Gering bezahlte Tätigkeiten bieten gerade Wiedereinsteigern und wenig Qualifizierten die Chance auf Arbeit - und ein Weiterkommen

Unser Arbeitsmarkt trotzt den Krisen. Die Jugend- und Langzeitarbeitslosigkeit geht zurück, Experten sehen die Vollbeschäftigung als realisierbar an. Gerade zu einer Zeit, in der das "German Beschäftigungswunder" auch im Ausland höchste Anerkennung findet, sollen in Deutschland aber flächendeckend Mindestlöhne gesetzlich verordnet werden. Auch die CDU ist inzwischen auf diesen Kurs eingeschwenkt. Warum aber will der Staat in das bisher so erfolgreiche Modell der Tarifautonomie eingreifen?

Der DGB-Vorsitzende in Hamburg, Uwe Grund, hat kürzlich in seinem Beitrag zu diesem Thema an dieser Stelle gefordert, dass jeder Vollzeitbeschäftigte von seinem Lohn leben können muss. Dazu kann und darf es keine zwei Meinungen geben. Dieses Ziel lässt sich allerdings nicht durch einen Mindestlohn erreichen. Das Gegenteil ist der Fall.

Ein gesetzlicher Mindestlohn senkt sogar die Beschäftigungschancen gerade von Geringqualifizierten, ein vorgeschriebener Mindestlohn schließt sie dauerhaft vom Arbeitsmarkt aus oder drängt sie in die Schwarzarbeit. Das ist in hohem Maße unsozial.

Uwe Grund erzählt die fiktive Geschichte der Kellnerin Gabi B., die als Alleinerziehende zu ihrem geringen Lohn zusätzlich Hartz-IV-Leistungen bezieht. Sie ist gelernte Webdesignerin, findet aber keine Stelle in ihrem erlernten Beruf.

Löst der Mindestlohn jedoch ihr Problem? Nein! Die Geschichte von Gabi B. könnte besser verlaufen: Sie hat keine Lust mehr, für wenig Geld zu kellnern. Weil sie längere Zeit nicht in ihrem gelernten Beruf gearbeitet hat, nimmt sie eine - zunächst nicht höher bezahlte - Stelle im Sekretariat eines mittelständischen Unternehmens an. Über Webseminare bildet sie sich dort schließlich weiter, der Arbeitgeber beteiligt sich an den Kosten. Nach drei Jahren verantwortet sie den Internet-Auftritt und das Werbebudget des Unternehmens, einen Teil ihrer Arbeit erledigt sie am Heimarbeitsplatz. Ihr Gehalt im Vergleich zum Kellnerjob konnte sie verdreifachen. Das Fazit: Gabi B. ist froh, sich nicht in einer anderen Branche auf Mindestlohnniveau eingerichtet zu haben.

Dieses Beispiel soll zeigen: Der gescholtene Niedriglohnsektor bietet gerade Wiedereinsteigern oder weniger Qualifizierten die Chance, auf den Arbeitsmarkt zurückzukehren und in besser bezahlte Tätigkeiten aufzusteigen. Gesetzliche Mindestlöhne würden vielen Menschen, die gern arbeiten wollen, diesen Weg versperren.

Wer gegen gesetzliche Mindestlöhne eintritt, ist nicht für Dumpinglöhne. In einer hoch entwickelten Volkswirtschaft, die sich im internationalen Preiswettbewerb behaupten muss, gibt es aber kaum noch Jobs für gering qualifizierte Menschen. Die Lohnkosten im sogenannten Niedriglohnsektor bewegen sich an der Grenze der Wirtschaftlichkeit für Unternehmen, die einfache Dienstleistungen anbieten. Steigen diese Kosten durch staatliche Vorgabe, verschwinden diese Angebote vom Markt - und mit ihnen die Arbeitsplätze.

Nicht nur in der Industrie, sondern auch bei vielen Dienstleistungen wird Personal durch Technik ersetzt. Wachpersonal wird durch computergesteuerte Sicherheitstechnik abgelöst. In der Gastronomie setzen sich mehr und mehr Selbstbedienungskonzepte durch, der Kunde wird zum Kellner.

Ein erfolgreiches arbeitsmarktpolitisches Instrumentarium wie Kurzarbeitergeld und unser engmaschiges soziales Netz haben den Arbeitsmarkt und die Beschäftigten vor langfristigen Einbrüchen und damit vor Arbeitslosigkeit als Folge der weltweiten Finanzkrise beschützt.

Der gute Zustand des deutschen Arbeitsmarktes ist auch das Ergebnis der Hartz-IV-Reformen mit ihren beiden Komponenten Fordern und Fördern. Die meisten "Aufstocker" arbeiten in Teilzeit: Von den 1,4 Millionen Menschen, die einen Kombilohn beziehen, arbeiten lediglich 300 000 in Vollzeit. Zudem haben die Tarifpartner eine Lohnpolitik mit Augenmaß betrieben. Trotz der aktuellen Schuldenkrise zeigt sich der deutsche Arbeitsmarkt robust. Vor allem kleine und mittelgroße Unternehmen wollen neue Mitarbeiter einstellen.

Politisch verordnete Mindestlöhne könnten das deutsche Beschäftigungswunder entzaubern.