Ministerin von der Leyen will die Nachfrage nach dem Bildungspaket für Bedürftige stärken. SPD-Vize Schwesig lobt das Hamburger Modell.

Berlin. Es braucht mehr Information und ein einfacheres Verfahren: Nach dem stockenden Start des Bildungspakets will Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen die Nachfrage nach den Leistungen für bedürftige Kinder erhöhen. Hierauf einigte sich die CDU-Politikerin gestern bei einem runden Tisch mit Vertretern von Ländern und Kommunen. Zuvor war bekannt geworden, dass nur etwa jede fünfte berechtigte Familie die Leistungen für ihre Kinder beantragt. Das reiche nicht aus, sagte von der Leyen "Wir können keines der Kinder aufgeben, wir können nicht mit einem Schulterzucken sagen, dass bestimmte Familien nicht zu erreichen sind."

Ähnlich sieht es Manuela Schwesig: "Das Bildungspaket läuft besser als noch vor acht Wochen", sagte die Vizechefin der SPD dem Hamburger Abendblatt. "Kurz nach dem Start hatten es gerade einmal fünf Prozent der berechtigten Eltern in Anspruch genommen. Jetzt sind es zwischen 20 und 30 Prozent. Das ist ein positiver Zuwachs, aber noch viel zu wenig." Schwesig, die auch Familienministerin in Mecklenburg-Vorpommern ist, hat ebenfalls an dem Treffen im Bundesarbeitsministerium teilgenommen. Es sei jetzt wichtig, dass das Antragsverfahren vereinfacht werde und die Eltern besser informiert würden. "Dazu wurden heute konkrete Verabredungen getroffen."

Dazu zählt, dass Eltern, die von Hartz IV leben, gezielter auf das Bildungspaket aufmerksam gemacht werden sollen. "Es geht darum, alle Kanäle zu nutzen", sagte von der Leyen. Die Information über die Jobcenter habe sich bewährt. Auch schlug sie vor, Sozialarbeiter zu den Familien zu schicken, um sie zu informieren. Zudem sollen Kommunen, in denen bislang besonders viele Anträge gestellt wurden, nach ihren "Erfolgsrezepten" befragt werden.

Seit 1. April können Hartz-IV-Familien und Wohngeldempfänger auf Antrag finanzielle Unterstützung für ihre Kinder bekommen - beispielsweise für Nachhilfe, Sportvereine oder Musikunterricht. Zudem steht Schülern ein Basispaket zu, mit dem sie für 100 Euro pro Schuljahr Ranzen, Hefte oder Stifte erhalten können. Rund 2,5 Millionen Kinder sind deutschlandweit berechtigt, in Hamburg können 78 000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene vom Bildungspaket profitieren. Es ist Teil des neuen Hartz-IV-Gesetzes, das in einem monatelangen Vermittlungsverfahren und nach heftigen Streitereien zwischen Regierung und Opposition zustande gekommen war.

Anders als in vielen anderen Kommunen können die bedürftigen Kinder in Hamburg ihren Anspruch auf Musikstunden oder Nachhilfe direkt bei den Schulen oder Vereinen geltend machen, ohne dass die Eltern vorher einen Antrag ausfüllen müssen. Die Anbieter rechnen direkt mit den Jobcentern und Bezirksämtern ab. Konkrete Zahlen liegen für die Hansestadt zwar erst im Herbst vor, jedoch steige die Inanspruchnahme stetig, wie eine Sprecherin der Sozialbehörde auf Abendblatt-Anfrage sagte. "Hamburg ist vorbildlich und hat die Umsetzung des Bildungspakets gut und praktisch gelöst", lobte SPD-Vize Schwesig. "Das wäre ein gutes Modell auch für andere Kommunen. Es wäre jetzt wichtig, dass auch Ursula von der Leyen den Hamburger Weg offen unterstützt, damit die anderen Kommunen Rechtssicherheit haben."

Schwesig plädierte dafür, vor allem dort für das Bildungspaket zu werben, wo die Kinder sich aufhielten - also in Schulen oder Kitas. Deshalb sei das im Paket vorgesehene Geld für Schulsozialarbeiter gut, "allerdings die Befristung auf drei Jahre durch den Bund das falsche Signal". Von der Leyens Vorschlag, dass Sozialarbeiter per Hausbesuch auf das Bildungspaket aufmerksam machen sollen, sei "völlig unrealistisch". Schon jetzt hätten die Kommunen Schwierigkeiten, Problemfamilien zu erreichen. "Es gibt überhaupt nicht genug Kapazitäten, jetzt auch noch an jede einzelne Tür zu klopfen."

Als chancenlos und verfahren beurteilte der Paritätische Wohlfahrtsverband das Bildungspaket. Das Gesetz gehe "an der Lebensrealität völlig vorbei", kritisierte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Auch der Sozialverband Deutschland sprach sich dafür aus, die Bildungspaket-Misere nicht den Hartz-IV-Empfängern anzulasten. "Der mühselige Start des Bildungspakets ist kein Wunder, denn das komplizierte Verfahren und fehlendes Personal in den Jobcentern erschweren die Beantragung der Leistungen erheblich", erklärte Verbandspräsident Adolf Bauer.