Müttern und Vätern mit Gendefekten gibt die Untersuchungsmethode neue Hoffnung. Der Mensch nach Maß ist vorerst nur Science-Fiction.

Berlin. Am Anfang war Maxima. Ein heute vierjähriges blondes Mädchen, das mit seinen Eltern in der Nähe von Nürnberg wohnt. Es ist sehr wahrscheinlich, das Maxima gar nicht weiß, dass ihretwegen gestern fünf Stunden lang eine der emotionalsten Debatten geführt wurde, die der Bundestag in den letzten Jahren erlebt hat. Maxima ist das erste Kind, das in Deutschland mithilfe der PID auf die Welt kam.

Matthias Bloechle hat seinerzeit viel riskiert für Maxima. Er ist Gynäkologe in Berlin, dem "Kinderwunschzentrum an der Gedächtniskirche", wie es auf seiner Homepage heißt. Um auch Maximas Eltern ihren Kinderwunsch zu erfüllen, hat er sich vor gut fünf Jahren auf juristisch unsicheres Terrain begeben. Denn Maximas Mutter Sonja hat einen Gendefekt. Nach mehreren Fehlgeburten wollte sie endlich ein gesundes Kind zur Welt bringen. Und Bloechle half. Obwohl die Gentests an Embryonen aus dem Reagenzglas verboten waren. Der Arzt brachte seinen Fall zur Selbstanzeige.

"Dass das einen Gesetzgebungsprozess initiiert, daran habe ich nicht gedacht. Das lag zu dieser Zeit außerhalb meines Horizonts", sagt Bloechle am Morgen in einem Interview. Von der Besucherempore aus hat er die Debatte im Bundestag beobachtet. Seit der Bundesgerichtshof Bloechle im Februar 2010 freigesprochen hatte, wird über den richtigen und rechtmäßigen Umgang mit PID beraten. Gestern nun fiel im Bundestag die Entscheidung: Die Untersuchungsmethode ist künftig in engen Grenzen erlaubt. Bei der Präimplantationsdiagnostik werden im Reagenzglas gezeugte Embryonen auf Gendefekte getestet. Liegt ein Erbgutproblem vor, das etwa eine schwerwiegende Behinderung zur Folge haben würde, werden sie verworfen und sterben ab. Nur die gesunden Embryonen werden der Mutter eingesetzt. Im Ausland und auch in vielen europäischen Nachbarländern ist das längst erlaubt.

Marcus Weinberg: "Damit die PID nur in den vorgesehenen Grenzen praktiziert wird, muss es eine enge Kontrolle geben."

"Wenn beide Eltern einen Gendefekt für eine schwere Erkrankung in verdeckter Form in sich tragen, kann diese auf das Kind vererbt werden", erklärt Andreas Gal. Er ist der Direktor des Instituts für Humangenetik am Hamburger UKE. Statistisch gesehen bestehe das Risiko bei jeder Schwangerschaft bei eins zu vier für ein behindertes Kind. "In der Realität wirkt sich das aber bei jedem Paar anders aus", sagt er im Gespräch mit dem Abendblatt. "Ich habe Eltern erlebt, bei denen dieses Ereignis viermal hintereinander eintrat. Vielen ist das Risiko einfach zu hoch. Einige dieser Paare fuhren in der Vergangenheit ins Ausland, wo PID erlaubt ist, die Bedingungen aber unter Umständen nicht so gut sind wie in Deutschland. Oder sie sind das Risiko doch eingegangen und mussten am Ende einen Schwangerschaftsabbruch in Kauf nehmen. Mit der PID können wir ihnen helfen."

Mit diesem Argument haben sich auch die Befürworter der PID im Bundestag durchgesetzt. Es geht ihnen darum, Leid bei Eltern und Kindern zu mindern und ihnen etwas mehr Selbstbestimmung über ihr Leben zu geben.

"Damit die PID nur in den vorgesehenen Grenzen praktiziert wird, muss es eine dauerhafte und enge Kontrolle sowie eine Überprüfung der Anwendung geben", sagte der Hamburger CDU-Chef Markus Weinberg dem Abendblatt. Auch er ist Bundestagsmitglied und hat gestern für ein Verbot der PID gestimmt. "Das Gesetz muss genau so umgesetzt werden, wie es jetzt beschlossen wurde", fordert er.

Wie viele Kritiker der Methode befürchtet auch er einen ethischen Dammbruch. Also eine Entwicklung, bei der die PID irgendwann zu anderen Zwecken eingesetzt werden kann. Vielfach beschworen wird in diesem Zusammenhang das "Designer-Baby". Was passiert, wenn sich Eltern mithilfe der PID in 20 oder 30 Jahren wie in Science-Fiction-Filmen die Haar- oder Augenfarbe ihres Kindes aussuchen wollen? Humangenetiker Gal vom UKE sieht diese Gefahr nicht - zumindest nicht aus heutiger Sicht. "Die genetischen Eigenschaften des Embryos zu verändern ist technisch so gut wie unmöglich", sagt er. Mit der Verschmelzung von Ei und Samenzelle seien alle Merkmale schon vorgegeben: die Haarfarbe, die Augenfarbe, ob das Kind musikalisch oder mathematisch begabt sei. "Man kann nicht eine Eigenschaft durch eine andere austauschen, sondern den Embryo nur so nehmen, wie er ist. Wer ein blondes Kind mit braunen Augen und mit einer hohen Intelligenz möchte, muss schon sehr viele Embryonen herstellen, um am Ende die gewünschte Kombination zu finden."