Neues “Bild“-Buch macht die Monstrosität der deutsch-deutschen Grenze wieder lebendig
Hamburg. Es war eine riskante Mission, auf die sich Michael Gartenschläger in der Nacht zum 1. Mai 1976 begab. Der 32-Jährige wollte ein Ding stehlen, dessen Existenz die DDR bislang immer abgestritten hatte: Er wollte eine der zigtausend Selbstschussanlagen vom deutsch-deutschen Grenzzaun abmontieren.
Gartenschläger, ein gebürtiger Ostdeutscher, lebte schon seit fünf Jahren in Westdeutschland. Nachdem die Bundesrepublik ihn 1971 als politischen Häftling aus dem DDR-Gefängnis Bautzen freigekauft hatte, pachtete er in Hamburg eine Tankstelle. Im Westen betätigte er sich als Fluchthelfer, zudem wollte er mit der Demontage der Schussanlagen die Brutalität des DDR-Regimes belegen. Zweimal hatte er Erfolg, beim dritten Mal jedoch hatte die Staatssicherheit von seinem Plan Wind bekommen. Eine Stasi-Sondereinheit erschoss den ehemaligen DDR-Bürger, als er sich nachts an dem Zaun zu schaffen machte. Die Schützen kamen 24 Jahre später vor Gericht. Doch weil Gartenschläger offenbar eine Pistole bei sich trug, konnte der Richter nicht ausschließen, dass die Soldaten in Notwehr geschossen hatten.
Es sind Schicksale wie das Gartenschlägers, die sich in dem Buch "Die Mauer - Fakten, Bilder, Schicksale" finden. Die "Bild"-Zeitung hat es in Zusammenarbeit mit der Bundesstiftung Aufarbeitung erstellt. In einer Verbindung aus geschichtlichen Informationen, historischen Aufnahmen und Zeitzeugenberichten macht ddie Monstrosität der Mauer wieder lebendig.
Im Zentrum stehen dabei die Menschen, die unter der Mauer litten, und die, die sie immer wieder zu überwinden versuchten. Wie Michael F., der als Vierjähriger von seinem Vater aus dem vierten Stock eines Wohnhauses in Ostberlin geworfen wurde - und im Sprungtuch der Westberliner Feuerwehr landete. Oder die Brüder Bethke, die in selbst gebauten Ultraleichtfliegern in der DDR landeten, um ihren dritten Bruder in die Freiheit zu holen. Es ist ein Buch, das daran erinnert, zu welchen Taten der Mensch fähig ist, der sich nach Freiheit sehnt.
"Die Mauer. Fakten - Bilder - Schicksale". Herausgeber: Kai Diekmann; Piper Verlag 2011
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