Der Verfassungsschutz vermutet eine isolierte Tätergruppe. Die Bahn hat 100.000 Euro Belohnung für Täter-Hinweise ausgelobt.

Berlin. Nach dem erneuten Fund von Brandsätzen an Bahneinrichtungen in Berlin und Brandenburg haben sich gestern die Sicherheitsbehörden des Bundes eingeschaltet. Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe ermittelt wegen des Verdachts der "verfassungsfeindlichen Sabotage" und beauftragte das Bundeskriminalamt mit der Aufklärung der Anschläge, die die Ermittler seit Montag in Atem halten. Die Deutsche Bahn hat 100 000 Euro Belohnung für Täter-Hinweise ausgesetzt.

An der ICE-Trasse Berlin-Hannover nahe Berlin-Staaken wurde gestern Vormittag ein bereits explodierter Brandsatz gefunden. Wann es zur Detonation kam, ist unklar. Ein Polizeisprecher sagte lediglich: "Es gab einen Brandsatz, der in irgendeiner Weise irgendwie gezündet hat." Zwei weitere Brandsätze wurden nach Angaben der Bahn bei Reparaturarbeiten und von einem S-Bahn-Lokführer an der S-Bahn-Ringstrecke zwischen den Bahnhöfen Südkreuz und Schöneberg entdeckt.

Die Polizei geht davon aus, dass alle Brandsätze gleichzeitig deponiert wurden und seitdem nach und nach aufgespürt werden. Bislang wurden mindestens 16 Brandsätze an sieben verschiedenen Orten entdeckt. Seit den ersten Funden suchen Bahn und Bundespolizei verstärkt alle Gleisanlagen ab. Als Täter werden Linksextremisten vermutet, auch wenn Nachahmungstäter nicht ausgeschlossen werden.

+++ Linksextremisten legen Bahnverkehr lahm +++

Der Verfassungsschutz geht von einer isolierten Einzelgruppe aus. "Derartige Angriffe auf Infrastruktur, mit dem Ziel maximalen Schaden zu verursachen, sind auch für die gewaltbereite Szene in Berlin eine Besonderheit", sagte die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid dem "Tagesspiegel". Die Sabotageaktion sei ein Eigentor für die Täter. "Für Anschläge in dieser Dimension gibt es kaum Rückhalt, weil damit die ganz normale Bevölkerung getroffen wird." Bereits der Brandanschlag auf Kabel am S-Bahnhof Ostkreuz im Mai sei in der Szene umstritten gewesen. Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) nannte die Anschläge "verbrecherische, terroristische Ansätze einer neuen Dimension".

Durch die Anschläge und folgenden Streckensperrungen haben sich laut Deutscher Bahn seit Montag bundesweit 2000 Züge verspätet. In Hamburg müssten sich Reisende auch heute wieder auf Verspätungen einstellen, sagte ein Sprecher. Grund seien Umleitungen und "Kapazitätseinschränkungen".

"Wir nehmen die Vorfälle auch in Hamburg sehr ernst", sagte Rüdiger Carstens, Sprecher der für Bahnanlagen zuständigen Bundespolizei in Hamburg. Bislang sei aber kein zusätzliches Personal angefordert worden, um die Bahnanlagen in der Hansestadt zu überwachen. Carstens betonte, die Kräfte der Bundespolizei seien erst Anfang des Jahres aufgestockt worden, insbesondere um auf die steigende Zahl an Gewaltdelikten zu reagieren und das Sicherheitsgefühl der Fahrgäste zu erhöhen. "Alle eingesetzten Beamten sind wachsam, wir pflegen zudem einen engen Austausch mit Berlin", sagte Carstens.

Weiter Zugausfälle und Verspätungen

Nach der Serie von Anschlägen der vergangenen Tage auf Bahnlinien in und um Berlin gibt es auch am Donnerstag Zugausfälle und Verspätungen. Betroffen ist nach Angaben der Bahn vor allem die Fernbahn Berlin-Hamburg, wo es noch Verspätungen bis zu einer Viertelstunde gibt. Noch sei nicht abzusehen, wann die Behinderungen beseitigt sein werden.

Auch im Nahverkehr gibt es nach wie vor Probleme. Die RE4 fährt planmäßig, hält aber nicht am Bahnhof Falkensee. Dort hält auch nicht die RE6, die außerdem auch in Spandau nicht stoppt. Auf der RB14 werden zwischen Falkensee und Nauen Busse eingesetzt. Die Züge der RB10 fallen ganz aus. Empfohlen wird ein Umsteigen auf die RB14 oder die S-Bahn bis Spandau. Durch die Brandsätze, die an Gleisen und Kabelschächten gefunden wurden, haben sich seit Montag rund 2000 Züge wegen der Streckensperrungen verspätet. Die Verspätungen summierten sich auf etwa 833 Stunden.