Die Bundesregierung will die umstrittene unterirdische Lagerung von Kohlendioxid erproben. Länder haben Vetorecht

Hamburg/Berlin. Die Technologie ist umstritten. Doch geht es nach der schwarz-gelben Bundesregierung, soll sie dennoch erprobt werden. Das Kabinett hat gestern einen Gesetzentwurf von Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) verabschiedet. Die Stromkonzerne dürfen künftig die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid (CO2) testen. Wo, ist allerdings noch unklar. Denn das Gesetz sieht ein Vetorecht der Bundesländer vor.

Auch der Bundestag und der Bundesrat müssen dem Gesetz noch zustimmen, das ein Baustein im schwarz-gelben Energiekonzept für mehr Klimaschutz ist und laut Bundesumweltminister Norbert Röttgen noch im Herbst in Kraft treten soll. Bei der CCS-Technologie (Carbon Dioxide Capture and Storage) wird Kohlenstoffdioxid aus den Abgasen etwa von Kohlekraftwerken herausgefiltert, transportiert und dann unterirdisch eingelagert. Dafür wird das CO2 aufgefangen, unter Druck verflüssigt und per Pipeline, Lkw oder Schiff weitertransportiert. Als Speicher kommen erschöpfte Erdgasfelder oder tief liegende poröse Gesteinsschichten infrage. Geeignete Formationen finden sich unter anderem in Brandenburg und Schleswig-Holstein.

Vor allem in Schleswig-Holstein wehren sich die Menschen drastisch gegen die CO2-Speicherung. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Kieler Landtag, Christian von Boetticher, sieht daher in dem Gesetz einen Erfolg. Sein Parteikollege und Ministerpräsident Peter Harry Carstensen habe "sich durchgesetzt", sagte von Boetticher dem Hamburger Abendblatt. "Wir werden jetzt zügig über die Landesgesetzgebung sicherstellen, dass dem Willen der Menschen hier im Land entsprochen wird", hob er hervor.

Auch Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) will die unterirdische Speicherung von Kohlendioxid verhindern. Auch für ihn ist das Gesetz der richtige Weg. Die Bedenken gegen die CCS-Technologie seien groß. "Deshalb beabsichtigt die Landesregierung, keine entsprechenden Erprobungsgebiete in Niedersachsen auszuweisen", sagte McAllister.

Mit dem Gesetz wird den Ländern ein Vetorecht gegen CCS eingeräumt. Sie können festlegen, wo die Technologie eingesetzt werden darf und wo nicht. Dabei sind sie an "fachliche Kriterien" gebunden, etwa die geologischen Besonderheiten der Gebiete. Über die Frage der großtechnischen Anwendung werde erst entschieden, wenn nach der Erprobung die Unbedenklichkeit der Technologie nachgewiesen worden sei, versicherte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU). Bis 2017 soll das geschehen.

Der Gesetzentwurf enthält Vorschriften für die Untersuchung des Untergrundes auf seine Eignung für Speicher sowie für Betrieb, Stilllegung und Nachsorge. Die Speicher sollen nur bei einem Nachweis langfristiger Sicherheit genehmigt werden. Nach 30 Jahren sollen die Speicher an die öffentliche Hand übertragen werden.

Die Grünen in Schleswig-Holstein kritisieren, durch die Maßnahmen im Bundesgesetz werde das Veto wieder ausgehebelt. "Das Mitspracherecht der Länder ist ein fauler Kompromiss", sagte Marlene Löhr, Landesvorsitzende der Grünen, dem Hamburger Abendblatt. Es sei rechtlich nicht ausreichend geklärt, wie ein Veto Schleswig-Holsteins rechtssicher zu machen ist. Zudem befürchten die Grünen, dass "Ministerpräsident Carstensen am Ende doch noch einknickt gegenüber Röttgen, Brüderle und Energiekonzernen".

Dass sich Landesgesetz und Bundesgesetz am Ende gegeneinander aushebeln, befürchtet auch die Bürgerinitiative gegen das CO2-Endlager in Schleswig-Holstein. Dem Land drohe eine "kostspielige rechtliche Auseinandersetzung mit den Stromkonzernen", sagte Reinhard Knof, Sprecher der Initiative, dem Abendblatt. "Diesen Kampf wird Schleswig-Holstein am Ende verlieren, wenn wir nicht ein bundesweites Verbot der CO2-Endlagerung durchsetzen", hob Knof hervor.

Auch in Brandenburg stieß das Gesetz auf Ablehnung - allerdings aus ganz anderen Gründen. Das Land setzt sich seit 2009 für ein nationales CCS-Gesetz ein. Der Energiekonzern Vattenfall plant in Ostbrandenburg unterirdische CO2-Speicher aus der Braunkohleverstromung. Jetzt sieht sich das Land durch die Veto-Klausel allein gelassen "Entweder wir gehen industriepolitisch in Deutschland diesen Weg gemeinsam oder gar nicht", sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD).