Debatte um Verhalten des Bundespräsidenten geht weiter. Auch sein entlassener Sprecher Olaf Glaeseker soll in die Affäre verwickelt sein.

Berlin. So richtig aufgegangen ist das Kalkül des Bundespräsidenten nicht. Nach seiner öffentlichen Entschuldigung am Donnerstag sollte der Rummel um ein mögliches Fehlverhalten von Christian Wulff eigentlich vorbei sein. Nur noch die schönen Bilder sollten dominieren, vor allem die von der Weihnachtsansprache, zu der der Bundespräsident wie schon im letzten Jahr Gäste ins Schloss Bellevue eingeladen hat. Vor allem Kinder sind unter ihnen, auch Feuerwehrleute, engagierte Menschen mit Ehrenämtern und auch in diesem Jahr eingebürgerte Menschen mit ausländischen Wurzeln. Doch zu dem erhofften Abklingen der erhitzten Debatte kommt es nicht.

Auch Peter Altmaier wünscht sich vor allem eines: ein bisschen Frieden. Er ist der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag und in den vergangenen Tagen immer dann vorgeschickt worden, wenn es darum ging, den Bundespräsidenten zu verteidigen. Auch am Freitag steht Altmaier wieder im ARD-Morgenmagazin vor den Kameras. Wulff habe mit seiner "Aussage des Bedauerns" einen Schritt auf seine Kritiker zu gemacht, sagt Altmaier. Das sollte Anlass sein, die Diskussion "wenigstens über die Weihnachtsfeiertage" bis ins neue Jahr zu den Akten zu legen. Die Vorwürfe seien ja zu einem erheblichen Teil bereits aufgeklärt, findet der CDU-Politiker.

Was Altmaier vielleicht schon absehen konnte: Die Opposition bohrt weiter. Etwa für SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier "sind noch eine ganze Reihe Fragen offen, die nach einer plausiblen Antwort suchen", wie er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung" sagte. Dazu gehören für Steinmeier die "Sonderkonditionen der BW-Bank" für den Anschlusskredit des Ehepaars Wulff über 500.000 Euro, mit dem der umstrittene Privatkredit beim Unternehmerehepaar Geerkens später abgelöst wurde. Der SPD-Fraktionsvize Hubertus Heil lässt bei der Frage nicht locker, ob Wulff bei der Annahme eines zinsgünstigen Kredites gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen hat.

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Was Altmaier nicht absehen konnte und wenn überhaupt nur heimlich befürchtet hat, ist das Auftauchen neuer Details zum Fall: Belastet wird laut "Stern" jetzt offenbar auch Wulffs erst am Donnerstag überraschend entlassener Pressechef und Vertrauter Olaf Glaeseker. Wie das Magazin berichtet, soll der 50-Jährige in seiner Zeit als Regierungssprecher in Hannover mehrfach Urlaubseinladungen des niedersächsischen Unternehmers Manfred Schmidt nach Spanien und Südfrankreich angenommen haben. Es hatte bereits gerüchteweise geheißen, Glaeseker habe sich deshalb von seinem Posten zurückgezogen, um sich und seine Familie im Falle einer öffentlichen Diskussion zu schützen.

Weiter im Fokus steht Wulff: Auch gegen ihn werden im Zusammenhang mit Schmidt Vorwürfe erhoben. Schmidt ist Eventmanager und hatte 2009 die Veranstaltung "Nord-Süd-Dialog" organisiert. Die niedersächsische SPD-Fraktion hatte dazu 2010 nach eigenen Angaben Fragen zur Finanzierung gestellt. Die Landesregierung habe mitgeteilt, es handele sich um eine Privatveranstaltung ohne Beteiligung/Finanzierung durch das Land Niedersachsen. Der "Spiegel" berichtet allerdings, die Staatskanzlei sei am Einwerben der Sponsorengelder beteiligt gewesen, die dann an Schmidt geflossen seien. Sollten sich die Informationen bewahrheiten, habe die Staatskanzlei unter dem damaligen Regierungschef Wulff dem Parlament die Unwahrheit gesagt, heißt es nun in der SPD-Fraktion. Bei der Staatskanzlei bestreitet man, in Wulffs Amtszeit an der Sponsorenwerbung für privat organisierte Veranstaltungen von Politikern und Unternehmern beteiligt gewesen zu sein.

Dass Wulff sich in Kürze wieder zu den Vorwürfen äußern wird, ist nicht zu erwarten. Auch in seiner Weihnachtsansprache geht er auf dieses Thema nicht ein. Die Rede wurde bereits am Mittwoch aufgezeichnet und wird am Sonntag ausgestrahlt. Ein Schwerpunkt darin ist das Thema Europa, das "für die großen Werte der Freiheit, der Menschenrechte und der sozialen Sicherheit" stehe, wie Wulff sagt. "All das ist in unserem Europa nur gemeinsam zu erhalten. Wer etwas anderes sagt, findet vielleicht kurzfristig Beifall. Aber er irrt sich", so der Bundespräsident. "Wir Deutschen haben selber immer wieder europäische Solidarität erfahren, und wir sind auch zukünftig solidarisch gegenüber Europa." Auch die Neonazi-Mordserie nimmt viel Rederaum ein: "Alle müssen in unserem Land in Sicherheit leben können. Das gilt für jede und für jeden", sagt Wulff. "Wir schulden nicht nur den Opfern die lückenlose Aufklärung dieser Verbrechen und die unnachsichtige Verfolgung der Täter und ihrer gewissenloser Unterstützer."

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Es ist die Rede des Bundespräsidenten Wulff, nicht die des in Verruf geratenen Politikers Wulff. Eine Rede vor schöner Kulisse. Die Rede, die ein bisschen Frieden stiftet und vielleicht auch Peter Altmaier ein paar Tage Sendepause beschert. Der Fraktionsgeschäftsführer glaubt, dass sich die Debatte Anfang 2012 schnell beruhigen wird. Es ist nicht davon auszugehen, dass die Opposition ihm diesen Gefallen tun wird.