Der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Bundestagsfraktion über die CDU, die FDP und die K-Frage der Sozialdemokraten.

Berlin. Er gilt als Mann der klaren Worte. Im Interview stellt Thomas Oppermann unter Beweis, wie heftig er gegen die Koalition austeilen kann.

Hamburger Abendblatt: Herr Oppermann, nehmen wir mal an, Sie wären sowohl bei der FDP als auch bei der CDU zum Parteitag eingeladen. Wohin würden Sie gehen?

Thomas Oppermann: Das sind keine interessanten Veranstaltungen. Obwohl die Wende von Angela Merkel schon atemberaubend ist: Beim CDU-Parteitag 2003 in Leipzig war sie für die entfesselten Märkte, 2011 gibt sie in Leipzig die Kehrtwende-Kanzlerin. Mit ihrem Zickzackkurs bei Atomausstieg, Mindestlohn und Wehrpflicht hat sie aus der CDU eine seelenlose Partei gemacht. Weil die Chancen der FDP, im nächsten Bundestag noch vertreten zu sein, gering sind, würde ich eher zum CDU-Parteitag gehen.

Die FDP regiert sichtlich unglücklich mit der Union. Wäre die SPD der bessere Partner der Liberalen?

Sozialliberale Politik ist attraktiv für Deutschland. Die FDP ist aber keine liberale Partei mit sozialer Verantwortung mehr. Sie findet keinen Rückweg aus ihrer marktradikalen Ideologie. Ihr Versuch, sich neu zu erfinden, ist bisher gescheitert. Die FDP ist daher weiterhin kein Partner für die SPD. Die Rolle der liberalen Partei haben die Grünen übernommen, teilweise auch die Piraten.

Was muss sich tun, damit Sie eines Tages positiver über die FDP sprechen?

Die FDP braucht dringend die Regeneration in der Opposition. Diese Partei hat keine Chance mehr, in der Regierung wieder auf die Beine zu kommen. Merkel hat die FDP doch längst abgeschrieben. Und: Mit dem Mitgliederentscheid über die Euro-Rettung sind nun die Geister gekommen, die die FDP mit ihrem eigenen Anti-Euro-Populismus gerufen hat.

Die CDU müsste Sie gehörig nerven. Mit ihrem Mindestlohnvorstoß gräbt sie der SPD wieder ein Thema ab.

Nein. Die CDU müsste seit Guttenberg wissen, dass sich Plagiate nicht lohnen. Am Ende werden die Wähler das Original wählen und nicht die Kopie. Der Profilverlust ist für die CDU ein großes Problem. Merkel hat ihre Partei entkernt. Wir fühlen uns als historische Sieger. Die CDU schwenkt beim Mindestlohn wie bereits bei der Abschaffung der Wehrpflicht und der Hauptschule auf unseren Kurs ein. Wir haben uns durchgesetzt.

Unterstützen Sie die Idee, eine Kommission für Mindestlöhne einzurichten?

Bisher hat die Union eine solche Idee immer abgelehnt. Wir sind gespannt, ob sie nun auf ihrem Parteitag nicht in Wirklichkeit nur einen Formelkompromiss beschließt. Für uns ist nach wie vor wichtig, dass Menschen, die Vollzeit arbeiten, davon auch leben können. Wir brauchen daher eine allgemein verbindliche Lohnuntergrenze, die nirgendwo unterschritten werden darf. Wir stellen uns wie der DGB einen Mindestlohn von 8,50 Euro vor.

DGB-Chef Sommer sagt, der nächste SPD-Kanzlerkandidat sollte schon Wahlen gewonnen haben. Stimmen Sie zu?

Das kann und wird nicht das einzige Kriterium sein. Wir werden den Kandidaten nominieren, der die besten Chancen hat, Kanzler zu werden.

Wer ist Ihr Favorit?

Meine Favoriten sind Sigmar Gabriel, Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück.

Helmut Schmidt hat seinen Kandidaten schon benannt: Steinbrück. Tut der Altkanzler der SPD damit einen Gefallen?

Helmut Schmidt ist eine in der SPD und in Deutschland hoch geachtete Persönlichkeit. Wenn er einen sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten favorisiert, dann zeigt das vielen Deutschen, dass die Zeit Angela Merkels abgelaufen ist. Aber wir bleiben bei unserem Zeitplan: Ende 2012 oder Anfang 2013 legen wir uns fest.

Herr Oppermann, ist die Euro-Rettung das große Dilemma für die Opposition?

Nein. Die Euro-Krise ist das Dilemma von Angela Merkel. Sie hat sich immer weiter von den Märkten treiben lassen und diese Krise nicht in den Griff bekommen. Kein Wunder, dass selbst die eigene Partei Schwierigkeiten hat, ihr zu folgen. Merkel fehlt jede Gesamtstrategie. Sie hat Europa an den Abgrund manövriert.

Vielleicht haben Sie ein schlechtes Gewissen. Rot-Grün hat seinerzeit die Stabilitätskriterien aufgeweicht. Bereuen Sie den Schritt?

Angela Merkels Kritik an der Lockerung des Stabilitätspakts ist unaufrichtig. Wir haben heute mehr als zwei Billionen Euro Schulden und verstoßen mit über 80 Prozent Gesamtverschuldung in Deutschland eindeutig gegen die Stabilitätskriterien. Trotzdem will die Kanzlerin die Schulden weiter erhöhen, um Steuern zu senken. Damit hat sie sich als Kritikerin unglaubwürdig gemacht.

Was haben Sie eigentlich gegen Steuergerechtigkeit?

Steuerentlastungen sind momentan ein politisch grundfalsches Signal. Die Bundeskanzlerin ruft die europäischen Länder auf, die Haushalte zu sanieren. Gleichzeitig senkt sie in Deutschland Steuern auf Pump. Merkel kann nicht in Europa Wasser predigen und in Deutschland Wein trinken. Inmitten der größten Schuldenkrise Europas wartet kein Mensch in Deutschland auf Steuersenkungen. Die Bürger wollen, dass wir die Schulden senken.

Steuererhöhungen durch die kalte Progression kann die SPD nicht wollen.

Die kalte Progression ist insbesondere für mittlere Einkommensgruppen eine unangenehme Folge unseres Steuersystems. Im Augenblick gibt es aber keine finanziellen Spielräume, dieses Problem zu lösen. Geld, das nicht da ist, können wir nicht ausgeben. Was jetzt kommen muss, sind kräftige Lohnerhöhungen. Jetzt müssen die Arbeitnehmer ihren Anteil am Aufschwung bekommen. Die Arbeitgeber sind am Zug, nicht die Politik.

Ist das letzte Wort in Sachen Zustimmung der Länder schon gesprochen?

Sechs Milliarden Euro zusätzliche Schulden sind für Bund, Länder und Kommunen zu viel. Und: Was bei den Arbeitnehmern davon ankäme, wäre viel zu wenig. Wir werden alles tun, um dieses Paket zu verhindern. Wir wollen den Haushalt konsolidieren, die Kommunen stärken und in Bildung investieren.