Grube zollte auch den Gegnern Respekt. Die grün-rote Landesregierung will jetzt die Hürden für die Mitbestimmung der Bürger senken.

Stuttgart/Berlin. Nach der Volksabstimmung über „Stuttgart 21“ hat die Deutsche Bahn an die Landesregierung von Baden-Württemberg appelliert, das Projekt aktiv zu unterstützen. Eine kritische Begleitung des Vorhabens durch die Landesregierung reiche nicht aus, sagte Technikvorstand Volker Kefer am Montag in Berlin. Bahnchef Rüdiger Grube betonte, die Bahn wolle alles tun, um das Projekt so schnell wie möglich und innerhalb der veranschlagten Kosten das Projekt zu realisieren.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hatte das Mehrheitsvotum für „Stuttgart 21“ akzeptiert, aber von der Bahn eine Erklärung gefordert, dass sie Kosten übernehmen werde, die über den bisherigen Rahmen von 4,5 Milliarden Euro hinausgehen. Kefer sagte dazu, der Bahn sei nichts anderes bekannt als das, was durch den bisherigen Kostenrahmen vorgegeben sei. Zugleich verwies der Technikvorstand darauf, dass Infrastrukturprojekte einer solchen Größenordnung immer unter einem Risikovorbehalt stünden. Gemeinsam mit der Landesregierung wolle man die Risiken vermeiden und minimieren.

Grube zeigte sich erfreut über das Votum der Baden-Württemberger für „Stuttgart 21“. Der Bahnchef sprach von einem sehr guten Ergebnis für das Land Baden-Württemberg, für die Stadt, die Region und ganz Deutschland. Die Menschen im Südwesten hätten eine eindeutige Entscheidung getroffen. Es habe sich gezeigt, dass die Bürger verantwortungsvoll mit langfristig notwendigen Investitionsentscheidungen umgehen.

Respekt zollte Grube auch jenen, die gegen „Stuttgart 21“ gestimmt hätten. Ihre Meinung sei der Bahn immer sehr wichtig gewesen. Die Bahn werde sich auch weiterhin dem Dialog mit den Bürgern stellen, versicherte der Bahnchef. Die Bahn habe bei den Diskussionen um „Stuttgart 21“ viel gelernt.

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+++ Stuttgart 21: Das Volk hat das Wort +++

Kefer stellte die weiteren Schritte zur Realisierung des Bahnprojektes vor. Am Morgen habe es bereits die ersten Kontakte zur Landesregierung gegeben. Die Bahn werde nun weitere Vergabeverhandlungen führen. Um den Jahreswechsel sei hier mit einigermaßen konkreten Ergebnissen zu rechnen. Der Abriss des Südflügels des alten Bahnhofs soll Anfang nächsten Jahres beginnen. Fortgesetzt werde der Aufbau der Leitungen für das sogenannte Grundwassermanagement.

Die grün-rote Landesregierung will jetzt die Hürden für die Mitbestimmung der Bürger senken. Das vorgeschriebene Quorum für Plebiszite soll drastisch reduziert werden. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagte am Montag in Stuttgart: „Die Landesverfassung sollte unserer Ansicht nach geändert werden.“ Darin ist die Hürde von derzeit einem Drittel der Wahlberechtigten festgeschrieben, an der am Sonntag die Stuttgart-21-Gegner klar scheiterten.

SPD-Landeschef und Finanzminister Nils Schmid sagte, dass die Verfassung bis zum nächsten Sommer einvernehmlich mit allen Landtagsfraktionen geändert werden könne. Er begrüße den Vorschlag der FDP eines Quorums von 20 Prozent. „Ich feilsche aber nicht um Prozentpunkte“, sagte der Vize-Regierungschef der Nachrichtenagentur dpa. „Entscheidend ist, dass wir zu einer deutlichen Absenkung kommen.“

Vor rund einem Jahr hatte die damalige Opposition von SPD und Grüne den Antrag von Schwarz-Gelb, das Quorum auf 25 Prozent zu senken, abgelehnt. Die Oppositionsparteien wollten eine stärkere Absenkung. Vor der S21-Volksabstimmung wiederholte sich die Debatte nach dem Machtwechsel mit umgekehrten Vorzeichen: Grün-Rot wollte das Quorum für eine gültige Volksabstimmung von 33,33 auf 20 Prozent der Wahlberechtigten senken. Die FDP signalisierte Zustimmung, aber die CDU-Fraktion lehnte ab, weil sie nach eigenen Angaben nicht „den Steigbügelhalter für den Ausstieg aus Stuttgart 21 machen“ wollte.

Für eine Änderung der Landesverfassung ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Landtag notwendig, die ohne die CDU-Fraktion nicht erreicht wird.

Schmid kündigte an, die Regierung wolle sich zudem dafür einsetzen, dass Volksbegehren leichter eingeführt werden können. Die Zahl der dafür benötigten Unterschriften der Bürger solle verringert und der Zeitraum zum Sammeln verlängert werden.

Bestätigt sah sich Schmid angesichts der Abstimmungsbeteiligung von 48,3 Prozent beim Referendum über S21. Im Gespräch mit der „Stuttgarter Zeitung“ (Montag) bewertete er das als „starkes Votum für diese von der SPD vorgeschlagene Abstimmung. (...) Das ermutigt uns, den Weg für weitere Volksabstimmungen zu erleichtern“. (dapd/dpa)