In Paul Kirchhofs neuem System gäbe es nur noch 146 Steuerparagraphen und vier Steuerarten. Thüringens Ministerpräsidentin hat sich für eine Umsetzung des Konzepts ausgesprochen

Karlsruhe. Der ehemalige Bundesverfassungsrichter Paul Kirchhof hält eine baldige Umsetzung seines Reformkonzepts zu einer radikalen Steuervereinfachung für wahrscheinlich. „Ich bin jetzt optimistisch“, sagte er am Dienstag im Deutschlandfunk. Es müsse zunächst gelingen, die Bevölkerung und die Medien von den Vorteilen des Konzepts zu überzeugen. Dann werde auch die Politik „auf dieses Pferd setzen“, sagte Kirchhof.

Der Heidelberger Rechtsprofessor bekräftigte die Notwendigkeit zu Steuerreformen. Die ständigen Änderungen am System machten eine verlässliche Planung für Unternehmen unmöglich, sagte er. Zudem litten die Menschen unter dem Eindruck, schlicht aus Unwissenheit der zahlreichen Ausnahmeregelungen zu viel Steuern zu zahlen.

146 Paragraphen, vier Steuerarten: Paul Kirchhofs Version des Steuersystems liegt eine existenzielle Vereinfachung zugrunde. Ist das nur schöne Phantasie oder hat das Konzept tatsächlich Chancen auf eine politische Umsetzung? Diese hat jetzt zumindest Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht gefordert. Sie hat sich hinter das Steuerkonzept des Steuerrechtsexperten Paul Kirchhof gestellt. Dieses Steuerkonzept führe zu einer radikalen Vereinfachung, sagte die CDU-Politikerin der in Halle erscheinenden „Mitteldeutschen Zeitung“ (Dienstagausgabe). Die Frage der Vereinfachung stehe vor jeder Steuersenkungsdebatte.

Lieberknecht fügte hinzu: „Wir haben im Moment im Bundestag die Mehrheit, die man braucht, um ein solches Modell durchzusetzen. Die Debatte im Bundesrat muss man dann führen. Es spricht überhaupt nichts dagegen, dieses Modell aufzugreifen. “

Mitten in der Koalitionsdebatte über Steuersenkungen hat der Staatsrechtler Paul Kirchhof ein Konzept für eine radikale Steuervereinfachung vorgelegt. Mit dem am Montag veröffentlichten Modell würden die tausenden Paragraphen im Steuerrecht auf 146 zurückgeschnitten. Übrig blieben gerade einmal vier Steuerarten: Einkommen-, Erbschaft-, Umsatz- und Verbrauchsteuer. Für Einkommensteuerzahler sieht Kirchhof einen einheitlichen Steuersatz von 25 Prozent vor. An dem Konzept hat der frühere Verfassungsrichter jahrelang gearbeitet. Unterstützt wurde er von den Finanzministerien in sechs Bundesländern.

Kirchhof war 2005 im Wahlkampfteam von Bundeskanzlerin Angela Merkel, stand in der folgenden großen Koalition aber nicht als Bundesfinanzminister zur Verfügung. Schon damals sorgte vor allem sein Flat-Tax-Modell für harsche Kritik. In seinem nun vorgelegten Bundessteuergesetzbuch wird es in eine radikale Vereinfachung des gesamten Steuersystems eingebettet.

Nach Kirchhofs Vorstellungen sollen künftig natürliche Personen, Personengesellschaften und Körperschaften eine einheitliche Einkommensteuer von 25 Prozent bezahlen. Die gegenwärtige Unterscheidung zwischen Steuersätzen von 15 Prozent (Körperschaftsteuer), 25 Prozent (privates Kapitalvermögen) und

14 bis 45 Prozent (Einkommensteuer) würde entfallen. Dabei sollen ein steuerfreier Grundfreibetrag von 8000 Euro und eine Vereinfachungspauschale von 2000 Euro gelten. Im Ergebnis würden Arbeitseinkommen nicht mehr höher besteuert als Kapitalerträge.

Alle Ausnahme-, Lenkungs- und Privilegientatbestände in der Einkommensteuer will Kirchhof streichen. Steuergestaltungen wären damit kaum noch möglich. Die Weitergabe von bereits besteuertem Gewinn an Beteiligte (Dividenden) wird nicht mehr belastet. Die Gewerbesteuer will er durch eine kommunale Zuschlagssteuer auf alle in der Gemeinde erwirtschafteten Einkommen ersetzen.

Als zweite Steuer sieht Kirchhof eine Erbschaft- und Schenkungsteuer mit einem einheitlichen Satz von zehn Prozent vor. Eine Erbschaft unter Ehegatten soll steuerfrei sein, für Kinder sieht er einen Freibetrag von 400.000 Euro vor, für andere von 50.000 Euro. Für Hausrat kommen 20.000 Euro hinzu.

Auch die Umsatzsteuer will der Direktor des Instituts für Finanz- und Steuerrecht an der Uni Heidelberg mit einem Federstreich vereinfachen. Das komplizierte System des Vorsteuerabzugs bei zwischenunternehmerischen Umsätzen wird abgeschafft und nur noch die Leistung beim Endkunden belastet.

Schließlich sieht das Kirchhof-Modell eine Verbrauchssteuer auf Energie, Tabak und Alkohol vor – also den Verbrauch von Produkten, durch die der Allgemeinheit Kosten entstehen. Alle übrigen Verbrauchssteuern will er abschaffen. Dabei werden die bisherigen Verkehrssteuern in die Umsatzsteuer integriert.

Kirchhof zufolge ist sein Bundessteuergesetzbuch für den Staat aufkommensneutral. Das Konzept habe er in Zusammenarbeit mit sechs Bundesländern entwickelt und breit mit Experten diskutiert – es sei jedoch in niemandes Auftrag entstanden. (rtr)