PID soll Erbkrankheiten verhindern. Emotionale Debatte über Parteigrenzen hinweg

Berlin. Es war eine lange Debatte, gefühlsgeladen und mit viel Leidenschaft geführt: Nach fast vierstündiger Beratung hat der Bundestag gestern ein Gesetz beschlossen, das Gentests an Embryonen aus dem Reagenzglas, die sogenannte Präimplantationsdiagnostik (PID), in engen Grenzen zulässt. Vielen Abgeordneten, die frei von Fraktionszwängen debattierten, fiel die Entscheidung nicht leicht. Die Emotionen kochten hoch.

Mit tränenerstickter Stimme warb etwa der Linken-Abgeordnete Steffen Bockhahn für die Zulassung von Gentests. Er selbst sei "der glücklichste Vater der Welt", sagte er im Plenum. Dieses Kinderglück, "das ich jetzt mit meiner Frau teilen kann", sollten auch andere genießen können. Die Angst, ihrem ungeborenen Kind eine Erbkrankheit zu übertragen, könne Paaren nur durch die PID genommen werden. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) sagte in ihrer Rede, sie habe als junge Ärztin geglaubt, vieles zu wissen: Aber "die Wucht des Schicksals rund um Schwangerschaft und Geburt hat mich sehr still werden lassen". Auch sie trat für die Zulassung der Gentests ein.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles, eine strikte PID-Gegnerin, warnte dagegen vor einer "genetischen Qualitätskontrolle". Wenn künftig eine Mutter ein behindertes Kind zur Welt bringe, dürfe der Vorwurf: "Haben Sie sich denn zuvor nicht genetisch beraten lassen?" nicht zur Standardfrage werden. Mit bewegter Stimme verwies PID-Gegner Rudolf Henke (CDU) auf das Schicksal seines Bruders, der fünf Stunden nach der Geburt starb. Und doch gehöre er zu seinem Leben. "Ich erinnere mich an Besuche jahrzehntelang am Grab."

Bei dem PID-Verfahren werden Embryonen aus künstlicher Befruchtung in einem sehr frühen Stadium auf Erbkrankheiten oder Behinderungen untersucht. Nur gesunde Embryonen werden danach in den Mutterleib eingepflanzt. Gegner der Methode verweisen etwa auf die USA, wo Eltern bei künstlicher Befruchtung bereits das Geschlecht des Kindes feststellen lassen können. Solche "Designerbabys" werde es in Deutschland aber nicht geben, versicherten die PID-Befürworter.

Der Gesetzentwurf für eine Zulassung des Gentests wurde mit 326 Stimmen angenommen. Der Entwurf für ein striktes Verbot erhielt 260 Stimmen. Acht Abgeordnete enthielten sich. Gegner und Befürworter verteilten sich über alle Parteien.

Kritisch reagierten die Kirchen auf den Beschluss. Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Präses Nikolaus Schneider, sagte, er halte die Freigabe der PID für "zu weitgehend". Der Vorsitzende der Katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, bedauerte die Entscheidung "zutiefst".

Hamburgs CDU-Chef Marcus Weinberg, Verfechter eines kompletten PID-Verbots, appellierte an die Initiatoren des neues Gesetzes, "die engen Grenzen der PID auch einzuhalten, die Sie versprochen haben. Sie sind da in der Verantwortung." Er sprach aber auch von einem "großen Tag für unsere Debattenkultur".

Andreas Gal, Direktor des Instituts für Humangenetik am Hamburger UKE, begrüßte das Gesetz. In seinem Haus werde man die PID vorerst jedoch nicht anbieten. Denkbar sei ein Zentrum in Lübeck. "Wir rechnen damit, dass in dem Jahr nach dem Gesetz höchstens 200 bis 300 Familien das Verfahren in Anspruch nehmen."