewesen, die Ära Mappus stelle nur einen Bruchteil davon dar. Es dürfe kein „Geschmäckle“ bleiben. Aber: Eine Rückkehr an die Macht scheint in weite Ferne gerückt. Denn der erste grüne Regierungschef Winfried Kretschmann und seine Koalition sonnen sich im Umfragehoch.

Der Ankauf des EnBW-Aktienpakets durch das Land und die Folgen

Der Ankauf der EnBW-Anteile durch das Land Baden-Württemberg ist zu einem Politkrimi geworden. Nachdem bereits der Staatsgerichtshof Baden-Württemberg das Geschäft für verfassungswidrig erklärte und der Rechnungshof zahlreiche Rechtsverstöße feststellte, ist das Vorgehen des früheren Ministerpräsidenten Stefan Mappus und seines Beraters, dem Banker Dirk Notheis, nun ein Fall für die Staatsanwaltschaft. Die wichtigsten Ereignisse der Aktienübernahme und ihrer Folgen:

19. Januar 2000: Der französische Stromversorger EdF übernimmt rund 25 Prozent der EnBW-Anteile vom Land Baden-Württemberg für etwa 2,4 Milliarden Euro.

6. Dezember 2010: Der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) gibt überraschend bekannt, die rund 45 Prozent Aktienanteile der EdF zurückkaufen zu wollen. Die Kosten beziffert er auf 4,67 Milliarden Euro. Der Landtag war in die Kaufentscheidung nicht eingebunden. Die Opposition begrüßt zunächst das Geschäft.

15. Dezember 2010: Im Landtag kommt es bei der Abstimmung über den Wiedereinstieg des Landes bei EnBW zum Eklat: Die Oppositionsfraktionen von SPD und Grünen verlassen aus Protest über die Art und Weise der Geschäftsabwicklung geschlossen den Saal. Die Mehrheit der Regierungsfraktionen aus CDU und FDP stimmen dem Kauf zu.

23. März 2011: Bei der Landtagswahl wird die schwarz-gelbe Landesregierung durch eine grün-rote Koalition abgelöst. Der EnBW-Deal hat den Wahlkampf stark bestimmt.

6. Oktober 2011: Der Staatsgerichtshof urteilt, dass die Landesregierung beim Ankauf des EnBW-Aktienpakets gegen die Landesverfassung verstoßen hat. Die Gelder für die Transaktion hätten nicht am Parlament vorbei bewilligt werden dürfen.

12. Oktober 2011: Der Landtagspräsident und frühere Finanzminister Willi Stächele (CDU) tritt nach der Entscheidung des Staatsgerichtshofs zurück.

21. November 2011: Nach nur vier Monaten verlässt der ehemalige Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) den Pharmakonzern Merck. Als offizielle Begründung gibt er an, er wolle sich gegen die Vorwürfe wegen des EnBW-Deals verteidigen können.

3. Februar 2012: Der EnBW-Untersuchungsausschuss beginnt seine Arbeit mit dem Beschluss über die Beweisanträge.

16. Februar 2012: Die grün-rote Landesregierung verklagt die EdF vor einem Schiedsgericht wegen der Höhe des Kaufpreises der EnBW-Anteile.

9. März 2012: Ex-Ministerpräsident Mappus sagt vor dem Untersuchungsausschuss aus.

30. März 2012: Morgan-Stanley-Deutschland-Chef Dirk Notheis wird vom Ausschuss befragt.

25. Juni 2012: Nach Bekanntwerden neuer Details zu dem umstrittenen Deal verkündet Notheis eine berufliche „Auszeit“.

26. Juni 2012: Der Landesrechnungshof rügt zahlreiche Rechtsverstöße durch das Geschäft und wertet den Ankauf als unwirtschaftlich für das Land.

11. Juli 2012: Die Staatsanwaltschaft Stuttgart leitet ein Ermittlungsverfahren gegen Mappus und Notheis ein. Mappus steht unter dem Verdacht der Untreue, gegen Notheis wird wegen Beihilfe zur Untreue ermittelt.

Mit Material von rtr und dapd