Es hört nicht auf. Erneut wurden Brandsätze an Gleisen in Berlin gefunden. Polizisten suchen weiter. Der Schaden für die Bahn geht in die Millionen.

Berlin. In Berlin wird mit großem Aufwand weiter nach Brandsätzen an Bahngleisen gesucht. Die Bundespolizei in der Hauptstadt werde dabei von Kräften aus Sachsen und Brandenburg sowie Bahn-Mitarbeitern bei der systematischen Kontrolle der Schienenstränge unterstützt, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Mehr als 200 zusätzliche Bundespolizisten seien im Einsatz.

Am vierten Tag in Folge wurden im Großraum Berlin Brandsätze entdeckt. Am Donnerstag seien es zwei gewesen, sagte der Sprecher. Die mit Benzin gefüllten Flaschen waren in einem Kabelschacht an Schienen zwischen den S-Bahnhöfen Südkreuz und Priesterweg versteckt. Der S-Bahn-Verkehr war vorübergehend unterbrochen, die ICE-Strecke nach Leipzig war nicht betroffen. Die Brandsätze zündeten nicht, sie wurden zur Spurensicherung abtransportiert.

Verspätungen gab es aber weiter auf den Fernbahnstrecken nach Hamburg und Hannover und bei etlichen Regionalzügen Richtung Norden und Westen. Allein auf der Strecke Berlin – Hamburg fielen seit Montag 34 Züge aus, 875 verspäteten sich. Die Verspätungen summierten sich allein dort auf 438 Stunden.

+++ Weitere Anschläge - Bahn setzt 100.000 Euro Belohnung aus +++

+++ Linksextremisten legen Bahnverkehr lahm +++

Bereits am Mittwoch waren nahe dem Bahn-Knotenpunkt Südkreuz zwei Brandsätze entdeckt worden. Bahn und Bundespolizei kontrollieren die Anlagen, seitdem am Montag Brandsätze entdeckt wurden. Die Polizei geht davon aus, dass alle gleichzeitig deponiert wurden und jetzt nacheinander entdeckt werden. Bislang wurden an neun Tatorten 18 Brandsätze gefunden. Die meisten konnten unschädlich gemacht werden, zwei von ihnen zündeten aber. Verletzt wurde niemand.

Trotz eines Bekennerschreibens einer linksextremistischen Gruppe gibt es keine konkreten Hinweise auf die Täter und ihr Umfeld. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen an sich gezogen, weil der Verdacht der „verfassungsfeindlichen Sabotage“ bestehe.

Jetzt tauchte im Internet ein neues Schreiben auf. Darin versuchte eine „Initiative für mehr gesellschaftliche Eruptionen“ die Brandsätze zu rechtfertigen. Sie hätten nur das Ziel gehabt, Signal- und Datenkommunikationen zu unterbrechen. Eine Gefahr für Menschen bestehe nicht. Ein Sprecher der Bundesanwaltschaft sagte in Karlsruhe, das Schreiben werde in die Ermittlungen einbezogen.

Indes ist ein Streit über die Gefährlichkeit der mutmaßlich linksextremen Täter entbrannt. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sprach von einer neuen Dimension linksextremistischer Gewalt. Die SPD wies Warnungen aus der Union und von der Deutschen Polizeigewerkschaft vor einem neuen linksextremen Terrorismus zurück.

Friedrich sagte „Focus Online“: „Wir müssen äußerst wachsam sein, dass die in den Anschlägen zum Ausdruck kommende Gewaltbereitschaft sich nicht zu einem neuen Linksterrorismus entwickelt.“ Die Attacken seien der Versuch, „flächendeckend und systematisch“ die Infrastruktur der Hauptstadt zu gefährden beziehungsweise zu zerstören.

Berlins Innensenator Ehrhart Körting (SPD) warnte vor übertriebenen Reaktionen. Ein Bürgerkrieg solle nicht an die Wand gemalt werden, sagte er im RBB-Inforadio. Forderungen nach einer Aufstockung der Zahl von Polizisten wies Körting zurück. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz sagte der Nachrichtenagentur dpa, die Attacken hätten mit Terrorismus nichts zu tun.

Der renommierte Protestforscher Dieter Rucht sieht keine Parallelen zu den Anfängen des RAF-Terrors. „Das ist eine ganz andere Nummer gewesen“, sagte der Professor der dpa. Selbst die radikale Linke habe sich heute deutlich abgewandt von den Taten der Rote Armee Fraktion und deren Terror gegen den Staat als Holzweg bezeichnet.

Die Bahn drohte mit einer Schadenersatzklage. „Sollten die Täter ermittelt werden, strengen wir selbstverständlich Schadensersatzklagen an. Für diesen Fall gehe ich von einem Millionenbetrag aus“, sagte Gerd Becht, Vorstand Konzernsicherheit der Deutschen Bahn, der „Bild“-Zeitung. Die Bahn hat 100 000 Euro Belohnung für Hinweise zur Ergreifung der Täter ausgesetzt. Erste Hinweise seien eingegangen, sagte ein Bahnsprecher am Donnerstag.

Der Leiter der Bahn-Konzernsicherheit, Gerd Neubeck, sagte dem Nachrichtensender, für Passagiere bestehe keine Gefahr. „Unser System ist so ausgelegt, dass bei einer Unterbrechung von Signalkabeln der Verkehr einfach stehen bleibt.“