FDP-Politiker über ihren Parteichef: Es sei “wenig zielführend“, “keine glückliche Entscheidung“ und spreche für “realtiv schwache Nerven“.

Berlin. Bei den Liberalen mehren sich die kritischen Stimmen an Philipp Rösler. Der Parteichef hatte den Euro-Mitgliederentscheid am Wochenende bereits drei Tage vor Abgabeschluss für gescheitert erklärt. „Das ist keine glückliche Erklärung gewesen, um es freundlich zu formulieren“, sagte der schleswig-holsteinische FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki. „Ich halte Äußerungen über den Mitgliederentscheid bis zu seiner Beendigung für wenig zielführend“, fügte das Mitglied des Bundesvorstands hinzu. FDP-Politiker Burhards Hirsch formulierte es noch etwas schärfer. Es spreche für "relativ schwache Nerven", so Hirsch gegenüber dem "Tagesspiegel". Rösler erweise sich damit womöglich einen „Bärendienst“, weil sein Vorpreschen dazu führen könnte, dass bis Dienstag noch viele FDP-Mitglieder ihre Stimme abgeben. Wenn die nötige Stimmenzahl für die Abstimmung nicht erreicht werde, sei das „für eine Parteiführung peinlich“, sagte Hirsch.

Der Chef der Jungen Liberalen (JuLis), Lasse Becker, äußerte ebenfalls Kritik an Rösler. In der Tat sei es zwar ungewiss, ob das Quorum erreicht werde, er halte die Aussage aber nicht für angemessen. Geschickter wäre es gewesen, wenn die Parteispitze noch mal zur Abstimmung aufgerufen und für den Beschluss des Bundesvorstands geworben hätte, so Becker. Die Parteispitze wehrte sich gegen den Vorwurf, sie gebe den Mitgliederentscheid zu früh verloren. Die Führung der Partei wünsche sich, dass das Quorum von 30 Prozent erreicht werde, sagte Generalsekretär Christian Lindner. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit werde dies allerdings nicht der Fall sein. Der Kurs der FDP-Führung in der Euro-Krise wäre damit bestätigt.

+++ Lindner: Europa-Skeptiker passen nicht zur FDP +++

Der Mitgliederentscheid ist für die FDP von enormer Bedeutung. Die Parteiführung will damit ihren pro-europäischen Kurs unterstreichen. Der Initiator des Mitgliederentscheids, der Bundestagsabgeordnete Frank Schäffler, und seine Anhänger wollen die Position der FDP in der Euro-Krise dagegen kippen. Würden sie gewinnen, kämen die Liberalen bei der Abstimmung über den dauerhaften Rettungsmechanismus ESM in Bredouille. Damit wäre auch die schwarz-gelbe Koalition bedroht. Allerdings müssen sich 30 Prozent der Mitglieder beteiligen, damit der Entscheid gültig ist. Bis zum Wochenende waren erst rund 16.000 der notwendigen 21.500 Stimmen eingegangen. Rösler hatte vor diesem Hintergrund verkündet, er gehe davon aus, dass das Quorum nicht erreicht werde. „Dies bedeutet: Frank Schäffler ist gescheitert.“

Kubicki sagte, er könne den Unmut von Mitgliedern über Röslers Äußerungen verstehen, mit denen er frühzeitig den Initiatoren eine Niederlage bescheinigt hatte. „Wir hätten uns überhaupt nichts vergeben, wenn er noch drei Tage damit gewartet hätte“, sagte Kubicki. Schäffler sagte: „Als guter Demokrat sollte man erst mal abwarten, wie die Basis abstimmt, und das dann hinterher bewerten.“ Die Basis, die 200 Veranstaltungen organisiert und viel Zeit investiert habe, habe dies nicht motiviert. Schäffler unterstrich, er werde auch bei einer Niederlage in der FDP bleiben, der er seit 24 Jahren angehöre.

Lindner, der am Montag keine neuen Zahlen nennen wollte, verteidigte die Äußerungen seines Vorsitzenden. Rösler habe nicht den Entscheid sondern das Ansinnen Schäfflers, die Position der Parteispitze zu verändern, für gescheitert erklärt. Zudem bekräftigte Lindner, mit der geringen Beteiligung werde der Kurs der Parteiführung bestätigt. Eine Mehrheit der Mitglieder sehe offenbar kein Erfordernis, den Kurs der FDP in dieser Frage zu korrigieren. Sich nicht zu beteiligen, sei letztlich auch eine „aktive taktische Entscheidung“. Mancher habe den Korrekturbedarf in der FDP beim Thema Euro überschätzt.

Lindner wies auch Vorwürfe zurück, das Verfahren laufe nicht korrekt. Die in Medien genannte Zahl von 3000 Stimmzetteln, die wegen Fehlens der erforderlichen persönlichen Erklärung nicht zur Abstimmung zugelassen worden seien, bezeichnete er als „aus der Luft gegriffen“. Schäffler hatte das Wahlverfahren als zu kompliziert kritisiert. Viele hätten die persönliche Erklärung vergessen. Diese ist in den Unterlagen auf einer anderen Seite zu finden als die Stimmzettel.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat den Ablauf des Mitgliederentscheids über den Euro-Rettungsschirm ESM ebenfalls kritisiert. Es sei ein unglaublicher Vorgang, dass der Parteivorsitzende das Ergebnis vorzeitig verkündet habe. „Das entwertet das ganze Verfahren, das ist ein Hohn für jedes einzelne FDP-Mitglied.“ Damit zeige sich, dass die neue Führung nicht die Kraft habe, "sich dem Votum ihrer eigenen Mitglieder zu stellen", sagte Nahles weiter.

Lindner bekräftigte jedoch, dass es für die Abgeordneten kein imperatives Mandat gebe. Werde das Quorum nicht erreicht, diene das Ergebnis den einzelnen nur als Orientierung und der Entscheid werde nur als Befragung gewertet. (rtr, ddp abendblatt.de)