Ministerpräsidenten verhandeln heute mit der Bundeskanzlerin über Standortplanung. Neue Debatte über Afghanistan-Einsatz.

Berlin. Die Bundesländer verlangen Mitsprache bei der Reform der Bundeswehr. Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) heute in Berlin wollen sich die 16 Ministerpräsidenten dafür starkmachen, dass sie bei der Planung von Standortschließungen und zu Teilen auch bei den künftigen Aufgaben der Truppen mitbestimmen können. Das geht aus einer Beschlussvorlage für die Konferenz hervor, die dem Hamburger Abendblatt vorliegt. "Die Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder bitten die Bundesregierung (...), frühzeitig mit den Ländern bei der konkreten Standortplanung zusammenzuarbeiten", heißt es in dem Papier.

Weil jede Kaserne auch ein Wirtschaftsfaktor ist, erwarten die Länder zudem eine Standortplanung nicht nur nach verteidigungspolitischer Perspektive, sondern fordern die Bundesregierung auch dazu auf, "die strukturpolitische Verantwortung der Bundeswehr weiterhin zu beachten". Der niedersächsische Ministerpräsident David McAllister sagte dem Abendblatt, es sei wichtig, mögliche Standortschließungen qualitativ und quantitativ ausgewogen zu verteilen. "Niedersachsen ist Bundeswehrland und will es auch in Zukunft bleiben", betonte der CDU-Politiker. Das Land sei durch den bevorstehenden Abzug der britischen Streitkräfte ohnehin schon stark belastet. "Das darf bei den Entscheidungen nicht ausgeblendet werden."

Das fertige Standortkonzept will Verteidigungsminister Thomas de Maizière erst im Herbst vorlegen. Allerdings hat er sich schon entschieden, dass es bei der Präsenz der Armee "in der Fläche" bleiben soll. Die konkrete Zukunft von wichtigen Standorten im Norden, also etwa die Marineschule Flensburg-Mürwik, der Flugplatz Jagel oder das Marineamt in Rostock ist jedoch noch offen.

Besondere Sorge bereitet den Ländern, dass die Bundeswehr bei einer weitgehenden Reduzierung im Katastrophenfall nicht mehr so schnell zu Hilfe kommen kann. "Eine weitere Auflösung von Bundeswehrstandorten würde für Sachsen einen erheblichen Nachteil für den Bevölkerungsschutz und die zivil-militärische Zusammenarbeit darstellen", warnt der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) im Abendblatt. "Ich halte es für dringend erforderlich, dass bei der Umgestaltung der Bundeswehr insbesondere auch die Belange des Zivil- und Katastrophenschutzes Berücksichtigung finden müssen", sagte auch der schleswig-holsteinische Innenminister Klaus Schlie (CDU) dem Abendblatt. Die Bundesregierung sei nun aufgefordert, die Auswirkungen der Wehrreform auch auf den Ersatzdienst im Zivil- und Katastrophenschutz zu berücksichtigen. "Die Oder- und die Elbeflut haben gezeigt, dass die Bundeswehr bei schweren Naturkatastrophen unverzichtbare Hilfe leistet", sagte der Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern, Erwin Sellering (SPD), dem Abendblatt. "Deshalb ist es wichtig, dass die Bundeswehr in der Fläche präsent bleibt." Dennoch hält der Regierungschef die Verkleinerung der Bundeswehr für grundsätzlich richtig. "Wir erwarten von der Bundesregierung allerdings eine gerechte Lösung, die einzelne Regionen nicht benachteiligt", betonte Sellering. Außerdem müsse den Städten und Gemeinden geholfen werden, die ihre Kasernen verlieren.

Deswegen wollen die Länder die Regierung bitten, sich überall dort, wo Standorte geschlossen werden sollen, um die Umnutzung der Militärgelände zu kümmern. Der Bund, so ihr Wunsch, solle zudem eine "verbilligte Abgabe" nicht mehr genutzter Liegenschaften an die jeweiligen Kommunen ermöglichen.

Unterdessen hat der Bundeswehrverband nach der jüngsten Anschlagsserie gegen die deutschen Truppen in Afghanistan ein Treffen aller zuständigen Regierungsvertreter unter Leitung von Kanzlerin Merkel gefordert. Dabei sollte auch überprüft werden, ob die Truppenstärke noch einmal erhöht werden müsse, bevor man mit dem Abzug beginne, sagte Verbandschef Ulrich Kirsch der "Süddeutschen Zeitung". Er sprach von rund 1400 zusätzlichen Soldaten. In den vergangenen beiden Wochen waren bei drei Anschlägen vier Bundeswehrsoldaten getötet worden. Spätestens zum Jahreswechsel soll der Abzug der Truppe beginnen, wenn die Lage es zulässt. Eine große Mehrheit der Deutschen fordert in einer "Stern"-Umfrage einen möglichst schnellen Abzug der Bundeswehr vom Hindukusch.