Morgen sammelt Merkel mit den Ländern Ideen für die Energiewende. Ein Vorschlag: „Sprinterprämien“ für schnelle Netzbetreiber.

Berlin. Seit dem Reaktorunglück im japanischen Fukushima drückt die schwarz-gelbe Bundesregierung beim Thema Energiewende aufs Tempo. In den kommenden Wochen will sie einen gesellschaftlichen Konsens über die weitere Nutzung der Atomenergie und Möglichkeiten alternativer Versorgung herbeiführen. Auch die Länder sollen mit einbezogen werden. Bei einem Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) beraten die Ministerpräsidenten aller 16 Bundesländer morgen in Berlin über den Weg zur Wende.

Vor allem bei den Themen Förderung der Energieeffizienz und Modernisierung der Stromnetze dürfte die Haltung der Länder gefragt sein. Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) und Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) haben einen Sechs-Punkte-Plan erarbeiten lassen, der als Grundlage für die Gespräche dienen soll. Dabei geht es um eine schnellere Modernisierung der Stromnetze, staatliche Förderung energiesparender Sanierungsmaßnahmen und eine Bund-Länder-Offensive zur Ausweisung neuer Flächen für Windkraftanlagen.

Beim Netzausbau, einem Schlüssel zum Umbau der Stromversorgung, spielen die Länder eine wichtige Rolle. Schon im Energiekonzept der Regierung von 2010 war eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe angekündigt worden, die Leitlinien für eine einheitliche Genehmigungspraxis für Leitungsprojekte erarbeiten soll. Das ist wichtig, da künftig dringend neue „Stromautobahnen“ benötigt werden, die Strom aus Windparks in Norddeutschland oft durch mehrere Bundesländer zu den Verbrauchszentren im Binnenland transportieren. Gibt es dafür keine bundesweit einheitlichen Regeln, drohen Verzögerungen.

Die Länder sollen aber auch eigene Ideen präsentieren, um die Energiewende voranzutreiben. Vor allem die Küstenländer Niedersachsen und Schleswig-Holstein haben sich bislang als Befürworter erneuerbarer Energien hervorgetan. Die schwarz-gelb regierten Länder sind wichtige Windparkstandorte und hoffen auf neue Jobs. Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Jost de Jager (CDU) schlug etwa vor, Investitionen in neue Stromtrassen durch ein Bonussystem zu fördern. Netzbetreiber, die besonders schnell bauen, sollen „Sprinterprämien“ in Form höherer Durchleitungsrenditen kassieren.

Deutschlandkarte zum Ausbau der Stromnetze; Hochformat 90 x 115 mm; Grafik: J. Reschke, Redaktion: K. Klink
Deutschlandkarte zum Ausbau der Stromnetze; Hochformat 90 x 115 mm; Grafik: J. Reschke, Redaktion: K. Klink © dpa-infografik/DPA | dpa-infografik

Mit Spannung erwartet wird zudem das Auftreten der großen süddeutschen Länder Bayern und Baden-Württemberg, denen von Experten ein bisher wenig erschlossenes Potenzial für Windparks bescheinigt wird. Bayerns Umweltminister Markus Söder (CSU) kündigt neuerdings eine Art „Öko-Wettkampf“ mit dem Nachbarn an. „Wir werden sehen, welches der beiden Länder schneller der Umstieg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien schaffen kann.“ Doch auch in Baden-Württemberg dürfte die neue grün-rote Landesregierung ökologische Akzente setzen. Bei dem Treffen in Berlin wird es auch um das Geld gehen. Röttgen und Brüderle kündigten in ihrem Plan bereits an, das Gebäudesanierungsprogramm der bundeseigenen Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) zur finanziellen Förderung von Energiesparmaßnahmen schrittweise um zwei Milliarden Euro erhöhen. Auch Steuervergünstigungen für derartige Maßnahmen werden darin erwähnt. Denn Verbrauchssenkungen in Industrie und Haushalten gelten als mitentscheidend dafür, ob Deutschland seine energie- und klimapolitischen Ziele erreicht.

Die Länder betreiben aber auch eigene Effizienz-Förderprogramme. Gut möglich ist, dass der Bund von ihnen im Gegenzug für eigene Anstrengungen ein stärkeres finanzielles Engagement für die geplante Energiewende erwartet. Denn die ist, gerade in Zeiten leerer Kassen und strikter Sparprogramme, auch mit heiklen finanzpolitischen Fragen verknüpft. „Ich frage mich, wo das Geld dafür herkommen soll?“, warnt Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs, der als Gegner eines schnellen Atomausstiegs gilt. Dagegen geht Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) von nur moderaten Mehrbelastungen aus. (AFP/abendblatt.de)